"Die Hoffnung auf Frieden war immer da"

Meine 98-jährige Großtante J. Maurer hat den Zweiten Weltkrieg in Konstanz miterlebt. Im Interview erzählt sie von den Herausforderungen, Verlusten und Hoffnungen dieser prägenden Zeit. .  

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J. Maurer in der Uniform des Reichsarb...sende 1945 in der Organisation dienen.  | Foto: privat
J. Maurer in der Uniform des Reichsarbeitsdienstes. Sie wurde nach dem Abitur 1944 einberufen und musste bis Kriegsende 1945 in der Organisation dienen. Foto: privat
BZ: Wie hast du damals den Beginn des Krieges erlebt?
Ich erinnere mich gut daran, als wir im Radio hörten, wie unsere Truppen in Polen einmarschierten. Das war der Beginn des Krieges. Zu dieser Zeit gab es noch kein Fernsehen, wir hörten Radio oder gingen ins Kino, um Kriegsberichte zu sehen. Zuhause änderte sich vieles: Lebensmittelkarten lagen in unseren Briefkästen, und das Einkaufen wurde schwierig, da die Lebensmittel rationiert waren. Schokolade und Südfrüchte wie Orangen verschwanden, da sie aus dem Ausland kamen. Zu Beginn war die Stimmung in der Stadt euphorisch, viele dachten, der Krieg würde schnell vorbei sein und Deutschland würde siegreich hervorgehen.

BZ: Wann hast du gemerkt, dass der Krieg auch deine Familie betreffen würde?
Das wurde mir bewusst, als mein Bruder ins Militär einberufen wurde. Seine Briefe berichteten von den Schrecken an der Front und ich machte mir große Sorgen.

BZ: Wie hat sich dein Alltag während des Krieges geändert?
Der Alltag war von Angst und Entbehrungen geprägt. Wir hörten immer wieder Luftschutzwarnungen. In der Schule riefen wir am Morgen dann statt eines Gebets dreimal "Sieg Heil". Auch wurden mehrere Schulen zusammengelegt, da Konstanz eine Lazarett-Stadt war und einige Gebäude als Krankenhäuser genutzt wurden. Außerdem mussten wir die Fenster mit schwarzen Vorhängen verdunkeln, damit der Feind nicht sah, wo eine große Stadt liegt.

BZ: Was hat dir Hoffnung gegeben?
Die Hoffnung auf Frieden war immer da. Doch wir Kinder haben nicht viele Informationen von den Eltern bekommen. Denn die meisten Eltern redeten nicht vor den Kindern über Politik, da sie Angst hatten, dass wir Kinder etwas unbedacht ausplaudern könnten.

BZ: Hast du Bombenangriffe miterlebt?
Ja, ich habe Bombenangriffe erlebt. Einmal wollte ich länger in Freiburg bleiben, entschied mich aber spontan, eine Nacht früher zurückzufahren. Das rettete mein Leben, denn noch in dieser Nacht wurde Freiburg katastrophal bombardiert. Bei einem anderen Vorfall wartete ich am Bahnhof, als die Sirenen heulten. Ich duckte mich in einen der Schutzgräben, während die Tiefflieger über uns flogen. Viele Menschen wurden verletzt oder getötet. Es war grausam.

BZ: Hat der Krieg in deiner Familie oder deinem Umfeld Spuren hinterlassen?
Der Verlust meines Bruders war der tiefste Schmerz für uns. Er war Sanitäter in der Wehrmacht und schrieb uns regelmäßig Briefe. Im letzten erwähnte er, dass sie 40 Kilometer vor Moskau standen. Danach bekamen wir lange keinen Brief mehr und machten uns große Sorgen. Schließlich erfuhren wir, dass er gefallen war, als er einen Kameraden versorgen wollte. Er wurde dabei durch einen Bauchschuss getroffen. Möglicherweise war er nicht sofort tot, sondern erfror oder verblutete. Ich darf mir gar nicht ausmalen, was da gewesen sein könnte. Er hat sich immer dafür eingesetzt, nie eine Waffe in der Hand halten zu müssen. Meine Mutter traf der Verlust am härtesten, sie sagte einmal zu mir: "Wenn der Mann stirbt, geht er von der Seite, aber wenn ein Kind stirbt, wird es einem aus dem Herzen gerissen."

BZ: Warst du in einer Organisation?
Ja, ich war bei den Jungmädel (zehn bis 14 Jahre) und dann im BDM, dem Bund Deutscher Mädel. Wir übernahmen soziale Aufgaben, um den Krieg zu unterstützen.

BZ: Wie war es, als der Krieg endete?
Als der Krieg zu Ende war, hatten wir gemischte Gefühle. Es war eine Erleichterung, dass der Krieg vorbei war, aber zugleich fühlte ich Trauer um die vielen Verluste. Viele Menschen waren verunsichert und wussten nicht, wie es weitergehen sollte.

BZ: Was möchtest du der jungen Generation mit auf den Weg geben?
Seid kritisch und hinterfragt, was euch erzählt wird. Glaubt nicht alles direkt, sondern stellt sicher, dass ihr die Wahrheit kennt. Es ist entscheidend, in einer Demokratie zu leben und die Geschichte nicht zu vergessen, damit sich diese Zeit nicht wiederholt.

Schlagworte: J. Maurer
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