Zischup-Interview
"Völlig überzogenes Sicherheitsdenken"
Die Gastronomie wurde von Corona schwer getroffen. Josefine Thompson aus der Klasse 8.2 des Evangelischen Montessori-Schulhauses in Freiburg hat darüber mit Stefanie Körner vom Landhaus Ettenbühl gesprochen.
Josefine Thompson, Klasse 8.2, EMS & Freiburg
Mi, 16. Jun 2021, 11:47 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Wie geht es dem Landhaus Ettenbühl aktuell?
Körner: Aktuell kämpfen wir an mehreren Fronten. Der harte Winter hat viele Schäden in den Gärten verursacht, Pflanzen sind erfroren und müssen ersetzt werden. Diese Ausgaben, zusätzlich zu den durch den Lockdown bedingten fehlenden Umsätzen sind bitter. Außerdem ist Landhaus Ettenbühl ein Betrieb, der auch im Lockdown nicht einfach komplett schließen und die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken kann. Die Gärten müssen weiter gepflegt werden, die Pflanzen versorgt, es fallen weiterhin Lohnkosten an. Wirtschaftlich also eine verzwickte Situation.
Zischup: Seit drei Monaten ist das Landhaus Ettenbühl im Lockdown. Was ist anders im Vergleich zum ersten?
Körner: Der große Unterschied ist die fehlende Hoffnung. Anfangs dachte man, das geht bald vorbei. Nach einem harten Jahr scheint es noch härter weiterzugehen. Man kann nichts planen und die Spielräume für unternehmerische Kreativität sind sehr eng. Man hat zunehmend Angst um die Existenz und um das, was man viele Jahre lang aufgebaut hat. Auch die Solidarität ist anders: Viele Gäste und Kunden denken, dass wir Geld und Unterstützung vom Staat bekommen. Was nicht so ist.
Zischup: Welche Ideen haben Sie sich einfallen lassen, um weiterhin Gäste zu empfangen?
Körner: Wir bieten Speisen und Picknick "to go" an. Außerdem haben wir kostenlos in unsere Gärten eingeladen, um gerade älteren Menschen und Familien ein sicheres Ausflugsziel und Abwechslung im öden Lockdown-Alltag zu ermöglichen. Seit Anfang März dürfen wir zumindest die Gärtnerei und den Rosenverkauf wieder öffnen, langsam kommen wieder mehr Besucher. An Ostern bieten wir ein großes Oster-Picknick an und hoffen, dass das Wetter mitspielt.
Zischup: Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Regierung?
Körner: Wir haben bis jetzt den Sinn und die Notwendigkeit für viele Maßnahmen eingesehen, auch wenn sie uns direkt bedrohen und in unangenehmster Weise treffen. Nun ist aber ein Punkt erreicht, an dem wir nur noch kopfschüttelnd nach Berlin schauen und uns fragen, wohin das alles noch führen soll. Das typisch deutsche Perfektionismus-Denken, alles hochbürokratisch doppelt und dreifach abzusichern, das scheint uns momentan eher in den Abgrund zu reißen, als irgendjemandem zu helfen. Die Gastronomie und viele anderen Branchen werden weiter sterben, zum Glück nicht an Thrombose, aber am völlig überzogenen Sicherheitsdenken der "Bloß-Nichts-Falsch-Machen-Woller" in Berlin.
Zischup: Haben Sie vom Staat Hilfen erhalten?
Körner: Wir haben bisher nur die Überbrückungshilfe I erhalten, die wir zum Teil wieder zurückzahlen müssen, da wir letztes Jahr im Mai und Juni recht gute Umsätze hatten. Seit November wurde uns der Hahn komplett abgedreht: Die Novemberhilfe wurde uns verwehrt, weitere Überbrückungshilfen sind fraglich.
Zischup: Welche positiven Aspekte können Sie der Krise abgewinnen?
Körner: Als Unternehmerin muss ich flexibel sein und schauen, wie man das Beste aus der Situation machen kann. Ich habe gelernt, kleinere Brötchen zu backen, sprich nicht immer auf Wachstum zu setzen, sondern viel mehr auf Wohlbefinden und maßvolle Maßnahmen. Der andere positive Aspekt ist für mich das Zusammenrücken der Familie. Ich genieße die Zeit sehr mit allen Kindern zu Hause, ohne ständige Rennerei oder Freizeitstress.
Zischup: Auf was werden Sie auf lange Sicht verzichten müssen?
Körner: Auf wirtschaftliche Sicherheit. Wir werden Jahre brauchen, um die entstandenen Defizite abzutragen und die Löcher zu stopfen.
Zischup: Was sind Ihre Hoffnungen für die nächste Zeit?
Körner: Wir hoffen, dass alle in der Familie und in unserem Umfeld gesund bleiben und die Krise bald ein Ende hat. Ein selbstbestimmtes Leben führen, insbesondere, dass sich unsere Kinder wieder frei bewegen und entfalten können, das wäre großartig.
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