Zischup-Interview

"Ich würde den Beruf heute wieder wählen"

Ohne das Herz läuft im menschlichen Körper gar nichts. Mathias Müller (57) ist Herzchirurg am Universitätsherzzentrum Bad Krozingen. Im Interview berichtet er über seinen Beruf. .  

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Herzchirurg Mathias Müller im Herzzentrum Bad Krozingen  | Foto: Privat
Herzchirurg Mathias Müller im Herzzentrum Bad Krozingen Foto: Privat
Zischup: Herr Müller, Sie arbeiten als Herzchirurg. Wann wussten Sie, dass Sie Arzt werden wollten?
Müller: Ich habe beschlossen, Arzt zu werden, als ich Zivildienst gemacht hatte. Damals gab es noch die Wehrpflicht, ich hatte widersprochen und dann Zivildienst geleistet, 20 Monate. Da habe ich auch im Krankenhaus gearbeitet und den Entschluss gefasst, Arzt zu werden.

Zischup: Was hat Sie an dem Beruf fasziniert?
Müller: Dass man Menschen helfen kann, es kein theoretischer Beruf ist, und dass ich viel Kontakt mit anderen Menschen habe.

Zischup: Wie lange hat Ihre Ausbildung als Arzt gedauert?
Müller: Das Studium hat 13 Semester, also sechseinhalb Jahre gedauert, und dann war man damals Arzt im Praktikum für zwei Jahre und danach war man Vollarzt.

Zischup: Wie kamen Sie dazu, Herzchirurg zu werden?
Müller: Das war ein Zufall. Eigentlich wollte ich Kinderarzt werden. Die Ausbildungsstellen waren aber damals sehr knapp und man konnte sich nicht aussuchen, welchen Facharzt man erlernen möchte. Und dann dachte ich mir, ich fange mal an mit Herzchirurgie, da kann ich sehr viel Notfallmedizin lernen, das kann ich auch für andere Fachärzte gebrauchen. Dann hat mir das so viel Freude bereitet, dass ich dabei geblieben bin.

Zischup: Was macht ein Chirurg?
Müller: Du musst erst einmal die Diagnose stellen – also was hat der Patient für eine Erkrankung – und dann überlegen: Mit welcher Operation kann ich dem Patienten helfen? Und ja, letztendlich wird der Patient vom Chirurgen operiert. In Zusammenarbeit mit Anästhesisten und mit Pflegekräften findet die Operation statt. Zur Arbeit gehört aber auch die Versorgung des Patienten danach, so dass das dann auch alles wieder heilt.

Zischup: Sie arbeiten im Moment am Universitätsherzzentrum Bad Krozingen. Auf welcher Station arbeiten Sie?
Müller: Ich arbeite hauptsächlich auf der Intensivstation.

Zischup: Wie groß ist die Station? Wie viele Patienten können auf der Station behandelt werden?
Müller: Wir könnten maximal 20 Patienten betreuen. Aber zurzeit ist das nicht möglich, weil es Pflegenotstand gibt. Im Moment können wir maximal 14 Patienten versorgen.

Zischup: Wie sieht Ihr Alltag als Herzchirurg aus? Was gehört zu Ihren täglichen Aufgaben?
Müller: Morgens, wenn man beginnt, bekommt man eine Übergabe und erfährt, was in der Nacht vorgefallen ist und wie es den Patienten, die am Tag vorher operiert wurden, geht. Dann muss ich die Patienten untersuchen, feststellen, ob alles soweit in Ordnung ist, und wenn es nicht in Ordnung ist, muss ich versuchen, das zu behandeln.

Zischup: Wie viele Stunden arbeiten Sie am Tag?
Müller: Die Regelarbeitszeit sind acht Stunden am Tag, aber meistens geht das als Herzchirurg nicht. Man muss häufig bis zehn Stunden arbeiten und wenn man Nachtdienste hat, noch mehr.

Zischup: Arbeiten Sie in verschiedenen Schichten?
Müller: Ich mache keinen Schichtdienst, sondern wir haben einen 24-Stunden-Dienst. Da kommt man dann immer um 9.30 Uhr ins Krankenhaus, die Ablösung kommt dann am nächsten Tag um 8.30 Uhr und man macht dann wieder eine Übergabe, erzählt dann wieder was gewesen war, damit man dann nach 24 Stunden gehen kann.

Zischup: Sie arbeiten dann die Nacht durch. Arbeiten sie gerne in der Nacht?

