"Bei Jugendlichen ist Erziehung das Ziel"

Begehen Jugendliche eine Straftat, erwarten sie andere Strafen als Erwachsene. Sabrina Haberstroh, Staatsanwältin für Jugendstrafrecht bei der Staatsanwaltschaft Freiburg, erklärt, warum das so ist. .  

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Sabrina Haberstroh Foto: privat
BZ: Ab welchem Alter ist man strafmündig?
Ab 14 Jahren.

BZ: Was passiert mit einem Jugendlichen, der beim Schwarzfahren erwischt wird? Und womit muss ein Strafmündiger rechnen, der einen Ladendiebstahl begeht?
Im Jugendstrafrecht werden keine Strafen verhängt. Im Unterschied zu Strafverfahren gegen Erwachsene ist im Jugendstrafrecht nicht die Verhängung einer Strafe, sondern die Erziehung von Jugendlichen und deren straffreies Leben das Ziel. Deshalb wird ein Jugendlicher, wenn er beim Schwarzfahren oder bei einem Ladendiebstahl erwischt wird, zunächst einmal mit seinen Eltern zur Polizei vorgeladen und kann sich zum Vorwurf äußern. Bei der Polizei gibt es Polizeibeamte, die auf Jugendliche spezialisiert sind. Außerdem wird er von der Jugendhilfe im Strafverfahren eingeladen, die ein Gespräch führt und dann der Staatsanwaltschaft über den Jugendlichen berichtet. Von dort werden auch sinnvolle Maßnahmen vorgeschlagen, die dazu führen sollen, dass der Jugendliche keine Straftaten mehr begeht. Eine Reaktion auf die Straftat ist deshalb nicht bei allen Jugendlichen gleich, sondern immer auf den Jugendlichen abgestimmt. Mögliche Maßnahmen sind zum Beispiel Arbeitsstunden, ein Entschuldigungsbrief, eine Schadenswiedergutmachung, eine Leseweisung – Lesen statt Fegen – oder eine Betreuungsweisung.

BZ: Mit welchen Straftaten haben Sie in Ihrem Beruf am meisten zu tun?
Als Jugendstaatsanwältin hat man es mit allen Straftaten zu tun. Häufig sind Ladendiebstähle, Körperverletzungen und Beleidigungen, aber auch Raub kommt häufiger vor.

BZ: Wer entscheidet über die Strafen?
Im Ermittlungsverfahren entscheidet die Staatsanwaltschaft. Dort kann zum Beispiel auch ein Täter-Opfer-Ausgleich erfolgen oder eine Schadenswiedergutmachung. Dann kommt das Verfahren nicht mehr vor Gericht. Wenn eine Anklage erhoben wird, entscheidet der Jugendrichter.

BZ: Was ist die schwerwiegendste Strafe, die Sie bisher erwirkt haben?
Die schwerwiegendste Rechtsfolge, die ich erwirkt habe, war eine sogenannte Maßregel der Besserung und Sicherung. Es wurde eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Rechtsfolge ist so schwer, weil die Unterbringung zeitlich nicht befristet ist und deshalb sehr lange dauern kann. Oft sogar viel länger als eine Freiheitsstrafe.

BZ: Wie läuft eine Strafverhandlung bei Jugendlichen ab?
Bei einer Strafverhandlung gegen Jugendliche sind der Jugendliche, seine Eltern, die Jugendgerichtshilfe, der Jugendrichter und ein Jugendstaatsanwalt anwesend. In einigen Verfahren hat der Jugendliche auch einen Verteidiger. Die Verhandlung ist zum Schutz der Jugendlichen nicht öffentlich. In der Verhandlung wird durch den Staatsanwalt zuerst die Anklage verlesen. Anschließend befragt der Jugendrichter den Jugendlichen erst zu seiner Person und seiner Lebenssituation und dann zum Tatvorwurf. Anschließend wird eine sogenannte Beweisaufnahme durchgeführt. In dieser werden Zeugen befragt und andere Beweismittel eingeführt, zum Beispiel Videos oder Fotos von der Tat angesehen oder Chats vorgelesen. Anschließend berichtet die Jugendgerichtshilfe über den Jugendlichen und schlägt geeignete Maßnahmen vor. Dann hält die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer, und wenn der Jugendliche verteidigt ist, hält der Verteidiger sein Plädoyer. Der jugendliche Angeklagte hat dann das letzte Wort. Der Jugendrichter unterbricht dann die Verhandlung, fällt sein Urteil und verkündet es nach einer kurzen Pause.

