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"Kontrollmechanismen haben versagt"

Der Automobilkonzern Volkswagen (VW) musste vor einigen Monaten zugeben, dass er mit einer Software die Abgaswerte seiner Dieselautos manipuliert hat. Über den Skandal und seine Folgen sprach Raphael Zwölfer aus der Klasse 8a des Goethe-Gymnasiums mit dem Autoindustrieexperten Ferdinand Dudenhöffer und dem Wirtschaftsjuristen Moritz Renner.  

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Der Automobilkonzern Volkswagen (VW) musste vor einigen Monaten zugeben, dass er mit einer Software die Abgaswerte seiner Dieselautos manipuliert hat. Über den Skandal und seine Folgen sprach Raphael Zwölfer aus der Klasse 8a des Goethe-Gymnasiums mit dem Autoindustrieexperten Ferdinand Dudenhöffer und dem Wirtschaftsjuristen Moritz Renner.

Zischup: Würden Sie sich heute noch einen VW kaufen?
Dudenhöffer: Keinen gebrauchten, selbst bei einem Neuwagen wäre ich sehr vorsichtig.
Zischup: Könnte der Abgasskandal bei VW das Ende des "sauberen" Diesels bedeuten?
Dudenhöffer: Er bedeutet zunächst ein großes Risiko für den Ruf des Diesels. Es wird hohe Anforderungen von Brüssel geben. Einfache technische Lösungen werden schwerer. Weil eine neue Technik gebraucht wird, wird das sehr kostenintensiv.
Zischup: Sehen Sie in dem Skandal eine konkrete Bedrohung für den VW-Konzern?
Dudenhöffer: Der ganze Skandal ist hochgefährlich, das Krisenmanagement verschlimmert die ganze Krise, weil kein kompletter Wechsel im Management durchgeführt wurde.
Renner: Die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken des Skandals für den VW-Konzern sind heute noch schwer abzuschätzen. Der Konzern ist mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Einerseits gibt es Ermittlungen US-amerikanischer Behörden auf Bundes- und Staatenebene, auch in anderen Staaten beginnen behördliche Ermittlungen. Daraus können empfindliche Sanktionen folgen. Andererseits drohen Schadensersatzklagen von Käufern. Das kann für den VW-Konzern sehr teuer werden. Vor allem in den USA könnte VW zu Zahlung von Strafschadensersatz, sogenannten "punitive damages", verurteilt werden. Hinzu kommen mögliche Klagen von VW-Aktionären, die meinen, dass sie über die Probleme nicht rechtzeitig informiert wurden. Und schließlich bedeutet natürlich auch der Reputationsverlust einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für VW.
Zischup: Welche tieferen Ursachen hat der VW-Skandal?
Renner: Es liegt nahe, dass hier Kontrollmechanismen auch im Konzernvorstand versagt haben. Dazu kann natürlich ein zu stark personalisierter Führungsstil beigetragen haben. Aber auch der Aufsichtsrat steht hier in der Pflicht. Einige Besonderheiten des VW-Konzerns könnten zu den Führungsproblemen beigetragen haben. So hat einerseits das Land Niedersachsen – historisch bedingt – eine besonders starke Stellung als Anteilseigner. Andererseits befinden sich die Anteile zu einem großen Teil in Familienbesitz. Dadurch gab es womöglich weniger Kontrolle durch die Anteilseigner, als dies bei Unternehmen mit breiter gestreutem Anteilsbesitz der Fall ist.
Dudenhöffer: Der konkrete Anlass war die Profitsteigerung. VW wollte Geld sparen und durch den "sauberen" Diesel- Weltmarktführer werden.
Zischup: Glauben Sie, dass der Skandal Auswirkungen auf die gesamte deutsche Automobilbranche haben könnte?
Dudenhöffer: Ja, die Glaubwürdigkeit des "Made in Germany" könnte erheblichen Schaden nehmen. Es wird überall über "Betrüger-Deutschland" geredet werden. Außerdem wird oder könnte es aus Brüssel von der EU-Kommission Sanktionen oder Strafen geben und die Glaubwürdigkeit Deutschlands wird sinken. Der Ruf wird mit Schatten belegt sein. Zudem wird es einen gewaltigen Verkaufseinbruch geben, die CO2-Werte werden schwer zu erreichen sein.
Renner: Kurzfristig gibt es womöglich Reputationsverluste, aber langfristig rechne ich nicht mit schwerwiegenden Auswirkungen. Allerdings werden sich sicherlich viele deutsche Unternehmen nun verstärkt Gedanken über wirksame Kontrollmechanismen zur Vermeidung von Gesetzesverstößen machen.
Zischup: Worin besteht Ihrer Meinung nach das Skandalöse am VW-Skandal?
Dudenhöffer: Der VW-Skandal ist einzigartig, denn das mit Vorsatz und voller Absicht millionenfach Gesetze gebrochen werden, ist außergewöhnlich.
Zischup: Wie bewerten Sie persönlich die Vorkommnisse bei VW?
Renner: Die Vorkommnisse ordnen sich in eine ganze Reihe von Skandalen der letzten Jahre ein. Auch Siemens oder die Deutsche Bank hatten ja mit massiven Problemen zu kämpfen, auch hier ausgelöst durch Ermittlungen US-amerikanischer Behörden. Deswegen werden die Vorkommnisse bei VW sicher ein weiterer Impuls zum Ausbau von internen Kontrollmechanismen bei den großen deutschen Unternehmen sein. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil Konzerne ihr gesamtes weltweites Netz von Tochterunternehmen kontrollieren müssen. Und dabei müssen sie eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtssysteme im Blick haben.
Dudenhöffer: Es ist unglaublich, niemand hätte es für möglich gehalten, dass so etwas bei einem so großen Konzern wie VW passiert. VW ist nicht mehr glaubwürdig, das ganze Management müsste ersetzt werden, um die Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.
Zischup: Wird der Abgasskandal den Elektroautomarkt beeinflussen?
Dudenhöffer: Es wird kurzfristig keinen großen Effekt auf Elektroautos haben, aber es wird den Benzinautomarkt ankurbeln. Langfristig wird der Trend aber zur Elektromobilität hingehen.

Ferdinand Dudenhöffer (64) ist Professor an der Universität Duisburg-Essen und Gründer und Direktor des dortigen Center Automotive Research (CAR).

Moritz Renner (34) hat sein Abitur am Berthold-Gymnasium in Freiburg gemacht und ist heute Lichtenberg-Professor für transatlantisches Wirtschaftsrecht und Theorie des Wirtschaftsrechts an der Uni Bremen.

Ressort: Schülertexte

Dossier: Abgasskandal

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