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Zischup-Interview

"Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, meinen Job zu beenden"

Hannah Sutter hat Günther Kislich, ein ehrenamtliches Mitglied der Tafel in Schwanewede (Niedersachsen), interviewt. Auch während der Corona-Pandemie versuchen die Helfer der Tafel, ihr Bestes zu geben, um Bedürftigen zu helfen.  

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Günther Kislich  | Foto: privat
Günther Kislich Foto: privat
Zischup: Doch wie ist die aktuelle Lage in der Tafel , was hat sich durch Corona verändert und wie geht man hier mit den verschärften Regeln um, die aufgrund des Virus eingehalten werden müssen? Wie alt waren Sie, als Sie als ehrenamtliches Mitglied bei der Tafel angefangen haben, und warumhaben Sie sich dazu entschlossen?
Kislich: Ich bin mit 79 Jahren dort eingestiegen. Man hatte damals eine Aushilfe als Fahrer gesucht, der das Essen in den Discountern abholt und zur Tafel liefert. Ich wurde gefragt, ob ich Lust hätte, dafür einzusteigen und den fehlenden Fahrer zu ersetzen. Es hat mir so viel Freude bereitet, dass ich beschloss, ein festes Mitglied bei der Tafel zu werden. Ich machte und mache es vor allem deshalb, weil es mir Spaß macht und ich auch neben dem normalen Alltag, den ich habe, noch etwas erleben will. Und vor allem: Ich habe große Freude daran, anderen Menschen zu helfen.

Zischup: Macht es Ihnen immer noch Spaß und könnten Sie sich vorstellen, jemals damit aufzuhören?
Kislich: Mir macht es sehr viel Spaß und ich bin froh, darauf angesprochen worden zu sein. Mittlerweile ist es ein fester Bestandteil meines Alltags. Ich habe so auch noch etwas in meinem Alter zu tun. Ich könnte mir also überhaupt nicht vorstellen, meinen Job zu beenden.

Zischup: Wie oft holen Sie in der Woche neue Lebensmittel bei den Discountern ab?
Kislich:
Jeden Tag in der Woche, außer Sonnabend und Sonntag. Ich bin aber nur viermal in der Woche dabei, doch dann fahre ich auch immer mit.

Zischup: Welche Waren bekommen Sie besonders häufig und welche eher selten?
Kislich: Das ist unterschiedlich. In den Discountern, wie Aldi und Lidl, bekommen wir viel Brot oder Obst und Gemüse, in anderen, wie Real oder Kaufland, bekommen wir eher Müsli oder Gewürze. Im allgemeinen kann man aber sagen, dass Fleisch- und Wurstartikel sowie Milchprodukte knapp sind. Natürlich bekommen wir auch Drogerieartikel und Non-food-Artikel, das aber weniger, da wir nur einmal in der Woche zum Beispiel zu Rossmann fahren. Sonst bekommen wir eigentlich alles mitgeliefert, denn der Rest würde sonst weggeschmissen werden. Die Artikel sind nicht abgelaufen, sondern die Verpackungen sind teilweise leicht beschädigt, oder die Sachen haben nur noch eine geringe Zeitspanne bis zum Ablaufdatum.

Zischup: Wie verläuft die Essensausgabe? Gibt es Termine oder Regeln dafür, wann und wie oft Leute in der Woche kommen können?
Kislich: Ja, es gibt zwei feste Ausgabetermine: Dienstag und Freitag. Die Berechtigten bekommen eine Karte mit einer Nummer darauf, diese gehen von 1 bis 107. Am Dienstag kommen die Leute mit den Nummern 1 bis 50 und am Freitag die mit den Nummern 51 bis 107. Dazu werden die Nummern dann aufgerufen und die Leute dürfen eintreten. Am Eingang muss jeder Haushalt 1,50 Euro für den ganzen Einkauf bezahlen. Während der Austeile ist zu beachten, dass es keine Selbstbedienung gibt, es muss nämlich für jeden ausreichen. Die Angestellten werden verschiedenen Bereichen zugestellt. Eine Person an der Wurst- oder Fleischtheke, eine andere an der Brottheke und so weiter. Die einzige Ausnahme ist, wenn es zu viel von bestimmten Lebensmitteln gibt, als Beispiel jetzt Bananen. Hier wird dann ein Korb bereitgestellt und jeder darf sich so viel davon nehmen, wie er will.

