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"Wir hatten keine Hoffnung mehr"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Hamza Ali, der sein Heimatland Syrien mit seiner Ehefrau und seinen sechs Kindern verlassen musste.  

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Die Familie Ali nach ihrer Ankunft 201...nd Mohina Muhammed Sharif (von links)   | Foto: privat
Die Familie Ali nach ihrer Ankunft 2012 in der Flüchtlingsunterkunft Rheinfelden: Shera, Sidra, Shady, Ali, Silva, Rosin und die Eltern Hamza Ali und Mohina Muhammed Sharif (von links) Foto: privat

Die Entscheidung, sein Heimatland Syrien 2012 zusammen mit seiner Familie zu verlassen, war zwar schnell getroffen. Leicht fiel sie Hamza Ali allerdings nicht. Im Interview mit Zischup-Reporterin Sidra Ali aus der Klasse 9b des Georg-Büchner-Gymnasiums in Rheinfelden erzählt der Familienvater von der abenteuerlichen Flucht. Sidra ist seine Tochter.

Zischup: Herr Ali, wie kam es dazu, dass Sie sich entschieden haben, aus Syrien zu flüchten?
Ali: Ich habe damals mit meiner Familie in Damaskus in einem Haus gelebt. Wir haben 2012 gemerkt, dass der Bürgerkrieg sich ausbreitet und dass man die Menschen vor die Wahl gestellt hat: Entweder ihr seid auf unserer Seite, also der der Regierung, und seid bereit, zu kämpfen und zu töten, oder ihr verschwindet von hier, am besten innerhalb von zwei Tagen. Ich habe mir am Anfang ehrlich gesagt keinen großen Kopf darübergemacht, aber ein Freund hat mir eine Nachricht geschickt, in der stand, dass die Häuser der Menschen markiert werden, die sich nicht für die Regierung entscheiden. Als ich am nächsten Tag auf dem Weg zur Arbeit war, habe ich dann tatsächlich auch an unserer Haustüre ein rotes Kreuz entdeckt. Das war für mich der Zeitpunkt, an dem ich entschieden habe, dass wir jetzt schnell von hier flüchten müssen. Ich hatte Angst, dass sie meiner Familie etwas Schlimmes antun würden. Wir haben uns dann ein Auto gemietet und sind zuerst in ein nahegelegenes Dorf geflüchtet. Dort sind wir ein paar Tage geblieben, doch wir haben dort schnell bemerkt, dass wir hier auch nicht sicher sind und sind dann recht bald in die Türkei geflüchtet, wo wir für eine längere Zeit geblieben sind.

Zischup: Sie haben gesagt, dass sich an ihrer Haustür ein rotes Kreuz befand. Was genau war dessen Bedeutung?
Ali: Das rote Kreuz an der Haustür war ein Zeichen dafür, dass diese Familie nicht auf der Seite der Regierung steht und deshalb schlecht behandelt werden soll. Männer aus Häusern mit roten Kreuzen wurden getötet, ihre Frauen misshandelt, ihre Kinder entführt.

Zischup: Wie haben Sie gemerkt, dass der Bürgerkrieg auch Damaskus erreicht hatte?
Ali: Es war erst so, dass überall auf den Straßen kleine Flugblätter auf dem Boden lagen, auf denen stand, dass an diesem Tag "die Feinde" Syrien angreifen werden. Wir haben später von unserem Haus aus Flugzeuge über uns gehört sowie Bombenexplosionen und sehr laute Panzerfahrzeuge. Spätestens ab diesem Moment wusste ich, dass meine Familie und ich hier nicht mehr in Sicherheit sind und dass die Situation eskalieren wird.

Zischup: Wie ging es in der Türkei weiter?
Ali: Als wir in der Türkei in der Stadt Antalya ankamen, haben wir nach irgendjemandem gesucht, der uns als politische Flüchtlinge nach Deutschland bringen kann. Es hat genau zwei Monate und vier Tage gedauert, bis wir jemanden gefunden haben. Er hat uns für eine hohe Summe in einem Schlauchboot mit vielen anderen Menschen zusammen in ein anderes Land gebracht – leider weiß ich bis heute nicht genau, was für ein Land das war. Von dort aus sind wir mit Autos eine sehr lange Zeit gefahren. So hat man uns über mehrere Grenzen gebracht und außerhalb irgendeines kleinen Ortes ausgesetzt und uns gesagt: "Hier seid ihr in Deutschland. Von jetzt an sind wir nicht mehr für euch zuständig." Danach sind diese Leute einfach weggefahren. Zum Glück hatte man uns zumindest tatsächlich nach Deutschland gebracht.

Zischup: Wie war die Situation in dem Schlauchboot?
Ali: Wir waren insgesamt eine ganze Woche in dem Schlauchboot, und es waren ungefähr 100 bis 120 Leute verschiedener Geschlechter und Altersgruppen. Wir haben die ersten drei Tage noch Nahrung bekommen und am vierten Tag ist in unserem Schlauchboot ein Wasserschaden entstanden, den die Männer, die uns transportiert haben, selbst lösen mussten. Es war für uns, insbesondere für die Kinder eine sehr schwere Zeit. Wir haben damals nicht gedacht, dass wir diese Fahrt überleben werden. Wir hatten keine Hoffnung mehr.

Zischup: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie wussten, dass Sie nach der Flucht tatsächlich in Deutschland angekommen sind?
Ali: Als wir in Deutschland angekommen sind, war die Angst nicht mehr groß. Wir haben uns beruhigt. Ich habe dann über alles nochmal nachgedacht und habe mit meiner Familie entschieden, hier ein neues Leben zu beginnen, in einem neuen Land, in dem Frieden herrscht und kein Krieg ist und in dem wir ein normales Leben führen können. Ich war zugleich auch sehr dankbar und habe Gott im Gebet gedankt, dass er meine Familie und mich in so ein Land gebracht hat, in dem man sich sicher fühlen kann, in dem es Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte gibt.

Zischup: Wie ist das Leben hier in Deutschland im Vergleich zum Leben, das Sie in Syrien führten?
Ali: Dort war es täglich so, dass ich Angst hatte, um uns und unsere Familienmitglieder. Im Gegensatz dazu fühlt man sich hier in Deutschland sicher. Man weiß, man lebt gut mit seiner Familie, man wird nicht von irgendwelchen Leuten gefoltert oder getötet. Man kann ein schönes Leben führen und an seinem persönlichen Erfolg und Glück ohne Ängste arbeiten. Zwar vermisse ich meine restlichen Familienmitglieder in Syrien, aber ich will dennoch nicht mehr nach Syrien zurück, weil einige Mitglieder meiner Familie im Krieg gestorben sind. Ich habe eigentlich nur noch schlechte Gedanken an mein Heimatland Syrien und muss immer an die schlechten Zeiten dort denken.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 23. April 2021: PDF-Version herunterladen

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