"Wir waren hungrig und müde"
ZISCHUP-INTERVIEW mit einer Kosovarin, die mit gerade mal 16 Jahren aus ihrem Heimatland fliehen musste.
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Ende der neunziger Jahre begannen in Kosovo kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den serbischen Streitkräften und der kosovarischen Befreiungsarmee. Darunter gelitten hat vor allem die Zivilbevölkerung – sie wurde ermordet und vertrieben. Albina Spahiu, Schülerin der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule in Lörrach, hat mit einer Kosovarin gesprochen, die damals ihr Land verlassen musste. Da sie anonym bleiben möchte, antwortet sie hier unter dem Pseudonym Mariella*.
Mariella: Zu dem Zeitpunkt war ich sechzehn Jahre alt.
Zischup: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie erfuhren, dass sie ihre Heimat verlassen sollten?
Mariella: Ich wollte und konnte es gar nicht wahrhaben, war schockiert und fassungslos, als meine Cousinen an Bajram, so nennen wir das Zuckerfest, zu mir kamen, um eigentlich das Fest zu feiern. Sie sagten mir aber, dass wir dringend unser Dorf verlassen sollten, da der Krieg in ihrem Dorf schon begonnen hatte. Deswegen machten sich meine Familie und ich auf den Weg. In der Zeit, bis wir im nächsten Dorf ankamen, fielen von allen Seiten Schüsse, und Bomben explodierten.
Zischup: Wie ging es weiter, nachdem Sie endlich in dem Dorf angekommen waren?
Mariella: Von dort aus liefen wir nach ein paar Tagen nach Albanien weiter. Auf unserem Weg hörten wir auch ständig Schüsse und Bomben. Meine Familie und ich sind zum Glück unverletzt in Albanien angekommen.
Zischup: Wie lange blieben Sie dann in Albanien? Und wie war die Versorgung mit Essen und Trinken? Wie ging es von dort aus weiter?
Mariella: Hilfsorganisationen halfen uns. Sie gaben uns zu essen und zu trinken. Eine einheimische Familie nahm uns sehr herzlich für ein paar Tage auf, bis wir einen Schlepper fanden, der sich bereit erklärte, uns von Albanien bis nach Italien auf einem Boot mit noch zahlreichen anderen Flüchtenden zu bringen. Das Boot war sehr klein, wir hatten kaum Platz, mussten uns alle aneinander quetschen und mussten in einer Position über mehrere Stunden bleiben. Das war sehr schlimm und tat in den Beinen sehr weh. Als wir dann in Italien ankamen und noch nicht mal vom Boot gestiegen waren, da wir uns noch auf dem Wasser befanden, nahm die Polizei mich und noch weitere Mitglieder der Familie (aber nicht die ganze Familie) in Empfang. Aber dadurch, dass im Kosovo zu dieser Zeit ja der Krieg herrschte, wurden wir frei gelassen. Als sich alle Familienmitglieder zusammengefunden hatten, fuhr uns der Schlepper nach Deutschland. Wir waren insgesamt sieben Personen, die in einem Auto saßen. Wir waren einfach nur hungrig und müde.
Zischup: Was ist die schlimmste Sache, die Ihnen noch in Erinnerung ist?
Mariella: Als ich in Italien kurzfristig von meiner Familie getrennt wurde und ich nicht wusste, was mit ihnen passiert war, beziehungsweise wie es ihnen ging.
Zischup: Wie geht es Ihnen heute?
Mariella: Seitdem lebe ich in Deutschland. Aber ich gehe oft in den Ferien nach Kosovo. Ich bin gut integriert, habe einen Job, zwei Kinder und bin liiert. Ich habe auch einen deutschen Pass beantragt, den ich daraufhin auch bekommen habe.
Zischup: Ich bedanke mich herzlich, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, mit mir das Interview durchzuführen.
Mariella: Kein Problem!
*Name von der Redaktion geändert
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