"Ich versuche, etwas Positives zu erreichen"

Birgit Zucker ist als niedergelassene Neurologin in Lahr tätig. Ihre Tochter Dorothea hat sie interviewt. .  5 min

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Birgit Zucker Foto: Thomas Hammelmann
BZ: Warum hast du dich für die Fachrichtung Neurologie entschieden?
Die Neurologie ist die Lehre von der Funktion und den Erkrankungen des Nervensystems. Sie befasst sich mit den Funktionen des Gehirns, des Rückenmarks, der peripheren Nerven und der Muskeln. Mehr als 100 Milliarden Nervenzellen steuern dabei unsere Bewegungen, unsere Sinne, unsere Sprache und unser Denken. Mich hat schon immer fasziniert, dass all diese Funktionen von der Steuerzentrale Gehirn ausgehen. Ich wollte diese Vorgänge im Gehirn und im Menschen besser verstehen lernen. Auf klinischer Ebene ist das Fach Neurologie eines der wenigen in der Medizin, bei dem man als Arzt unmittelbar durch die körperliche, also klinisch-neurologische Untersuchung Krankheiten vermuten und erkennen kann. Aufgrund der angegebenen Symptome kann ein Neurologe bereits Schlüsse auf den Ort des erkrankten Gehirnteils oder Nervs ziehen. All das hat mich bewogen, nach Abschluss meines Medizinstudiums eine Facharztausbildung im Fach Neurologie zu machen.

BZ: Welches sind die häufigsten neurologischen Erkrankungen, die du behandelst?
Die häufigsten Erkrankungen in der Praxis sind Migräne – immer wiederkehrende Kopfschmerzattacken, das Karpaltunnelsyndrom – ein eingeklemmter Nerv an der Hand und der Schlaganfall – eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn mit Lähmungen oder Sprachstörung. Weitere häufige Krankheiten sind die Parkinson-Krankheit, genannt Schüttellähmung, bei der die Betroffenen nur noch in kleinen Schritten gehen können und die Hände häufig zittern, außerdem Multiple Sklerose – eine Entzündung in Gehirn und Rückenmark, zum Beispiel mit Lähmungen, Epilepsie – Krampfanfälle, bei denen Menschen zu Boden fallen, bewusstlos werden und sich unwillkürlich bewegen – und die Alzheimer-Demenz, bei der Nervenzellen untergehen, wodurch es zum Gedächtnisverlust kommt; die Menschen kommen nicht mehr alleine im Alltag zurecht. Die Demenz-Erkrankung ist zunehmend, da die Menschen von Generation zu Generation älter werden. Die steigende Anzahl dieser Patienten ist auch in meiner Praxis deutlich zu spüren.

BZ: Wie sieht der Alltag in deiner Praxis aus?
Die Praxis ist täglich ab acht Uhr geöffnet. Bereits ab sieben Uhr wird die Sprechstunde vorbereitet. Die Medizinischen Fachangestellten fügen die eingegangenen Ergebnisse, beispielsweise Blutuntersuchungen oder Kernspinuntersuchungen sowie Arztbriefe von Kliniken oder von anderen Fachärzten in die digitale Patientenakte ein. Die Patienten erscheinen in der Regel zu einem vereinbarten Termin in meiner Sprechstunde. Der Patient schildert seine Beschwerden, ich frage gezielt nach Symptomen und untersuche den Patienten dann neurologisch. Dies beinhaltet die Überprüfung der Kopfnerven, der Muskeleigenreflexe, der Muskelkraft, der Koordination, der Sensibilität, der Sprache und des Gedächtnisses. Hieraus entsteht bei mir bereits eine Verdachtsdiagnose. Dafür sind ab und zu noch zusätzliche Untersuchungen nötig, die dann meine Medizinischen Fachangestellten durchführen. Fast täglich melden sich Patienten als Notfall, die ich dann kurzfristig sehe. Das könnte zum Beispiel der Schub einer Multiplen Sklerose sein, den ich dann direkt durch eine Medikamentengabe in der Praxis behandle. Manchmal schicke ich Notfälle auch in die Klinik, wie zum Beispiel Schlaganfälle. Nach der Sprechstunde diktiere ich die Arztbriefe, damit sie an die überweisenden Hausärzte oder andere Fachärzte versendet werden können. Des Weiteren betreue ich Patienten in Pflegeheimen in Lahr und Umgebung. Viele sind an Alzheimer-Demenz erkrankt. Auch kümmere ich mich um geistig und körperlich behinderte Patienten der Johannes-Diakonie Mosbach, die in Wohngruppen und Pflegeeinrichtungen leben.

