Zischup-Interview
Versteckt unter Decken und Koffern
ZISCHUP-INTERVIEW mit Frieda L., die 1961, kurz nach dem Bau der Berliner Mauer, in den Westen geflohen ist.
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Frieda L. flüchtete im Jahre 1961 von Ost- nach Westberlin. Sie war damals 22 Jahre alt. Über ihre Flucht sprach sie mit Zischup-Reporter Julius Doerwald aus der Klasse 8 der GWRS Höchenschwand.
Frieda L.: Am 12. November 1961, drei Monate nachdem die Berliner Mauer gebaut worden war. Vorher, als es noch keine richtige Mauer, sondern nur einen kniehohen Stacheldrahtzaun gab, bin ich nicht rübergesprungen, weil mein Vater gerade im Krankenhaus lag. Viele andere haben diese Zeit zur Flucht genutzt.
Zischup: Was war der Grund für Ihre Flucht?
Frieda L.: Mein Freund und ich waren verliebt und als die Mauer gebaut wurde, waren wir plötzlich getrennt. Er wohnte im Westen und ich im Osten. Da in Westberlin die Lebensqualität besser und im Osten die Freiheit beschränkt war, beschlossen wir, dass ich flüchten sollte.
Zischup: Wie setzten Sie Ihren Fluchtplan um?
Frieda L.: Zuerst schrieben wir uns Briefe, da Telefonate abgehört wurden. Aber wir durften nicht offen über die Flucht schreiben, weil wir annehmen mussten, dass die Briefe gelesen wurden. Also schrieben wir mit verschlüsselten Nachrichten und versteckten Botschaften unter der Briefmarke. Am Tag der Flucht traf ich mich mit meinem Freund auf einem Autobahnrastplatz im Osten. Zusammen bauten wir die Rückbank des Autos aus. Ich legte mich auf die freie Stelle und mein Freund deckte mich mit Decken und Koffern zu, sodass man mich unter dem Stapel nicht mehr erkennen konnte. Später bat mein Freund einen fremden Blumenverkäufer, den er auf einem Rastplatz traf, die Rückbank in seinem Lieferwagen mitzunehmen. Als dieser fragte, warum er die Bank mitnehmen solle, forderte mein Freund ihn auf, sich das Auto anzusehen. Der Verkäufer konnte nichts Auffälliges feststellen. Als das geschafft war, fuhren wir los zum Grenzübergang. Tatsächlich bemerkten die Grenzpolizisten mich nicht, und wir konnten weiter in den Westen fahren.
Zischup: Was war der schlimmste Moment bei der Fahrt?
Frieda L.: Die für uns gefährlichste Situation war eindeutig, als mein Freund an der Grenze zur Ausweiskontrolle anhalten musste. Ich hatte Angst, dass er den Motor abstellen würde und die Grenzposten mein Zittern unter der Decke bemerken könnten. Daher hielt ich die ganze Zeit den Atem an. Erst ein paar Kilometer nach der Kontrollstelle habe ich es gewagt, mich wieder zu bewegen.
Zischup: Was wären die Konsequenzen gewesen, wenn die Polizei Sie geschnappt hätte?
Frieda L.: Entweder wir wären erschossen worden, wenn wir versucht hätten zu entkommen, oder die Polizisten hätten uns ins Gefängnis gesteckt.
Zischup: Haben Ihre Verwandten oder Bekannten von dem Plan gewusst?
Frieda L.: Nein, in unsere Pläne war niemand eingeweiht, außer meinen Eltern. Es durfte sonst keiner wissen, aus Angst vor Verrat.
Zischup: Haben Ihre Eltern versucht, Sie davon abzubringen?
Frieda L.: Meine Eltern haben nicht versucht, uns davon abzuhalten, weil sie wussten, sie hätten uns nicht daran hindern können zu fliehen.
Zischup: Wie ging es danach für Sie weiter?
Frieda L.: Ich arbeitete in Ostberlin in einer Fotopapierfabrik, VEB Fotochemische Werke. Über diese Fabrik haben mich die Engländer, die Franzosen und die Amerikaner ausgefragt, weil sie wissen wollten, ob die Firma auch Luftaufnahmepapier oder Nachtaufnahmepapier herstellt und woher sie die Zutaten für das Papier herbekommt. Aber da ich zu der Zeit noch in der Lehre war, konnte ich den Leuten dazu überhaupt nichts sagen. Danach musste ich mich in einem Flüchtlingslager melden. Dort wurden einige Formulare ausgefüllt, damit ich meine Berechtigung bekam, im Westen zu leben. Später haben mein Freund und ich geheiratet.
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