Schach-Hype
Von der Elite zum Mainstream
Seit 2020 gibt es einen weltweiten Schach-Hype. Über 600 Millionen Menschen interessieren sich für Schach und spielen es regelmäßig.
Maximilian Dott und Filip Mrovec, Klasse 9b, Albert-Schweitzer-Gymnasium (Gundelfingen)
Fr, 28. Apr 2023, 11:54 Uhr
Schülertexte
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Schach ist ein Spiel, dessen Geschichte bis ins sechste Jahrhundert zurückreicht, wo es in Indien damals noch unter dem Namen "Chaturanga" bekannt war. Darin geht es darum, den gegnerischen König mit Hilfe seiner 16 Figuren bewegungsunfähig zu stellen und ihn gleichzeitig anzugreifen. Dies nennt man Schachmatt.
Um in dem sogenannten "Spiel der Könige" erfolgreich zu sein, benötigen die Spieler eine hohe Konzentration und Intelligenz. Das Komplexe an dem Spiel ist unter anderem, dass zehn hoch 43 verschiedene Positionierungen der Figuren auf einem Schachbrett möglich sind. Das ist eine Eins mit 43 Nullen.
Vor dem Hype war Schach vor allem ein Spiel für die Intellektuellen. Doch plötzlich änderte sich das und Millionen von Menschen wurden von Schach fasziniert. Dazu hat auch die Netflix-Serie "The Queen's Gambit" (Das Damengambit) aus dem Jahr 2020 beigetragen, welche nach nur 28 Tagen schon von 62 Millionen Menschen geschaut wurde. Sie war nicht nur ein riesen Erfolg für Netflix, sondern auch für die Schachwelt. In der Serie geht es um Beth Harmon, eine junge Schachspielerin aus den 1960er Jahren, welche in einer männerdominierten Schachwelt berühmt wurde. Die Serie hat nicht nur bei vielen Menschen das Interesse an Schach geweckt, sondern auch auf den Sexismus in der Schachwelt aufmerksam gemacht und gezeigt, dass jeder erfolgreich sein kann. Laut der internationalen Schach-Föderation, kurz FIDE, sind nur 15 Prozent der weltweiten Schachspieler weiblich.
Ein weiterer Grund für den Aufschwung des Schachspiels ist die Digitalisierung. Durch Online-Plattformen wie Lichess.com, Chess24.com und Chess.com können Schachspieler auf der ganzen Welt gegeneinander antreten. Dies bietet eine innovative Art und Weise des Schachspiels, die es früher nicht gab. Außerdem kommt die zunehmende Präsenz in den sozialen Medien hinzu. Zahlreiche Prominente aus aller Welt teilen ihre Leidenschaft für Schach online. So spielte zum Beispiel Bill Gates in einer Talkshow gegen den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen. Auch der US-amerikanische Ex-Präsident Barack Obama gab seine Liebe zu Schach öffentlich bekannt. Zudem gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Streamern, die ihre Partien auf Plattformen wie Twitch oder YouTube live streamen und Videos produzieren. Diese Schach-Streamer haben oft eine große Fangemeinschaft und sind zu wahren Berühmtheiten geworden. So zum Beispiel GMHikaru mit 1,81 Millionen Abonnenten oder GothamChess mit 3,27 Millionen Abonnenten auf Youtube.
Durch die vielen Youtube-Kanäle und deren Erklärvideos ist das Erlernen von Schach deutlich komfortabler und einfacher geworden. Außerdem gab es im Juni 2020 PogChamps, das erste Online-Schachturnier, das von vielen bekannten Twitch-Streamern und Content-Creatorn ausgetragen wurde. Das Besondere an dem Turnier war, dass die Teilnehmer kaum oder gar keine Schach-Erfahrung hatten. So wurde Schach an ein breites Publikum herangeführt und erweckte Interesse bei anderen Fangemeinschaften, wie bei der Gaming-Community, die normalerweise Videospiele spielt.
Genauso wie Gaming wird Schach von vielen als kein richtiger Sport anerkannt, da es keine physischen Komponenten besitzt. Aber was passiert nun, wenn man einen geistigen Sport, wie Schach, mit einem physischen Sport, wie Boxen, kombiniert? Es entsteht Schachboxen, eine Sportart, die Körper und Geist gleichermaßen fordert. Im Schachboxen müssen die Athleten abwechselnd gegeneinander Schach spielen und boxen. Ein Schachboxkampf besteht aus elf Runden, die jeweils aus drei Minuten Schach und drei Minuten Boxen bestehen. Man kann entweder durch ein K.O. beim Boxen gewinnen oder, indem man seinen Gegner Schachmatt setzt. Wenn weder jemand beim Schach noch beim Boxen gewinnt, wird der Sieger über die Gesamtpunktzahl aus Schach und Boxen ermittelt.