BZ: Welche verschiedenen Untersuchungsmethoden setzt du ein?
Zur Überprüfung der Nervenfunktion führen wir Messungen durch. Dabei bestimmen wir die Geschwindigkeit von elektrischen Impulsen in den Nervenbahnen. Bei der Elektroenzephalographie (EEG) werden die Hirnströme abgeleitet. Dies bedeutet, dass die Hirnaktivität eines Menschen durch die Schädeldecke hindurch aufgezeichnet wird. Das gibt dem Neurologen wichtige Informationen, beispielsweise für die Diagnose eines Anfallsleidens wie Epilepsie. Eine häufig eingesetzte Methode ist auch die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagader und weiterer Gefäße im Gehirn, um nach Verengungen der Blutgefäße zu suchen. Damit kann ein mögliches Schlaganfallrisiko überprüft werden. Außerdem führen wir Blutentnahmen zur Analyse durch. Immer häufiger führen wir Tests zur Erkennung einer Demenz durch: Gedächtnis, Sprachverständnis, Rechnen.

BZ: Welche Herausforderungen begegnen dir in deiner Praxis?
Es fragen viel mehr Patienten nach einem Termin, als zu bewältigen sind. Das ist eine Herausforderung. Die Versorgung von Notfällen, die ungeplant eintreffen, führt zu Verzögerungen der Termine. Viel Zeit kostet das Überbringen der Diagnose einer Krankheit mit ungünstigem Verlauf. Diese Zeit muss sein. Nicht zuletzt erfordert der betriebswirtschaftliche Aspekt der Führung einer Arztpraxis regelmäßige Kalkulationen der Einnahmen und Ausgaben. Ich habe eine angestellte ärztliche Kollegin, fünf Medizinische Fachangestellte, zwei Auszubildende und eine Reinigungskraft. Das verlangt Teamführung und bedeutet große Verantwortung.

BZ: Was schätzt du besonders an deiner Arbeit als niedergelassene Neurologin?
Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Ich habe immer neue, interessante Patienten, deren Diagnose ich herausfinden möchte. Das Spektrum der Erkrankungen reicht hier von gängigen Krankheiten bis hin zu seltenen Erkrankungen, wie der Huntington-Krankheit, mit einer Erkrankungshäufigkeit von einem von 10.000 Menschen.

BZ: Was genau denn ist die Huntington-Krankheit?
Sie ist genetisch bedingt, die Betroffenen können nicht stillsitzen und machen tänzerische Bewegungen beim Gehen. Eine weitere Besonderheit in der Niederlassung besteht in der Betreuung von chronisch Erkrankten. Manche Patienten sehe ich regelmäßig seit zehn Jahren. Somit kenne ich sie und ihre Beschwerden immer besser, begleite sie und teilweise auch ihre Familienangehörigen. Ich freue mich, wenn ich helfen kann, zum Beispiel durch das Herausfinden der Diagnose oder die Einleitung einer Therapie. Manchmal bewirkt auch ein tröstendes Gespräch viel Gutes. Ich bin gerne Neurologin und versuche immer, etwas Positives für meine Patienten zu erreichen.
Schlagworte: Birgit Zucker
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