Zischup-Interview mit Entwicklungshelferin
"Auch Zeit zum Lachen"
Annika Unterpertinger arbeitet seit Jahren in Kooperation mit Entwicklungsländern. Josefine Gschwandtner aus der Klasse 9d des Freiburger Theodor-Heuss-Gymnasiums hat mit ihr ein Interview geführt.
Josefine Gschwandtner, Klasse 9d, Theodor-Heuss-Gymnasium (Freiburg)
Mo, 18. Mär 2019, 15:27 Uhr
Schülertexte
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Zischup: Was reizt Sie dabei?
Unterpertinger: Was mich am meisten motiviert, ist, dass ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass sich auf Dauer in den einzelnen Ländern etwas verbessert. Zum Beispiel, dass schwangere Frauen und Neugeborene Zugang zu einer besseren Gesundheitsversorgung haben und nicht so viele Babys während und nach der Geburt sterben müssen. Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist ein großes Problem in vielen Entwicklungsländern, weil in vielen Krankenhäusern die Ausstattung schlecht ist. Das kann man sich in Deutschland gar nicht so vorstellen.
Zischup: Was frustriert Sie bei Ihrem Job?
Unterpertinger: Wenn ich zu viel Schreibtischarbeit machen muss.
Zischup: Wie sind Sie dazu gekommen, in der Entwicklungshilfe zu arbeiten?
Unterpertinger: Als Kind wollte ich immer in der Entwicklungshilfe arbeiten und etwas für andere Menschen tun. Zwischendrin hatte ich natürlich auch ganz viele andere Ideen, was ich machen könnte. Ich habe
dann Geografie studiert und auch ein paar Kurse in Internationaler Zusammenarbeit besucht. Am Ende vom Studium habe ich meine Abschlussarbeit in Kenia geschrieben, weil ich eine Arbeit mit einem internationalen Bezug schreiben wollte. Und danach stand fest, dass ich in der Entwicklungszusammenarbeit arbeiten möchte
Zischup: Haben Sie das bewusst studiert?
Unterpertinger: Eigentlich habe ich nicht bewusst Geografie studiert, um später in der Entwicklungszusammenarbeit zu arbeiten. Am Ende war es eher ein Zufall, da an meiner Uni gerade ein paar Kurse dazu angeboten wurden.
Zischup: In welchem Land würden Sie am liebsten arbeiten, wenn Sie es sich aussuchen könnten?
Unterpertinger: Ich hätte große Lust noch einmal in einem afrikanischen Land zu arbeiten. Da ich nicht so gut Französisch kann, müsste es wohl ein englischsprachiges Land sein. Aber da wäre ich ganz offen.
Zischup: Warum möchten Sie dort am liebsten arbeiten?
Unterpertinger: Ich habe fünf Jahre in Ostafrika gearbeitet, in Tansania und Kenia. Die Zeit dort hat mir sehr gut gefallen. Ich finde die afrikanische Kultur sehr interessant – es ist einfach in vielem komplett anders als Deutschland - und die Menschen, die ich getroffen habe und mit denen ich zusammen gearbeitet habe, haben mir sehr gut gefallen. Obwohl das Leben ganz schön viele Herausforderungen dort hat, gibt es immer auch Zeit zum Lachen. Das können wir uns wirklich zum Vorbild nehmen.
Zischup: Warum spricht man heute von Entwicklungszusammenarbeit und nicht mehr von Entwicklungshilfe?