Wegen der Corona-Pandemie blieb den Menschen sehr viel Freizeit, da sie ihre Hobbys nur von Zuhause ausüben konnten. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen Schach für sich entdeckt haben. Die Online-Schach-Plattformen hatten einen riesigen Zuwachs an Nutzern. Zum Beispiel verzeichnete Chess.com im März 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 50 Prozent bei den Neuanmeldungen. In dieser schwierigen Zeit hat Schach vielen Menschen geholfen, eine Ablenkung von den Sorgen und Ängsten des Alltags zu finden.
Doch Schach hat weitere Vorteile. Zum Beispiel trainiert es das Gehirn. Konzentration und Gedächtnisleistung werden gesteigert. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass Schach präventiv gegen Demenz wirkt, da es dem kognitiven Verfall entgegenwirkt, indem es das Gehirn aktiv hält.
Auch wir als 14-jährige Schüler haben den Schach-Hype erlebt. Über die sozialen Medien haben wir von dem Trend mitbekommen und angefangen, uns für das Spiel zu interessieren. Vor allem durch Youtuber, wie GothamChess, lernen wir das Spiel und seine Taktiken. Auch unsere Klassenkameraden wurden von dem Spiel fasziniert. Privat wollen wir zusammen in naher Zukunft ein Schachturnier mit acht unserer Mitschüler organisieren. Uns hat der Schach-Hype sehr mitgenommen, sodass wir, wie schon vorher erwähnt, manchmal sogar noch vor der Schule oder in Vertretungsstunden ein Schachbrett herausholen und, wenn möglich, gegeneinander spielen. Außerdem spielen wir über die Schachplattform Chess.com beispielsweise nachmittags gegeneinander.
Wir haben einige unserer Mitschüler befragt und uns ein Meinungsbild zu deren Eindruck des Schach-Hypes geholt. Zu der Frage, ob sie mehr Schach seit dem Hype (2020) spielen, hat Julian Beck, der seit ungefähr 2016 spielt, gesagt: "Ich habe nicht deshalb damit angefangen, aber spiele viel häufiger als früher." Justus Arzt sagt hingegen: "Auf jeden Fall, ich habe wegen des Hypes erst angefangen zu spielen." Allerdings ist es auch nicht die Ausnahme, dass selbst Schüler, die schon seit mehreren Jahren Schach spielen, zuerst kaum von dem Hype mitbekommen haben, so zum Beispiel Simon Brändle, der ihn "erst bemerkte, als einige meiner Freunde anfingen zu spielen".
Wir haben unseren Mitschülern auch die Frage gestellt, was sie an Schach so toll finden: Simon Brändle sagt, dass es im Schach nur auf Können und nicht auf Glück ankommt und dass sich jede Partie von der anderen unterscheidet. Julian Beck sagt, dass es ihm Spaß macht, da man sich taktisch und strategisch immer weiter verbessert. Justus Arzt findet es toll, dass er während einer Partie richtig zum Denken kommt und dass man sich immer wieder über die tollen Züge und die gewonnenen Partien freuen könne. Auch dem 19 Jahre alten Informatik-Studenten Till Hoffmann, der schon, seit er sieben Jahre alt war, Schach spielt, gefällt Schach so sehr, weil es keinen Glücksfaktor gibt. Er nennt als negatives Beispiel Kartenspiele, bei denen man bestmöglich spielen und trotzdem verlieren kann. Er sagt auch, dass man im Schach wegen des nicht vorhandenen Glücksfaktors immer dafür belohnt wird, wenn man gut spielt und viel theoretisches Wissen hat. Till Hoffmann hat von dem aktuellen Schach-Hype durch Youtube-Kanäle und durch die sprunghafte Erhöhung der Spielstärke seiner Gegner auf Online-Plattformen erfahren. Außerdem hat ihn der Hype motiviert, häufiger zu spielen.
Insgesamt hat der Schach-Hype gezeigt, dass Schach für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft ansprechend ist. Abzuwarten bleibt, ob der Schach-Hype weiter anhalten wird, aber derzeit zeigt sich eine klare Begeisterung für das Spiel und seine Möglichkeiten.
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