"Manche Bilder verfolgen mich bis heute"
Nsaf Haji Rasho hat den Krieg im Irak erlebt und ist 2018 nach Deutschland geflohen. Ihr Enkel interviewt sie über das neue Leben in Deutschland.
Andres Feisal Khodeda, Klasse 9-2, Walter-Eucken-Gymnasium, (Freiburg)
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BZ: Kannst du uns von deinem Leben erzählen, bevor der Krieg begann?
Ja, das kann ich gerne machen. Wir hatten ein einfaches, aber schönes Leben in Shingal, Irak. Unser Garten war groß, voller Pflanzen – Apfelbäume, Granatapfelbäume und vieles mehr. Wir hielten viele Schafe und in unserem Dorf herrschte Frieden. Natürlich gab es Armut, aber wir hatten ein Zuhause, eine Gemeinschaft und wir waren glücklich.
BZ: Wie hast du den Kriegsausbruch erlebt?
Es begann mit unserer Nachbarstadt. Sie wurde angegriffen, und wir spürten sofort, dass etwas nicht stimmte. Dann sahen wir die Autos mit den schwarzen Flaggen – es war der IS (Terrororganisation Islamischer Staat, die Red.). Die Männer schossen wahllos auf Menschen. Wir mussten alles stehen und liegen lassen, was uns wichtig war, und so schnell wie möglich fliehen.
BZ: Was war das Schlimmste ?
Krieg ist immer grausam. Doch es gibt Bilder, die mich bis heute verfolgen. Ich habe gesehen, wie Kinder lebendig begraben wurden. Menschen wurden verbrannt. Frauen wurden entführt, vergewaltigt und als Sexsklavinnen verkauft. Eine Erinnerung bricht mir besonders das Herz. Eine Mutter war mit ihren Kindern unterwegs. Die Kinder schrien nach Essen und Wasser, doch es gab nichts. In ihrer Verzweiflung wickelte die Mutter Steine in Blätter ein und gab sie ihnen, damit sie das Gefühl hatten, etwas im Magen zu haben. Wenn ich daran denke, tut es mir noch immer im Herzen weh.
BZ: Wie war es für dich, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen?
Es war schwer. Sehr schwer. Ich musste mich an eine neue Kultur gewöhnen. Die Sprache ist besonders schwierig für mich. Ich versuche, mein Bestes zu geben, um sie zu lernen, aber für eine alte Frau, die so viel erlebt hat, ist das nicht einfach.
BZ: Fühlst du dich in Deutschland sicher?
Ehrlich gesagt, nicht immer. Viele Jesiden werden abgeschoben, obwohl sie hier arbeiten, ihre Schule abgeschlossen und sich ein neues Leben aufgebaut haben. Man schickt sie zurück in eine Region, in der ihnen das gleiche Grauen erneut drohen könnte. Es ist, als würde man sie dem Tod überlassen. Stattdessen sollte man diejenigen abschieben, die kriminell sind – nicht Menschen, die sich hier integriert haben und einfach nur in Frieden leben wollen. Für viele ist Deutschland ihr Zuhause geworden. Wir dürfen nicht schweigen. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass diese Ungerechtigkeit aufhört. Krieg ist ein Albtraum, und wer ihm entkommen ist, verdient eine echte Chance auf ein sicheres Leben. Danke, dass ich meine Geschichte erzählen durfte.