Zischup-Interview
"Man sollte die Angst ernst nehmen"
Vera Hauffe ist Psychologin an der Universität Freiburg. Zischup-Reporterin Liv Krieger hat mit ihr über Angststörungen gesprochen. .
Liv Krieger, Klasse 8a, St.-Ursula-Gymnasium (Freiburg)
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Hauffe: Im Prinzip spricht man von einer Angststörung, sobald sie in irgendeiner Form eine Einschränkung ist. Du traust dich vieles nicht mehr, hörst mit bestimmten Hobbys auf oder triffst dich seltener mit Freunden. Du merkst vielleicht, dass im Vergleich zu Gleichaltrigen die Angst ein übermäßiges Ausmaß hat.
Zischup: Was können solche Ängste auslösen und welche sind besonders häufig?
Hauffe: Es ist erstmal wichtig, zwischen Kindern und Jugendlichen und Erwachsenen zu unterscheiden. Es gibt da zwar große Parallelen, doch gibt es bestimmte Ängste, die vor allem für Kinder typisch sind. In der Entwicklung vom Baby zum Kind sind die Angst vor Fremden, die Angst vor Dunkelheit, aber auch die Trennungsangst häufig. Die Kinder haben Angst davor, von ihrer Familie getrennt zu werden, zum Beispiel durch Entführungen, oder auch Unfälle. Die meisten dieser Ängste bilden sich dann normalerweise ab einem bestimmten Alter wieder zurück. Phobien sind in der Therapie auch häufig Thema, oft sind es Spinnenphobien, Höhenangst, Angst vor Hunden oder Spritzen. Vor allem im Jugendalter nehmen dann soziale Phobien zu, wenn man also Schwierigkeiten hat, mit anderen Personen oder vor großen Gruppen zu sprechen, weil man Sorge hat, es falsch zu machen und ausgelacht zu werden.
Zischup: Man sagt, dass traumatische Kindheitserlebnisse oft Auslöser für solche Angststörungen sind. Wenn das so ist, wie kann man sich das vorstellen?
Hauffe: Wenn Kinder in Therapie kommen, sind die Eltern erstmal besorgt und haben Angst, dass sie etwas falsch gemacht haben. Man kann aber klar sagen, dass es nicht immer einen einzigen Grund gibt. Es ist zum Beispiel nicht immer so, dass ein Kind von einem Hund gebissen wird und daraufhin eine Hundephobie entwickelt. Ein Biss kann zwar ein Auslöser sein, jedoch steckt meistens mehr dahinter. Die Angst kann auch genetisch veranlagt oder durch Stress verschlechtert worden sein. Ebenso kann der Charakter eine Rolle spielen: Wenn du schon als Kleinkind sehr schüchtern und ruhig warst, könnte die Wahrscheinlichkeit erhöht sein, dass du als Jugendlicher eine soziale Angststörung entwickelst. Auch das Umfeld hat einen Einfluss. Wenn du im Laufe deiner Kindheit zum Beispiel beobachtest, wie Menschen in deinem näheren Umfeld Angst vor Spinnen haben, kann es sein, dass du auch eine solche Angst entwickelst.
Zischup: Ab welchem Punkt sollte man über eine Therapie nachdenken?
Hauffe: Sobald du selber sagst, du willst nicht mehr mit dieser Angst leben und dich nicht mehr von ihr kontrollieren lassen. Bei jüngeren Kindern sind es oft natürlich die Eltern, denen auffällt, dass ihr Kind vielleicht anders ist als Gleichaltrige. Je früher man mit der Therapie beginnt, desto besser lässt sich so eine Angststörung bekämpfen.
Zischup: Was macht man in der Therapie gegen eine Angststörung?
Hauffe: Man kann sich die Therapie ein bisschen vorstellen wie, eine neue Fähigkeit zu erlernen. Am Anfang tust du dich schwer, doch irgendwann wird es leichter und die Angst ist nicht mehr so stark. Gerade bei Phobien, zum Beispiel vor Hunden, fängst du langsam an. Vielleicht guckt ihr euch erstmal einen Film oder Bilder mit Hunden an, dann gehst du in den Hundepark, guckst sie dir vom Weiten an und nach einer Weile wird ein Hund mit zur Therapiestunde gebracht.
Zischup: Und wie ist das bei sozialen Angststörungen?
Hauffe: Da ist es komplexer, denn du wirst nie zu 100 Prozent wissen, was andere von dir denken. Du weißt also nicht, wenn zwei Mädchen miteinander kichern, ob sie über dich lachen oder ob eine vielleicht einen Witz gemacht hatt. Man muss etwas kreativer werden bei den Übungen. Es ist wichtig, erstmal zu wissen, wovor der Jugendliche genau Angst hat. In der Therapie lernt man dann, damit umgehen zu können und sich klarzumachen, dass es nicht heißt, dass diese Mädchen über dich lachen, nur weil sie gerade gekichert haben. Wir widmen uns also sehr der Gedankenwelt.
Zischup: Sind bestimmte Menschen eher anfällig für Angststörungen?
Hauffe: Dies hängt von der Angststörung ab. Bei Phobien ist es zwischen Männern und Frauen ziemlich ausgeglichen, es gibt aber auch Störungsbilder, bei denen Frauen beziehungsweise Männer eher betroffen sind. Die Pubertät ist auch immer ein kritischer Punkt. Es kann sein, dass jemand sein Leben lang eher angstfrei war und dann in der Pubertät eine Angststörung entwickelt. Für unsere Studie zum Thema Ängste bei Kindern und Jugendlichen haben sich vermehrt jugendliche Mädchen gemeldet. Ob das bedeutet, dass sie vermehrt von Angststörungen betroffen sind, möchte ich damit aber nicht sagen. Vielleicht waren sie emotional schon weiter in ihrer Entwicklung und waren sich ihrer Ängste eher bewusst als andere Gruppen. Vielleicht zeigen sie auch eine insgesamt größere Offenheit für das Thema psychische Gesundheit.
Zischup: Wie kann man einer Freundin helfen, die eine soziale Angststörung hat?
Hauffe: Man sollte Verständnis zeigen, die Person stützen und sie auch ermutigen, Sachen selber zu machen. Weniger hilfreich ist, wenn man jemanden zu etwas zwingt und seine Angst herunterspielt. Menschen mit bestimmten Angststörungen ziehen sich häufig zurück. Man kann versuchen, sie aus ihrer Traurigkeit herauszuholen. Wenn man merkt, dass es nicht besser wird, kann man der Person offen sagen, dass man sich Sorgen macht. Das Wichtigste ist jedoch, dass das Umfeld nicht alles für die Person übernimmt. Wenn man zum Beispiel immer für seine Freundin spricht, fehlt ihr die Lernerfahrung.
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