BZ: Wie viele Ladendiebstähle werden in Freiburg pro Jahr von Jugendlichen begangen?
Das lässt sich ohne statistische Auswertung nicht genau sagen.

BZ: Welche Strafen verhängen Sie ungern?
Ich beantrage ungern Jugendstrafen ohne Bewährung, weil dies das letzte Mittel ist, wenn bereits alles versucht wurde und man den Jugendlichen anders nicht mehr erreichen kann.

BZ: Mit welchen Strafen erreicht man Ihrer Meinung nach am meisten und mit welchen am wenigsten?
Am meisten erreicht man, wenn man Maßnahmen findet, die den Jugendlichen helfen und die die Jugendlichen deshalb selbst gut finden. Eine Betreuungsweisung finde ich zum Beispiel gut, wenn Jugendliche Unterstützung bei alltäglichen Dingen brauchen. Mit welchen Maßnahmen am wenigsten erreicht wird, lässt sich schlecht sagen. Das kommt immer auf die Jugendlichen an. Bei manchen erreicht man zum Beispiel wenig mit einem Jugendarrest, also einer kurzfristigen Haft, bei anderen wirkt ein Jugendarrest so sehr nach, dass sie keine Straftaten mehr begehen.

BZ: Welche Strafen würden Sie gerne einführen oder abändern?
Im Jugendrecht hat man vielseitige Möglichkeiten, die man nur nutzen muss. Ich würde deswegen keine neuen Maßnahmen einführen oder abändern. Ich würde mir aber ein noch breiteres Angebot und neue Projekte wünschen, die die Jugendlichen für sich nutzen können. Das Projekt Respekt finde ich zum Beispiel gut, wenn Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamten begangen werden, da im Rahmen des Projekts eine direkte Entschuldigung erfolgen kann und jeder seine Wahrnehmung der Situation schildern kann.

BZ: Was sind die guten und die schlechten Seiten an Ihrem Beruf?
Die guten Seiten sind, dass ich einen sinnhaften Beruf ausübe, Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen habe und einer abwechslungsreichen und spannenden Tätigkeit nachgehen darf. Die schlechten Seiten sind, dass ich gerne mehr Zeit für die einzelnen Jugendverfahren hätte, die mir wegen der vielen Verfahren leider fehlt.

BZ: Welche Straftaten sind so schwerwiegend, dass man dafür ins Gefängnis kommen kann?
Alle Verbrechen, also zum Beispiel Raub, räuberische Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahl oder Mord. Man kann aber auch ins Gefängnis kommen, wenn man sehr viele Straftaten begeht, auch wenn sie einzeln betrachtet nicht immer sehr schwerwiegend sind.

BZ: Für welche Straftaten muss man gemeinnützige Arbeit machen?
Bei Jugendlichen hängt dies nicht von der Straftat ab, sondern davon, ob Arbeitsstunden erzieherisch sinnvoll sind. Dies ist dann der Fall, wenn es an einer Tagesstruktur fehlt, weil der Jugendliche zum Beispiel nicht mehr in die Schule geht und auch sonst keiner Tätigkeit nachgeht. Oder sie sind dann sinnvoll, wenn eine Schadenswiedergutmachung zu leisten ist. Dann kann der Jugendliche, der kein Geld hat, aber einem Geschädigten einen Geldbetrag zurückzahlen muss, Arbeitsstunden leisten und der Geschädigte wird dann für die geleisteten Stunden durch eine Zahlung aus dem Täter-Opfer-Fonds entschädigt.
Schlagworte: Sabrina Haberstroh
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