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Heimweh war einmal

Wenn aus drei Monaten dann doch fünfzig Jahre werden – Gastarbeiter erzählen.  

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Jessicas Großvater Rino de Min vor dem...afé Zampolli in Villingen-Schwenningen  | Foto: privat
Jessicas Großvater Rino de Min vor dem Eiscafé Zampolli in Villingen-Schwenningen Foto: privat

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als Deutschland anfing, sich wirtschaftlich zu erneuern, und die Lebensverhältnisse der Bürger sich wieder besserten, wurde im Jahr 1955 das Anwerbeabkommen zwischen Italien und Deutschland unterzeichnet: ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Auf der Basis dieser Vereinbarung kamen Millionen von Italienern als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland. Viele davon sind heimisch geworden – unter anderem meine Großeltern, die mir ihre Reise in ein neues und unbekanntes Land geschildert haben.

"Ich schloss einen Vertrag für drei Monate und blieb fünfzig Jahre", sagt meine Oma, die mit gerade mal sechzehn Jahren nach Deutschland gekommen war, ohne die Sprache zu beherrschen oder zu wissen, was auf sie zukam. Der Wille, ihre Familie zu unterstützen, war genug, um diese Reise im Jahr 1963 anzutreten. Genauso ging es meinem Großvater, der mit nur vierzehn Jahren nach Deutschland ging. Meine Großeltern kamen beide nach Schwenningen in eine Eisdiele und sie sprechen von Glück, dort gelandet zu sein. Auch wenn der Lohn von umgerechnet 15 Euro im Monat bei sechzehn Arbeitsstunden am Tag zu wünschen übrig ließ.

Meine Großeltern bekamen ein Zimmer, Verpflegung, eine Krankenversicherung und alles, was für ein gutes Leben nötig ist. Anders erging es vielen anderen Italienern zu dieser Zeit. Vor allem diejenigen, die in den großen Fabriken arbeiteten. Dort bekamen die Gastarbeiter zwar mehr Lohn, aber weder eine Unterkunft noch Verpflegung. Außerdem kam es in den Fabriken öfter zu Konflikten und Auseinandersetzungen mit den Einheimischen, während die Italiener im Bereich Gastronomie geschätzt wurden.

Trotz der vielen anderen Italiener, die ein kleines Stück Heimat mit in das damals triste, graue und kalte Deutschland brachten, war das Heimweh natürlich unvermeidlich. "Ich habe oft die frische Luft aus den Bergen vermisst", erzählt mein Opa, der aus einem kleinen Dorf in den Dolomiten stammt. Ihre Familien sahen meine Großeltern nur einmal im Jahr, nach einer Saison, welche vom Frühling bis Dezember ging. Dort übergaben sie auch das verdiente Geld, mit dem meine Großeltern ihre Familien schon in so jungen Jahren unterstützten.

Nach einigen Jahren harter Arbeit als Angestellte machten sich meine Großeltern, die sich in Deutschland kennengelernt hatten, selbstständig, heirateten und eröffneten 1972 ihre eigene Eisdiele Dolomiti in Hechingen und schon bald nannten sie Deutschland, dank des offenen Empfangs und auch der Liebe, die sie hier gefunden hatten, ihre Heimat.

Angesichts der aktuellen Flüchtlingsdiskussion möchte ich an dieser Stelle die Frage stellen, ob es nicht jeder Neuankömmling verdient, so aufgenommen zu werden? Sollte es nicht auch ihm möglich sein, ein neues Leben in einem fremden Land anzufangen?

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 27. April 2018: PDF-Version herunterladen

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