Zischup-Interview mit Tanja Ruf über den Krieg auf dem Balkan
"Ich war wütend, verzweifelt und hatte Angst"
Tanja Ruf hat als Jugendliche den Krieg auf dem Balkan miterlebt. Heute lebt sie in Rheinfelden. Zischup-Reporterin Viktoria Ruf hat ihrer Mutter über ihr Leben damals gesprochen. Viktoria geht in die Klasse 8d der Gertrud-Luckner-Realschule in Rheinfelden.
Viktoria Ruf, Klasse 8d, Gertrud-Luckner-Realschule (Rheinfelden)
Do, 25. Jul 2019, 0:00 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Wie sahen die täglichen Mahlzeiten damals aus?
Ruf: Die Auswahl in den Läden war sehr klein und die Inflation stieg ständig. Man war zufrieden mit dem, was man hatte.
Zischup: Was war das für ein Gefühl für dich?
Ruf: Ich war wütend auf die Politik, die Politiker haben die größte Schuld an der Situation getragen. Verzweiflung und ein sehr großer Beschützerinstinkt und Angst, da ich gezwungen war, als Bedienung für Gäste und Soldaten zu arbeiten.
Zischup: Warst du mitten im Kriegsgebiet oder etwas außerhalb des Geschehens?
Ruf: Ich war 60 Kilometer außerhalb, aber der Himmel war jeden Abend rot, unser Haus vibrierte stark und die Sirenen gingen alle 15 Minuten los. Wir wussten nie, wann es zu uns kommt. Dazu kamen die schlaflosen Nächte, in denen wir immer Angst hatten, dass jemand in unser Haus eindringt, da meine Mutter und ich nur zu zweit waren.
Zischup: Wie sah der Alltag aus?
Ruf: Ich bin jeden Morgen aufgestanden und habe mich für die Arbeit fertig gemacht, während die Sirenen losgingen. Auf dem Weg zur Arbeit und während der Arbeit habe ich immer an meiner Mutter gedacht. Da wenige Menschen gearbeitet haben, musste ich mehrere Schichten übernehmen. Aus diesem Grund habe ich dann eine Wohnung in der Nähe von meinem Arbeitsplatz bekommen, wo ich kostenlos leben durfte. Dann habe ich meine Mutter zu mir geholt. Die einheimischen Soldaten, vor denen ich auch sehr große Angst hatte, haben mich sehr positiv überrascht. Sie kamen in die Wirtschaft und brachten mir ohne irgendwelche Hintergedanken Schinken und Käse aus ihrer Kantine. Das Problem waren eigentlich die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind und sich uns Frauen gegenüber sehr unmenschlich benommen haben. Meine Mutter und ich haben großen Wert darauf gelegt, dass wir nahe nebeneinander schlafen. Wenn es uns treffen sollte, wollten wir zusammen gehen.
Zischup: Wie fing die Zeit des Krieges an?
Ruf: Wir Jugendliche haben die Erwachsenen immer belächelt, als sie Vorrat gesammelt haben, da wir uns nicht vorstellen konnten, dass sowas passiert, weil wir ja gar nichts getan haben. Wir aus Banat-Serbien waren immer ein sehr friedliches Volk mit sehr vielen gemischten Nationen. Wir hatten nie irgendwelche Konflikte miteinander.
Zischup: Was war der Grund, weshalb ein Krieg ausbrach?
Ruf: Jedes Bundesland wollte sich von Ex-Jugoslawien trennen.
Zischup: Wie sah die Freizeit aus, und konnten sie viel mit Freunden unternehmen?
Ruf: Für Freunde hatte ich fast keine Zeit mehr, wir haben uns alle aus den Augen verloren.
Zischup: Wie viele Berufe brauchtest du, um klar zu kommen?
Ruf: Ich hatte drei Arbeitsstellen mit täglicher Auszahlung. Nach acht Stunden Arbeitszeit konnte ich im Laden durch die Inflationen fast gar nichts mehr kaufen.
Zischup: Was halten sie zu vom Thema Krieg?
Ruf: Man wünscht es niemandem. Und wenn man die Erfahrung gemacht hat, schätzt man die Freiheit.
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