"Die Essenz des Lebens"
Eriko Stock ist Tanzlehrerin in Lahr. Greta Göhringer wollte von ihr wissen, wie sie zum Ballett kam und was das schönste Erlebnis ihrer Karriere als Tänzerin war.
Greta Göhringer, Klasse 9a, Scheffel-Gymnasium (Lahr)
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BZ: Wann und wie haben Sie ihre Leidenschaft für Ballett entdeckt?
Ich habe mit acht Jahren an einem Ballettwettbewerb teilgenommen. Dort waren ungefähr 300 andere Tänzer und Tänzerinnen, welche alle wunderschön getanzt haben. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, ich möchte Tänzerin werden.
BZ: Sie haben professionell Ballett getanzt. Wo haben Sie Ihre Ausbildung gemacht?
Als ich 17 Jahre alt war, begann ich meine professionelle Ausbildung in Frankreich. Ich besuchte die Schule Centre d´Art Choréographique Franco-Japonais. Meine Lehrerin war eine Étoile (Primaballerina) der berühmten Pariser Oper.
BZ: Wie lange hat die Ausbildung gedauert?
Sie dauerte zwei Jahre lang. Im zweiten Jahr bekam ich ein Stipendium von der japanischen Regierung.
BZ: Was waren die größten Hürden während der Ausbildung?
Die größten Herausforderungen waren, jeden Tag die gleiche Mentalität und Einstellung aufzubringen sowie körperlich immer sein Bestes zu geben. Es war schwer, wenn man sein Limit erreichte. Man musste akzeptieren, dass man sein Bein nicht weiter heben, seinen Fuß nicht weiter strecken konnte. Außerdem musste man immer darauf achten, schlank zu bleiben. Das war oft hart. Die Lehrer machten uns Druck und einige meiner Freundinnen sind auch krank geworden. Es war sehr anstrengend, jeden Tag seine Energie, sein Potenzial und sein Talent zu zeigen, auch wenn man vielleicht krank war. Nach jeder Vorstellung und jedem Wettbewerb musste man am nächsten Tag wieder von vorne anfangen. Wieder beim Demi Plié sozusagen. Das war sehr ermüdend! Natürlich hatte ich auch Heimweh und noch heute vermisse ich meine Familie in Japan. Ich besuche sie und sie mich. Trotz allem war es eine wunderschöne Zeit, an die ich gerne zurückdenke.
BZ: Wo haben Sie nach ihrer Ausbildung getanzt?
Während der Ausbildung tanzte ich schon in unterschiedlichen Aufführungen. In Japan und auch in anderen Ländern habe ich viele klassische Ballette getanzt, wie Nussknacker, Schwanensee (Variation großer Schwan), Le Corsaire, Dornröschen (Aurora), Don Quixote, Giselle, Paquita, Pas de Quatre und weitere Variationen als Solistin. Später ging ich zurück nach Japan. Ich arbeitete dort als Lehrerin und gab Workshops. Als Solistin tanzte ich auf verschiedenen Bühnen. Daraufhin flog ich alleine nach Deutschland und wurde nach einem Vortanzen als Gasttänzerin am Stadttheater in Bremerhaven aufgenommen. Danach bekam ich ein Engagement als Solistin am Landestheater Coburg.
BZ: Was war das schönste Erlebnis in Ihrer Tanzkarriere?
Das war definitiv der Applaus nach einer Vorstellung. Wenn jemand nach einem Auftritt zu dir kommt und danke sagt, ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Wenn du andere mit deinem Tanz berühren kannst, ist das wirklich bewegend. Der Blick öffnet sich durch diese Karriere und durch das Ballett verwischen alle Grenzen, welche fortan keine Bedeutung mehr haben. Nationalität und Herkunft sind nicht von Bedeutung, da wir alle das gleiche Ziel vor Augen haben. Mein größtes Highlight waren die Auftritte mit dem Ensemble der Pariser Oper!
BZ: War Ihnen schon während ihrer Tanzkarriere bewusst, dass Sie danach Tanzlehrerin werden wollen?
Seit ich 17 Jahre alt bin, gebe ich schon Unterricht. Meine japanische Lehrerin gab mir einen Job und ich unterrichtete in Studios. Ich dachte höchstens zu zehn Prozent daran, Tanzlehrerin zu werden. Ich wollte nur Tänzerin sein. Natürlich wusste ich nicht, wie lange ich professionell würde tanzen können.
BZ: Welche Herausforderungen gibt es beim Unterrichten von Ballett heute?
Ich versuche immer, neutral zu sein und keine wechselnden Stimmungen ins Studio zu bringen. Das ist nicht so einfach, doch anders will ich nie unterrichten! Meine Lehrer früher waren sehr stimmungsschwankend. Das war oft schwierig und belastete uns Schüler, da die wechselnde Stimmung der Lehrer auf uns abfärbte. Man musste aufpassen, seine Leistung dadurch nicht beeinflussen zu lassen. Ich muss sehr flexibel sein, da nicht jeder Schüler auf dem gleichen Level ist, ich dem unterschiedlichen Leistungsniveau jedoch gerecht werden muss. Das ist jeden Tag eine große Herausforderung! Ich finde die Kommunikation zwischen Lehrer und Schülern sehr wichtig. Das ist gerade bei Teenagern oft schwierig. Doch in einem Kurs haben unterschiedliche Personen verschiedene Ziele, über die man sich frühzeitig im Klaren sein muss.
BZ: Welche Fähigkeiten und Werte vermittelt Ballett Ihrer Meinung nach den Schülern?
Ballett gibt dir die Essenz des Lebens. Durch die Musik und das Tanzen bekommen wir ein Bewusstsein für Schönes und Ästhetik. Man fragt sich beim Betrachten eines Kunstwerkes, warum sind da Striche und warum ist da so ein Schwung? Man fühlt sich verbunden mit jeder Art von Kunst. Wenn jeder nur auf sein Handy starrt, erlernt man diese Gefühle nicht.
Ballett lehrt uns auch Geduld und Durchhaltevermögen.
BZ: Haben Sie einen Lieblingschoreografen oder ein Lieblingsstück?
Ich mag das Royal Ballett und die Pariser Oper. Mir gefällt die Art, wie sie tanzen. Ich kann mich nicht für ein Lieblingsstück entscheiden.
BZ: Gibt es einen Rat, den Sie jungen Tänzerinnen und Tänzern immer wieder geben?
Das Ballettstudio ist ein sicherer Ort, an dem niemand verurteilt wird. Dort kannst du deinen Horizont erweitern. Du darfst keine Angst vor Fehlern haben. In der Schule willst du vielleicht alles richtig machen und nicht herausstechen. Im Ballettstudio sollst du Fehler machen! Nur daran wächst du und wirst stärker! Sei positiv und wenn deine Stimmung negativ ist, bitte verändere sie ins Positive! Und am allerwichtigsten: Hab Spaß am Tanzen!