"Es war nicht klar, ob ich wieder in den Westen können würde"

Der Mauerfall 1989 war für die Menschen in der DDR ein Aufbruch in eine neue Zeit, sagt Horst Meyer-Lühmann. Er lebte zunächst in der DDR und hat die Entwicklung durch wiederholte Besuche bei seiner Familie miterlebt. .  

Mail

Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen

Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.

Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.

Akzeptieren
Mehr Informationen
Horst Meyer-Lühmann  | Foto: privat
Horst Meyer-Lühmann Foto: privat
BZ: Wo bist du in der DDR aufgewachsen?
Ich wurde in Salzwedel geboren, das liegt in der Altmark im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. Zu DDR-Zeiten verlief nur fünf Kilometer von Salzwedel entfernt die innerdeutsche Grenze.

BZ: Woran erinnerst du dich, wenn du an deine Kindheit in Salzwedel denkst?
Gerne denke ich an die Festtage zurück, an denen es auch den typischen Baumkuchen aus Salzwedel gab, der entweder mit Zuckerguss oder dunkler Schokolade überzogen war.

BZ: Was waren hingegen unangenehme Kindheitserinnerungen?
Es gab den Zwang, schon in der Schule der Freien Deutschen Jugend, FDJ, beizutreten, ansonsten hatte man erhebliche Nachteile bei der Schul- oder Berufswahl.

BZ: Was war die FDJ?
Die Regierung hat die Erziehung zum Kommunismus vorgeschrieben und auch konsequent umgesetzt. So trafen sich die Jugendlichen in sogenannten Jugendklubs. Außerdem wurden Ferienlager angeboten, allerdings waren Reisen ins westliche Ausland untersagt.

BZ: Wie hast du den Mauerbau 1961 erlebt?
Ich war sechs Jahre zuvor mit meinen Eltern in die Bundesrepublik übergesiedelt, den Tag des Mauerbaus verbrachte ich aber bei meinen Großeltern in Salzwedel. Diesen Tag werde ich nie vergessen, da durch die plötzliche Schließung der Grenzen nicht klar war, ob ich wieder zu meinen Eltern in den Westen zurückkehren könnte. Glücklicherweise schaffte es mein Vater, die entsprechenden Unterlagen zu besorgen, sodass ich wieder zurück in den Westen reisen durfte.

BZ: Wie fühlten sich deine in der DDR zurückgebliebenen Verwandten?
Sie fühlten sich ohnmächtig und permanent eingesperrt, da sie nicht in den Westen reisen durften. Reisen in westliche Länder wie Frankreich, England, die Schweiz, Skandinavien und so weiter waren ihnen verwehrt. Meine Großeltern und Rentner waren da die Ausnahme. Normalerweise verbrachten DDR-Bürger ihre Auslandsurlaube in Ländern wie Ungarn, Rumänien oder Bulgarien.

BZ: Was hast du bei deinen Reisen in die DDR beobachten können?
Die Einreise war mit viel Stress und Angst verbunden aufgrund der äußerst scharfen Kontrollen. Unser Auto wurde durchsucht und regelrecht auseinandergenommen. So war es zum Beispiel streng verboten, Bücher, Zeitschriften oder auch Musikkassetten aus dem Westen mitzubringen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie diese stundenlang abgespielt und angehört wurden.

BZ: Mit welchen Problemen hatten deine Verwandten im täglichen Leben zu kämpfen?
Alles, was für uns heutzutage selbstverständlich ist, gab es in der DDR nur bedingt. Es musste monatelang auf Vorrat angeschafft und gehortet werden, wenn ein Fest wie die Jugendweihe bevorstand und Verwandtschaftsbesuch aus dem Westen erwartet wurde.


BZ: Hat sich der Mauerfall angekündigt?
Zwar wurden zunehmend die Ausreisemöglichkeiten gelockert, gleichzeitig aber wurde die Versorgung immer schlechter und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung nahm zu, bis es dann zu den berühmten Montagsdemonstrationen und Protestmärschen kam.

BZ: Wie war der Mauerfall für Deutschland?
Nachdem der Krieg verloren und Deutschland geteilt worden war, schien es unvorstellbar, dass es jemals eine Wiedervereinigung im Anschluss an den Mauerfall geben würde. Der Westen hatte zwar darauf gehofft, jedoch hat niemand so richtig daran geglaubt.

BZ: Wie hast du den Tag des Mauerfalls erlebt?
Es war der 9. November 1989, als ich die Nachrichten im Fernsehen verfolgt und gesehen habe, wie das schier Unfassbare tatsächlich passiert ist. Als dann die Schlagbäume in Berlin hochgingen und die Ossis massenweise mit ihren Trabis ins Land strömten, konnte ich meine Freudentränen nicht zurückhalten.

Horst Meyer-Lühmann ist 78 Jahre alt und hat bis zu seinem 7. Lebensjahr in der DDR gelebt. Außerdem war er lange Jahre aktiv als Hammerwerfer in der Leichtathletik und als Fußballtrainer tätig.
Schlagworte: Horst Meyer-Lühmann
Zeitungsartikel herunterladen Fehler melden

Weitere Artikel