Müller: Eigentlich nein. Die Arbeit in der Nacht ist schon ziemlich belastend. Man kann eben meistens nur sehr wenig schlafen, wenn überhaupt. Und am nächsten Tag, wenn man nicht mehr arbeitet, ist man müde, aber versucht dann weiter noch wach zu bleiben, damit man nicht in einen falschen Tagesrhythmus kommt, dass man in der kommenden Nacht auch wieder schlafen kann.

Zischup: Auf was muss bei der Nachtarbeit bei Ihnen auf Station besonders geachtet werden?
Müller: Unsere Patienten, die am Herzen operiert sind, haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie bluten können, dass es also eine postoperative Nachblutung gibt. Die muss man frühzeitig erkennen, damit man dem Patienten rechtzeitig helfen kann. Vielleicht muss dieser dann zurück in den OP.

Zischup: Wie viele Operationen haben sie bereits durchgeführt?
Müller: Uff ... das ist schwierig. Recht große Herzoperationen hatte ich ungefähr 300. Dann operiere ich sehr viele Patienten mit Wundheilungsstörung. Da habe ich sicherlich mehrere 1000 durchgeführt.

Zischup: Wie fühlen Sie sich, wenn Sie operieren?
Müller: Ich fühle mich sicher dabei, ich habe sehr viel Erfahrung.

Zischup: Wie lange dauerte Ihre längste Operation?
Müller: Die dauerte sicher um die acht Stunden. Das ist schon sehr lang.



Zischup: Gehören auch Kinder zu Ihren Patienten?

Müller: Nein.

Zischup: Sie erleben schöne, aber auch traurige Momente. Was war Ihr schönstes oder auch spannendstes Erlebnis?
Müller: Wie gesagt, ich betreue Patienten mit sehr schweren Wundheilungsstörung, bei denen manche Ärzte schon keine Hoffnung mehr sehen. Da habe ich meinen Schwerpunkt neben der Intensivmedizin aufgebaut. Wenn ich solchen Patienten helfen kann und die wieder gesund aus dem Krankenhaus nach Hause gehen können, dann ist das ein sehr großartiger Moment für mich.

Zischup: Haben Sie auch schon einmal im Ausland gearbeitet? Wenn ja, wo?
Müller: Ja, ich war circa vor 15 Jahren für sechs Wochen in Georgien. Da haben wir gemeinsam mit meinem ehemaligen Chefarzt und einen Team von weiteren Mitarbeitern geholfen, ein Herzzentrum mit aufzubauen.

Zischup: Als Arzt müssen Sie auch an Weihnachten und anderen Feiertagen arbeiten. Ist das für Sie und Ihre Familie schlimm?
Müller: Als die Kinder noch klein waren, habe ich versucht, an Heiligabend nicht zu arbeiten. Da konnte man sich absprechen, dass es eben jüngere Kollegen gemacht haben, die noch keine Kinder hatten, oder ältere Kollegen, deren Kinder schon aus dem Alter heraus waren. Von daher war das keine schlimme Belastung.

Zischup: Wie viele Urlaubstage haben Sie?
Müller: Ich habe im Moment 31 Urlaubstage und für die Nachtdienste bekomme ich noch einmal zwei Urlaubstage dazu, also 33 Urlaubstage

Zischup: Macht Ihnen Ihr Beruf Freude? Würden Sie ihn auch heute wieder wählen?
Müller: Ja, ich glaube ich würde ihn wieder wählen. Allerdings sieht heute die Ausbildungssituation besser aus. Unter Umständen könnte ich heute meinen damaligen Traum, Kinderarzt zu werden, wahrscheinlich erfüllen. Aber im Nachhinein war das die richtige Entscheidung für mich.

Zischup:
Wenn ich diesen Beruf erlernen möchte, auf was muss ich besonders achten?
Müller: Um ein Medizinstudium anzufangen, benötigst du einen sehr guten Notendurchschnitt, also du musst fleißig sein.

Zischup: Wie viel verdient ein Arzt oder Chirurg?
Müller: Das Grundgehalt liegt ungefähr bei 6000 Euro, so ganz genau kann ich das dir nicht sagen, das hängt natürlich auch vom Alter ab und von der Anzahl der Überstunden und Dienste, die man macht. Aber letztendlich verdient man so in meinem Alter 6000 bis 8000 Euro.

Zischup: Also verdienen dann jüngere weniger?
Müller: Ja, wenn man noch kein Facharzt ist, also wenn man noch dabei ist, zum Beispiel den Herzchirurgen zu erlernen, dann hat man ein niedrigeres Grundgehalt. Das ändert sich, wenn man den Facharzt hat.
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