Zischup: Werden die Lebensmittel sofort verteilt oder haben Sie auch ein Lager, in dem Sie alles lagern?
Kislich: Wir haben mehrere Kühlräume im hinteren Gebäude der Tafel. Einen Kühlraum für Gemüse und einen anderen für andere Artikel, wie zum Beispiel Donuts oder kleinere Kuchen. Außerdem gibt es drei weitere Kühlräume für Tiefkühlkost.

Zischup: Wer nutzt die Tafel?
Kislich: Zirka 60 Prozent der Kunden sind Deutsche, die Sozialhilfe erhalten. Den Rest bildet die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Ein sehr hoher Anteil der Nutzer sind Alleinerziehende. Seit mehreren Jahren kommen immer mehr alleinstehende ältere Menschen, die sich anfangs aus Scham nicht getraut haben, herzukommen. Wegen Corona bleiben aber dennoch viele unserer Kunden zuhause, da die Angst vor einer Ansteckung sehr hoch ist.

Zischup: Gibt es Streit unter den Tafeln, wer das Essen bekommt, oder gibt es generell so etwas wie Futterneid?
Kislich: Nein, wir haben mit den Tafeln der Umgebung ein gutes Verhältnis. Das Essen wird auch teilweise unter den Tafeln aufgeteilt oder getauscht, falls es zu viel von einem oder mehreren Produkten gibt.

Zischup: Haben Sie irgendwelche negativen Ereignisse erlebt?
Kislich: Ja, auf jeden Fall. Manche motzen herum, wenn sie zum Beispiel ein Traubennetz bekommen und eine Traube davon schlecht ist. Andere wollen den Artikel nicht haben, den sie bekommen. Mir ist schon einmal passiert, dass ein Stapel mit Kartoffelsalat dastand und ich der Person den obersten geben wollte, sie aber den untersten haben wollte. Wie man sieht, sind manche echt kompliziert und haben hohe Ansprüche.

Zischup: Wie verläuft das alles in der Coronazeit? Können Sie noch Lebensmittel abholen, findet die Austeile noch statt und, wenn ja, gibt es bestimmte Regeln, die befolgt werden müssen?
Kislich: Definitiv. Die Tafel war länger geschlossen. Ein Neustart war erst am 8. März möglich. Die erste Essensausgabe fand schon am 9. März statt. Zwischendurch sind wir natürlich zu diversen Discountern gefahren, damit die Lebensmittel nicht weggeschmissen werden. Diese haben wir dann in den Kühlräumen verstaut. Dabei wurde dann auf das Ablaufdatum geachtet, denn wir haben nur Lebensmittel genommen, die noch länger als bis zur ersten Ausgabe haltbar waren. Außerdem wurden uns Spenden zur Verfügung gestellt, wie zum Beispiel Würstchen oder Käse. Diese Artikel wurden aber noch nicht alle ausgegeben, damit noch etwas für die nächste Woche übrig ist. Wegen der Verteilung der Lebensmittel dürfen nur noch vier Personen in dem Raum sein und diese müssen natürlich medizinische Masken tragen. Auf den Mindestabstand wird auch geachtet. Auf den Böden wird dieser klar mit Klebeband gekennzeichnet.
Günther Kislich ist Rentner und 83 Jahre alt und arbeitet nun seit fast fünf Jahren bei der Tafel und ist immer noch vollends begeistert von seiner Tätigkeit dort.

Ressort: Schülertexte

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