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Plötzlich heimatlos

Zischup-Reporterin Marina Rombach über Flüchtlinge, Vorurteile und darüber, wie Integration funktionieren kann.  

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Nessrin, Semira, Akram und Zischup-Autorin Marina (von links)   | Foto: privat
Nessrin, Semira, Akram und Zischup-Autorin Marina (von links) Foto: privat

Zurzeit wird viel über Flüchtlinge gesprochen. Hier eine neue Unterkunft, da ein neues Ereignis. Wenn es darum geht, welches Land die meisten Flüchtlinge aufnimmt, ist Deutschland auf jeden Fall ganz vorne dabei. Leider werden die Neuankömmlinge nicht überall freudig aufgenommen. Marina Rombach, Schülerin der Klasse 8a der Realschule in Titisee-Neustadt, treibt das Thema um. In ihrem Zischup-Artikel schreibt sie über Vorurteile, Gewalt und ihren persönlichen Kontakt zu einer geflüchteten Familie.

Die Augen verdrehend ist die Dame mittleren Alters an der Bushaltestelle zur Seite gerückt, als sich ein junger dunkelhäutiger Mann neben sie setzte. Viele Menschen begegnen den Geflüchteten mit Vorurteilen. Und sogar Gewalt: Nach Angaben der Bundesregierung hat es im vergangenen Jahr 2219 Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gegeben. Dabei sind mehr als 300 Menschen verletzt worden. Gefährliche Körperverletzung gehört genauso zu den Übergriffen wie Sachbeschädigung, Beleidigung, Volksverhetzung, Hausfriedensbruch, schwere Brandstiftung und Sprengstoffexplosionen. Diese schlimmen Taten werden oft durch Aussagen wie: "Die bringen nur Gewalt in unser Land" begründet. Natürlich gibt es auch gewalttätige Flüchtlinge, allerdings wird dieses Verhaltensmuster oft sofort allen Flüchtlingen zugeordnet.

Viele Geflüchteten würden hier gerne ein normales Leben führen. Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie reisen in ein fremdes Land. Sie kennen die Menschen nicht, Sie kennen die Gegend nicht und Sie kennen die Kultur nicht. Stellen Sie sich vor, überall wo Sie auch sind, werden sie schräg von der Seite angeguckt. In der Bahn rücken die Menschen weg von Ihnen und gelegentlich bekommen Sie noch blöde Bemerkungen an den Kopf geworfen.

Sie sind nun also in diesem Land, und Sie kennen niemanden. Alles ist neu und ungewohnt. Nicht einmal die Sprache können Sie verstehen. Was Reisende von Flüchtlingen allerdings unterscheidet, ist, dass sie jederzeit in ihre Heimat zurückkehren können. Sie haben noch ein Zuhause. Flüchtlinge haben das nicht. Oft herrscht Krieg in ihren Heimatländern, und ihre Häuser werden bombardiert. Nicht selten sind Familienmitglieder bereits verstorben, und ein Zuhause existiert nicht mehr. Flüchtlinge sind gezwungen, ihre Heimat ohne jegliche Besitztümer zu verlassen und wissen nicht, ob sie jemals wieder zurückkommen können. Würden Sie Ihr Haus, Ihre Familie, Ihre Freunde und Ihr ganzes Leben einfach so aufgeben, wenn sie eine andere Möglichkeit hätten? Niemand verlässt sein Zuhause freiwillig.

Viele Flüchtlinge haben allerdings keine andere Wahl und müssen ihre Heimat verlassen. Oft mit kleinen Schiffen oder in viel zu überfüllten Zügen mehrere Stunden. Der Weg übers Mittelmeer kann tödlich für die Flüchtlinge enden. Viele unschuldige Menschen, darunter auch Kinder, sterben jährlich an der gefährlichen Reise. Sollten die Geflüchteten nach einer harten Reise endlich ihr Ziel erreichen, können sie nur hoffen, dass ihnen Asyl gewährt wird. Und wenn nicht, dann haben sie genau vier Wochen Zeit, alles zu packen, bevor sie das Land verlassen müssen. Das heißt die ganze Anreise war umsonst. Und zu Hause erwartet die Flüchtlinge eine unsichere Zukunft.

Oft wird auch beklagt, dass Flüchtlinge hier vieles geschenkt bekommen. Das kann man aber nicht den Flüchtlingen zum Vorwurf machen. Sie haben diese Gesetze nicht erfunden, das waren wir selber.

Auch in St. Märgen gibt es Flüchtlinge. Ich durfte mit einer kleinen Flüchtlingsfamilie aus Afrin sprechen. Afrin ist eine Stadt in Syrien. Dort ist der Krieg besonders schlimm. Mit ständigen Bombardierungen und Anschlägen will man die Menschen aus Afrin vertreiben. So auch Semira und ihre zwei Kinder Nessrin (9) und Akram (11). Alle drei sind Kurden und mussten ihre Heimat verlassen. Seit zwei Jahren ist die Familie nun in Deutschland. Nessrin und Akram gehen zur Schule und sprechen bereits ausgezeichnet Deutsch. Semira besucht regelmäßig einen Deutschkurs und kann sich auch schon ein bisschen verständigen. Akram übersetzt oft, was seine Mutter sagt, wenn es zu schwierig ist.

Die Kinder haben den Krieg hautnah miterlebt. "Da haben die gekämpft und wollten uns die Köpfe weg machen!", sagte die Neunjährige ernst. Der Vater der beiden Kinder musste zurückbleiben und hat im schrecklichen Krieg sein Leben verloren. Das ist natürlich sehr schwer für die Familie. Vor allem Semira kämpft immer noch damit. Mit dem Auto ist die Familie in die Türkei geflohen. Dort haben sie sich acht Tage aufgehalten, bis es dann mit dem Zug weiter nach Bulgarien ging. Dort mussten sie acht Monate warten. Stolz hat uns Akram erzählt, dass er dort gelernt hat, auf sechs zu zählen. Nach acht Monaten bekamen sie endlich einen Flieger nach Deutschland.

In Deutschland ging ihre Reise noch weiter. Dann kamen sie nach St. Märgen. Hier besuchen beide Kinder nun die Grundschule. Nessrin geht in die erste Klasse, und Akram besucht die dritte. Allerdings werden die beiden nächstes Jahr eine Klasse überspringen, da sie so gut sind. Nessrin meint, es hätte rund einen Monat gedauert, bis die beiden Deutsch konnten. Begeistert erzählt Nessrin, wie viel Spaß ihr die Schule macht und was ihre Lieblingsfächer sind. Auch Akram ist sehr glücklich. Die Familie hat sich super integriert, wird aber noch von einem Helferkreis unterstützt. Nessrin tanzt sehr gerne und Akram spielt sehr gerne Fußball.

Denken Sie immer daran, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind, genau wie Sie und ich. Jeder Mensch hat seine Schwächen und Stärken und ist somit einzigartig.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 08. Juni 2018: PDF-Version herunterladen

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