Unterpertinger: Wenn man den Begriff Entwicklungszusammenarbeit benutzt, dann betrachtet man die Länder und Organisationen, mit denen man zusammenarbeitet nicht nur als Empfänger von Hilfsleistungen, sondern als gleichberechtigte Partner. Die Ziele der Zusammenarbeit werden dabei gemeinsam festgelegt, die Maßnahmen werden gemeinsam geplant und durchgeführt, und auch die Verantwortung für Erfolge und Misserfolge wird gemeinsam getragen. Heute werden die Partner in den Entwicklungsländern auch dazu angehalten, dass sie sich an der Finanzierung der Projekte beteiligen, auch wenn es oftmals nur ein kleiner symbolischer Beitrag ist. Ich habe Projekte erlebt – gerade in Krisenstaaten wie Afghanistan – bei denen zeitweise den Partnern sehr viele Planungsentscheidungen abgenommen wurden, weil sie so schwach waren. Dann ist das zwar in der täglichen Umsetzung der Projekte einfach, aber am Ende fühlt sich der Partner nicht zuständig. Da kann man dann Aussagen hören wie "Das ist doch euer Wasserreservoire – repariert ihr doch mal!" Aus diesem Grund werden immer auch Ausbildungsmaßnahmen bei den Partnerorganisationen durchgeführt, um ihre Kapazitäten insgesamt zu stärken.
Zischup: Welche Entwicklung fehlt in den Ländern, in denen Ihre Arbeit stattfindet?
Unterpertinger: Die Infrastruktur dort ist unzureichend – und zwar in allen Bereichen, also in Schulen, Krankenhäuser, auch Straßen, die Wasserversorgung und Abwasserversorgung sind schlecht. Außerdem ist die Analphabetenrate sehr hoch, und große Teile der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft oder im informellen Sektor. Sie sind zum Beispiel Straßenverkäufer und Schuhputzer. Natürlich ist auch die Arbeitslosenrate sehr hoch. Weiter gibt es kaum eine produzierende Industrie oder Gewerbe, die Produkte für den Export produzieren. Auch das Bevölkerungswachstum ist hoch, die Mütter-, Kinder- und Säuglingssterblichkeit – obwohl sinkend – ist immer noch sehr hoch. Regierungsstellen und staatlichen Verwaltungen sind sehr schwach und ineffizient. Und in manchen Ländern wie zum Beispiel in Afghanistan existiert der Staat nur in der Hauptstadt.
Zischup: Warum geht es trotz langjähriger Entwicklungshilfe noch so vielen Leuten schlecht?
Unterpertinger: Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, dass eine gute Regierungsführung und das Vorhandensein solider staatlicher Strukturen eine wichtige Voraussetzung dafür sind, dass Entwicklungsländer aus eigener Kraft Fortschritte machen. Auch wäre es erforderlich, dass marktwirtschaftliche Strukturen aufgebaut werden, und Staaten so ihre Wirtschaft ankurbeln und stärken. Dies braucht aber alles seine Zeit, das geht nicht von jetzt auf gleich.
Zischup: Was kann ich dazu beitragen, dass es diesen Menschen besser geht?
Unterpertinger: Ich glaube hier in Deutschland können wir zum Beispiel einfach mehr Fairtrade kaufen.
Beim fairen Handel werden Erzeuger in Entwicklungsländer von Fair-Trade-Organisationen ein Mindestpreis bezahlt, so dass Sie bei niedrigen Preisen auf dem Markt noch ein verlässliches Einkommen haben.
Zischup: Wie kann man sicher sein, dass das gespendete Geld auch den Menschen vor Ort hilft?
Unterpertinger: Wenn man spenden möchte, dann kann man schauen, ob die Hilfsorganisation zum Beispiel ein Spendensiegel hat. Um das zu erhalten, müssen Hilfsorganisationen unter anderem nachweisen, wie hoch der Anteil der Ausgaben für ihre laufende Kosten sind und wie hoch der Anteil der Mittel ist, die in die Projekte vor Ort fließen. Persönlich finde ich "Ärzte ohne Grenzen" eine gute Organisation. Sie sind direkt vor Ort und sind bereit, in sehr schwierigen Bedingungen Unterstützung zu leisten. Das finde ich beeindruckend.
Kommentare
Kommentarbereich ist geschlossen.