Leben in der DDR
"Ich war wohl verdächtig, weil ich nicht in der FDJ war"
Karl-Martin Eichhorn hat die ersten 20 Jahre seines Lebens in der DDR gelebt. Mit seinen Eltern und einer Schwester wohnte er in Radebeul und studierte zwei Jahre vor dem Mauerfall in Dresden und bis zwei Jahren nach dem Mauerfall in Auerbach. Rebecca Lamparter hat mit Eichhorn gesprochen.
Rebecca Lamparter, Klasse 9b & Rotteck-Gymnasium Freiburg
Di, 11. Jun 2013, 10:38 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Welche Produkte waren teurer als heute? Welche waren billiger?
Eichhorn: In der DDR wurden viele Produkte des täglichen Bedarfs, also vor allem Lebensmittel, subventioniert. Brot und Milch waren also billiger. Billig waren auch Fahrscheine für Busse und Bahnen. Für einen Farbfernseher musste man aber zum Beispiel etwa 6000 DDR-Mark hinlegen. Die Löhne und Gehälter lagen damals bei etwa 1000 DDR-Mark im Monat. Günstig waren auch Bücher. Allerdings war die Qualität nicht sehr gut. Die Mieten waren sehr niedrig. Dadurch hatten Hauseigentümer Probleme, die Häuser instand zu halten.
Zischup: Was für einen Einfluss hatte die SED auf den Alltag der DDR?
Eichhorn: Einen sehr großen. Die SED beanspruchte sozusagen die Deutungshoheit über das Leben. Alles, was gedruckt wurde in Zeitungen oder Büchern musste von entsprechenden Stellen abgesegnet werden, die den Vorgaben der SED folgen mussten. Das Leben war sehr stark geregelt. Eine freie Meinungsäußerung war nicht gewünscht, wurde sogar unterbunden und bekämpft. Und man konnte auch nicht einfach irgendwo hinziehen, sich selbst eine Arbeit suchen oder gar einfach mal ins Ausland reisen. In bestimmten Berufen waren einem sogar Kontakte ins nichtsozialistische Ausland verboten.
Zischup: Kamst du je mit der Stasi in Kontakt?
Eichhorn: Das ist ebenfalls nicht einfach zu beantworten. Ich bin jedenfalls nie offiziell von der Stasi angesprochen worden. Wie ich später aber erfuhr, gab es in meiner Seminargruppe beim Studium tatsächlich eine Studentin, die auf mich angesetzt war. Ich war wohl verdächtig, weil ich nicht in der FDJ war, keine Jugendweihe hatte und außerdem als Bausoldat bei der NVA (Nationale Volksarmee) war. Letzteres war die einzige Möglichkeit in der DDR, den Wehrdienst ohne Waffe abzuleisten. Zivildienst gab es nicht. Alternativ hätte man ins Gefängnis gehen müssen. Aber zum Glück kam die Wende 1989, gerade als ich mit dem Studium anfing. Da gab's also nicht mehr viel auszuhorchen.
Zischup: Was war deiner Meinung nach der größte Unterschied zwischen der DDR und der BRD?
Eichhorn: Der große Unterschied war die Gesellschaftsordnung, die in der DDR eben der Sozialismus sein sollte. In den Augen der SED hieß das, das Proletariat, also die Mehrheit, herrscht. Dies erfolgte vorgeblich auf wissenschaftlicher Basis. Marx, Engels und Lenin mussten dafür herhalten. Und was wissenschaftlich bewiesen war, musste ja richtig sein. Dabei übersah man, dass es den Menschen damit gar nicht gut ging. Sobald aber Protest aufkam oder Menschen einfach nur ihre eigene abweichende Meinung äußerten, wurde nicht etwa anerkannt, dass die Menschen andere Ansichten zur Lebensgestaltung hatten, sondern immer wieder unterstellt, dass der Westen da seine Hand im Spiel hat. Den Menschen in der DDR wurde einfach das Recht auf eigene Gedanken und Ansichten zum Leben verwehrt. Zum Schluss hatten ganz viele Menschen zwei Einstellungen. Eine offizielle, die gegenüber der Öffentlichkeit geäußert wurde und eine private, die nur im vertrauten Umfeld geäußert wurde. Deshalb war eine der wichtigsten Forderungen zur Wendezeit eben die nach freier Meinungsäußerung.
Zischup: Wie und wann hast du von dem Mauerfall erfahren?
Eichhorn: Ich wohnte damals in Radebeul und studierte in Dresden, also dem Tal der Ahnungslosen. Das hieß so, weil man dort kein Westfernsehen und -radio empfangen konnte. Die Mauer fiel an einem Donnerstagabend. Ich kriegte das aber erst im Laufe des Samstags mit. Da kamen aber schon die ersten aus dem Westen zurück. Komischerweise war ich aber auch dann nicht so spontan, sofort rüber zu fahren. Das wäre auch gar nicht so einfach gewesen. Die Züge waren ja alle überfüllt. Auto hatte ich keins. Und außerdem habe ich auch nicht befürchtet, dass diese Freiheit bald wieder zu Ende sein könnte. Also habe ich ganz normal weiterstudiert, zu Hause bei der Familie in Auerbach die Nachrichten im Westfernsehen verfolgt und mir von Freunden berichten lassen.
Zischup: Wann warst du das erste Mal in der BRD?
Eichhorn: Das erste Mal bin ich nach Weihnachten 1989 mit meinem Bruder zu unserer Großmutter nach Göttingen in den Westen gefahren.
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