Schläge auf die Finger oder ins Genick

Unterricht am Samstag, Tatzen mit dem Stock, Rennverbot auf dem Schulhof – nein, früher war bestimmt nicht alles besser / Ein Bericht über Schule vor 70 Jahren.  

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Im Dresdner Schulmuseum kann man sehen, wie Schulen früher aussahen. Damals gab es noch keine Hefte. Stattdessen hatten die Schüler kleine Schiefertafeln, auf denen sie schreiben konnten (Bild unten). Foto: Matthias Hiekel

Jeder weiß, wie ein normaler Schultag bei uns in der heutigen Zeit aussieht, doch die wenigsten können sich vorstellen, wie es früher war. Im Folgenden möchte ich einen kleinen Einblick in das Leben und den Schulalltag zu Zeiten meiner Oma geben. Dazu habe ich sie befragt.

Meine Oma kam im Oktober 1948 in die Schule, die Schule ging mittwochs und samstags von zehn Uhr bis zwölf Uhr morgens. An den restlichen Tagen begann der Schulunterricht um ein Uhr mittags und endete um vier Uhr am Nachmittag. Ferien hatte man wie heute auch, nur dass diese sich mehr an die Erntezeiten anpassten, so dass die Kinder an den wichtigsten Tagen im Jahr helfen konnten, wie zum Beispiel bei der Heuernte.

Es gab einen Lehrer, der in allen Fächern unterrichtete. Heutzutage haben wir in fast allen Fächern einen anderen Lehrer. Unterrichtet wurden sie in den Fächern Deutsch, Mathe, Gesang, Erdkunde, Geschichte und Religion. Mädchen wurde zusätzlich Handarbeit gelehrt. Für die Lehrer gab es meist eine festgelegte Wohnung in Schulnähe. Man saß auf Zweier- oder Viererbänken. Im Tisch war eine Aussparung für ein Tintenfass und den Tisch konnte man aufklappen, um etwas darin zu verstauen.

Geschrieben wurde auf einer Schiefertafel mit einem Griffel. In der Schiefertafel waren oft auch Kästchen auf der einen Seite und Linien auf der anderen eingeritzt. Den Griffel spitzte man an einem Sandstein, indem man ihn ringsherum spitz schliff. Man hatte aber auch Federn aus Messing, die man in einen Griff steckte und zum Schreiben in Tinte tauchen musste. Damit schrieb man aber auch schon auf Papier. Das war quasi der Vorgänger des Füllers. Wir schreiben heute am liebsten mit einem Bleistift oder mit einem Kugelschreiber. Man bewahrte seine Schreibutensilien in einer länglichen Box auf, da es noch keine Mäppchen gab.

Wenn man etwas anstellte, wurde man mit einem Haselnussstock bestraft. Mit dem Haselnussstock bekam man ein paar Schläge auf die Finger, ins Genick oder auf den Hinterkopf, das nannte man auch Tatzen. Es gab vier Klassenräume, in denen je nach Jahrgang zwischen 30 und 40 Schüler saßen. In der heutigen Zeit sind die Klassen kleiner. Klassendienste gab es früher auch schon, wie zum Beispiel den Heizer, der musste im Winter immer den Ofen anfeuern. Und wenn es zu stark qualmte, durften die Schüler nach Hause. Außerdem gab es noch einen Tafeldienst und einen Mülldienst. Die Pause dauerte 15 Minuten. In der Pause spielte man verschiedene Spiele und aß sein Pausenbrot. Einen Bäcker an der Schule, der belegte Brötchen verkaufte, gab es damals nicht. Das Rennen war verboten. Die Schüler mussten viele Gedichte auswendig lernen, oft übten sie diese auch in der Pause.

Absolvieren musste man die Klassen eins bis acht, es gab bis zur achten Klasse nur eine Schulart. Nach diesen acht Schuljahren musste man keine extra Prüfung schreiben, sondern bekam ein ganz normales Jahreszeugnis. Erst nach der achten Klasse gab es die Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen. Das jetzige System der vierjährigen Grundschule und dass man ab Klasse fünf auf eine der weiterführenden Schulen geht, gab es nicht. Wir können uns ab Klasse fünf für den Besuch der Werkrealschule, Gemeinschaftsschule, Realschule oder des Gymnasiums entscheiden. Wir haben also vielmehr Möglichkeiten als zu Zeiten meiner Oma.

Auf ein Gymnasium zu gehen und danach zu studieren, war damals auf dem Land eher unüblich. Einige erlernten direkt einen Beruf, andere gingen auf eine Berufsschule. Die Jungen konnten eine Berufs- oder landwirtschaftliche Schule besuchen und die Mädchen in eine Koch- oder Handelsschule gehen. Meine Oma besuchte die Kochschule in Merdingen. Die Mädchen kamen auch aus den Dörfern der Umgebung, da es damals in Merdingen die einzige Schulküche in Baden-Württemberg gab. Die Schülerinnen mussten oft Lebensmittel vom eigenen Hof mitbringen, da die Schulen oftmals nicht die finanziellen Möglichkeiten hatten, um immer frische Produkte für die Schulküche zu kaufen.

Am Ende eines Schultags lief man nach Hause, denn die wenigsten konnten sich damals ein Fahrrad leisten und Busse gab es nicht. Als man zuhause ankam, ging es direkt weiter, denn damals musste man dann noch auf dem Feld helfen. Freunde konnte man selten treffen. Es war selbstverständlich, dass man oft bis spät am Abend half. Sonntags ging man meistens in die Kirche und danach gab es etwas Besonderes zu essen. Anschließend traf man sich mit Freunden.

Die Jungen, die auf keine weiterführende Schule gingen, erlernten bereits mit 13 oder 14 Jahren einen Beruf. Die Frauen nur selten, meist wurden sie Hausfrau und halfen oft in der Landwirtschaft mit. Die Jungen erlernten nicht selten den Beruf des Vaters. Das war damals auch so üblich, denn irgendwer musste ja den Betrieb oder die Firma weiterführen. Heute wird es den Schulabgängern eher selbst überlassen, was sie für einen Beruf später ausüben möchten. Es wird nicht mehr erwartet, dass man in die Fußstapfen der Eltern tritt. Außerdem gibt es eine wesentlich größere Auswahl an Berufen als damals. Man ist freier in seiner Berufswahl.

Übliche Berufe waren damals: Schneider, Schuhmacher, Schmied, Wagner, Bauer, Schreiner, Zimmermann, Metzger, Bäcker, Küfer, Lehrer, Winzer, Verkäufer, Gärtner, Blechner, Maurer, Planer, Wirt, Einzelhändler und Doktor. Heute wie früher ist die Schule ein wichtiges Gut, dies merken wir gerade besonders in Zeiten von Corona.
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