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"Wollen Berührungsängste abbauen"

Thomas Bossert, Betriebsleiter der integrativen Gaststätte "Das Glashaus" in Lörrach, unterhielt sich mit den Schülerinnen Maya Jellinghaus und Maike Zielasek der 8.Klasse der Freien Waldorfschule Lörrach über seine Arbeit mit behinderten Menschen.  

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Im Glashaus fühlen sich die Gäste wohl – wegen der freundlichen Bedienung und den Kochkünsten von Thomas Bossert (rechts). Foto: Nadine Zeller/zvg

Im Lörracher Glashaus arbeiten behinderte und nichtbehinderte Menschen gemeinsam. Thomas Bossert, Betriebsleiter der integrativen Gaststätte, berichtete Maya Jellinghaus und Maike Zielasek, Schülerinnen der 8. Klasse der Freien Waldorfschule Lörrach, über seine Arbeit mit behinderten Menschen.

Zischup: Wie entstand die Idee
zum Glashaus?
Thomas Bossert: Die Idee stammt vom Geschäftsführer der Lebenshilfe. Es ist so, dass ein Teil der zu betreuenden Menschen mit Behinderung einfach ein wahnsinniges Potential hat. Deshalb hat die Lebenshilfe dieses Projekt ins Leben gerufen, damit diese Menschen die Chance haben, auf dem realen Arbeitsmarkt ihr eigenes Geld zu verdienen.

Zischup: Gab es bei der Umsetzung
Schwierigkeiten?
Bossert: Nein, es gab keinerlei Schwierigkeiten. Die Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm unterstützt uns, wo sie kann, und die Stadt Lörrach steht voll hinter dem Projekt. Wir sind gestartet mit Unterstützung der "Aktion Mensch". Wir wurden so fünf Jahre lang unterstützt, sie hat Investitionen übernommen, zumindest einen gewissen Prozentsatz. Aber seit einem Jahr etwa tragen wir uns weitgehend selbst. Wir bekommen zwar immer noch Zuschüsse vom Land, die auch überlebensnotwendig sind, aber die Zuschüsse werden immer weniger, weil wir immer mehr selbst erwirtschaften. Aber es ist eben durch den besonderen Mitarbeiterstamm sehr schwierig, da ich einen besonders hohen Personalaufwand habe. Ich habe im Moment 14 Angestellte und davon sind sieben mit Behinderung. Und das ist auch für mich persönlich eine sehr besondere Herausforderung. Ich habe vorher zwar schon viel, vor allem als Koch, in der Gastronomie gearbeitet, aber ich habe keine sozialpädagogische Ausbildung. Mit diesem Projekt bin ich auch ins kalte Wasser gesprungen.

Zischup: Was macht Ihnen an Ihrer Tätigkeit am meisten Spaß?
Bossert: Eigentlich alles. Dadurch, dass wir hier so eine lustige Mannschaft haben, wird’s hier nie langweilig. Hier ist definitiv kein Tag wie der andere und es passieren Sachen, da könnte ich schon ein Buch damit füllen. Der Umgang mit den Menschen hier ist arbeitstechnisch und menschlich schon eine ganz besondere Sache. Es ist zum Beispiel so, dass es dieses "Sich-Verstellen" nicht gibt. Man sieht den Mitarbeitern, wenn sie zur Türe hereinkommen, sofort an, ob sie gut gelaunt sind oder nicht. Dann weiß man gleich: Heute kann ich einem Mitarbeiter viel zutrauen oder heute muss ich ihn in Ruhe lassen. Das ist ein sehr offenes Arbeiten.

Zischup: Wie war eigentlich als Kind Ihre Einstellung zu Behinderten?
Bossert: Ich hatte schon immer damit zu tun, in meinem Bekanntenkreis gibt es einige behinderte Menschen. Ich hatte da keine Berührungsängste. Ich bin damit aufgewachsen. Und als ich damals die Annonce gesehen habe, in der ein Betriebsleiter für das Glashaus gesucht wurde, habe ich mich beworben, weil mich diese berufliche Herausforderung interessiert hat. Das ganze Projekt war rund. Ich kann mich hier auch als Koch noch verwirklichen. In der Annonce stand damals "eine besondere Herausforderung" und das kriege ich vom Geschäftsführer heute noch aufs Butterbrot geschmiert, wenn es mal Schwierigkeiten gibt: Es stand ja schon in der Annonce ...

"Normalerweise will man

den behinderten Menschen immer helfen – und hier wird man von ihnen bedient."

Thomas Bossert
Zischup: Wie wichtig ist das
Glashaus für Lörrach?
Bossert: Wenn man die Leute in der Stadt hört, sehr wichtig. Bei uns kommen viele Menschen das erste Mal in Berührung mit behinderten Menschen. Das Interessante ist ja auch dieser Rollentausch: Normalerweise will man diesen Menschen immer helfen und hier wird man von ihnen bedient. Das ist für manche auch eine schwierige Situation. Wenn jemand hier im Cafe sitzt und nicht weiß, dass wir ein integrativer Betrieb sind – da sind schon die lustigsten Sachen passiert. Allerdings ist es nicht immer zum Lachen. Es gab auch schon Leute, die wieder gegangen sind. Es ist zwar ganz selten, aber das gibt es auch. Wenn die Gäste in der Karte lesen, dass wir mit Behinderten zusammenarbeiten, fragen sie oft: "Ja, wo sind denn die alle?" Denn vielen sieht man ihre Behinderung ja nicht an. Fünf von sieben Mitarbeitern haben kein körperliches Handicap, da merkt man das nicht sofort. Aber wir können mit solchen Reaktionen sehr gut umgehen und reden auch darüber.

Zischup: Was sind Ihre Zukunftswünsche für die Integration von Behinderten in der Gesellschaft?
Bossert: Dass es noch viel mehr Akzeptanz gibt und viel mehr Integration. Es gibt immer noch zu viele, die einen Bogen um uns machen und um diese Menschen. Wir versuchen jetzt seit sechs Jahren im Glashaus Berührungsängste abzubauen. Dass man hier einen Kaffee trinkt und sich auch mal mit dem einen oder anderen unterhält. Dafür versuchen wir eine Lanze zu brechen. Man kann einfach wahnsinnig viel Spaß haben mit diesen Menschen. Ich würde mir mehr solche Projekte wie das Glashaus wünschen, denn es gibt immer noch viele Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, wo sie täglich der gleichen, recht stupiden Arbeit nachgehen und eigentlich viel mehr Potenzial hätten. Die meisten meiner Mitarbeiter kommen ja aus der Werkstatt und haben den Vergleich. Die wissen das auch sehr zu schätzen, dass die Tage hier eben nicht einer wie der andere sind und letztendlich sind sie einfach stolz, dass sie hier ihr eigenes Geld verdienen.

Ressort: Schülertexte

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