"Immer wieder in den Schutzkeller"
ZISCHUP-INTERVIEW mit Gerolf Kniehl über seine Schulzeit mit Schiefertafel, Holzstecken und Bombenalarm.
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Im Krieg ist Alltag unmöglich. Diese Erfahrung machte auch Gerolf Kniehl, der während des Zweiten Weltkrieges die Volksschule in Freiburg-St. Georgen besuchte. Seine Enkelin Johanna Schneider, Schülerin der Klasse 8a der Hugo-Höfler-Realschule, Breisach, wollte von ihm wissen, wie zu Kriegszeiten der Unterricht war.
Kniehl: Im Jahr 1937 kam ich in die Volksschule St.Georgen. Namen hatten die Schulen damals noch nicht, auch gab es noch keine Unterteilung in Grund- und Hauptschule.
Zischup: Wie kann man sich die Einschulung in dieser Zeit vorstellen?
Kniehl: Schultüten gab es noch nicht. Man bekam von den Eltern den Schulranzen, eine Schiefertafel, einen Griffelkasten, also einen Behälter für Kreide und Bleistifte, ein Schwammdöschen und ein Putzläppchen. Vom Lehrer bekam man dann noch ein Lesebuch. Das war alles.
Zischup: Was habt ihr in der Grundschule gelernt?
Kniehl: In den ersten zwei Jahren lernten wir zuerst die Sütterlin-Schrift. Und natürlich mussten wir auch Rechenaufgaben lösen, die uns der Lehrer auf eine große Wandtafel geschrieben hat.
Zischup: Hattet ihr auch Hausaufgaben?
Kniehl: Ja. Wir mussten meistens eine Tafelseite vollschreiben. Zuerst Buchstaben, dann Worte und schließlich Sätze. Die andere Tafelseite mit Zahlen und Rechenaufgaben.
Zischup: Und nach der zweiten Klasse?
Kniehl: Ab der dritten Klasse lernten wir dann richtig schreiben mit Feder und Tinte in Schreibhefte. Die Tintenfässer waren in der Schulbank eingelassen. Da haben wir dann auch die Lateinische Schrift gelernt, also die heutige Schrift.
Zischup: Hattet ihr außer Rechnen und Schreiben auch noch andere Fächer?
Kniehl: Ja. Im Unterricht wurden auch Volkslieder gesungen, die der Lehrer mit uns mit der Geige einübte. Wir hatten auch Religionsunterricht, getrennt katholisch und evangelisch. Der wurde noch vom Ortspfarrer oder Vikar abgehalten.
Zischup: Gab es bei dir schon Strafarbeiten, wenn ihr den Unterricht gestört habt?
Kniehl: Ja. Es gab Strafarbeiten wie Abschreiben, oder man musste für eine gewisse Zeit in eine Ecke des Klassraumes stehen, mit dem Gesicht zur Wand. Wenn man frech zum Lehrer war, konnte es schon einmal sein, dass der Lehrer einem an den Ohren zog oder man einen leichten Klaps auf den Hinterkopf bekam. In der Ecke des Klassenraumes standen außerdem ein Holzstecken und ein Schilfrohrstöckchen – der Holzstecken war für für die Bestrafung von Buben auf das Hinterteil und das Schilfrohrstöckchen zu Bestrafung der Mädchen durch Schläge auf die Handinnenfläche, auch Tatzen genannt. Dafür musste aber schon etwas Schlimmes vorgefallen sein.
Zischup: Wie ging es nach der vierten Volksschulklasse weiter?
Kniehl: Ich kam auf das Erich-Ludendorff-Realgymnasium in Freiburg, gegenüber vom Herder-Verlag. Beim Bombenangriff am 27. November 1944 wurde das Gebäude aber zerstört.
Zischup: Hattet ihr Schulkleidung?
Kniehl: Nein, also wir, die Jungs, hatten das ganze Jahr kurze Hosen an. Im Winter hatten wir lange gestrickte Kniestrümpfe, die an Strumpfhaltern festgemacht waren. Die Strumpfhalter wiederum waren an sogenannten "Leibchen" befestigt, die man über dem Unterhemd trug.
Zischup: Als du auf diese Schule kamst, war schon Krieg. Wie war das?
Kniehl: Die jungen Lehrkräfte waren als Soldaten im Krieg und wir wurden also fast nur noch von älteren Studienräten und Professoren unterrichtet, die zum Teil sogar schon pensioniert waren. Der Unterricht wurde immer wieder durch Fliegeralarm unterbrochen und wir mussten dann in die Schutzkeller der Schule flüchten. Statt Schule mussten wir oft auch Heilkräuter sammeln im Wald und auf den Wiesen. Die Kräuter wurden in den Speichern der Schule getrocknet und dann abgeliefert zur weiteren Verarbeitung. Manchmal fielen auch Schultage aus, weil die Schüler aufs Land gebracht wurden zum Kartoffelkäfer-Ablesen, der zu dieser Zeit großen Schaden an den Pflanzen angerichtet hatte.
Zischup: Wie ging es dann weiter?
Kniehl: Dann kam der Bombenangriff auf Freiburg und die meisten Schulen waren zerstört oder vom Militär besetzt. Nur das Friedrich-Gymnasium in Herdern und das Mädchengymnasium, das heutige Goethe-Gymnasium, blieben unbeschädigt. Erst Ende 1945 wurde der Unterricht wieder aufgenommen, wobei im Gebäude des Friedrich-Gymnasiums auch die Klassen von drei anderen Schulen in drei zeitlich verteilten Unterrichtsstunden je Tag behelfsmäßig unterrichtet wurden. Es gab kaum Unterrichtsmaterialien wie Lehrbücher und Hefte.
Zischup: Wie hast du diese Zeit empfunden?
Kniehl: Am Anfang des Krieges war ich acht Jahre alt und konnte den Ernst der Lage noch nicht richtig einschätzen. Wir Jungs waren im Jungvolk, das war die Vorstufe der Hitler-Jugend. Man bekam eine schöne Uniform und wir machten tolle Ausflüge und empfanden das eher als Abenteuer. Als Jugendlicher empfand ich den Krieg allerdings als eine schreckliche Zeit. Aus meiner Klasse sind beim Bombenangriff auf Freiburg vier meiner Klassenkameraden umgekommen. Viele junge Menschen wurden zum Kriegsdienst eingezogen, sind im Krieg gefallen, als Verwundete zurückgekommen oder noch viele Jahre in Kriegsgefangenschaft gewesen.
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