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Erdbeben in der Türkei und in Syrien

"Ich habe noch nie so eine Katastrophe gesehen"

Am 6. Februar starben durch ein starkes Erdbeben Zehntausende Menschen in der Türkei und Syrien. Meryem Göktas (31) ging wenige Tage später ins Erdbebengebiet, um Hilfe zu leisten.  

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Meryem Göktas im Erdbebengebiet  | Foto: Privat
Meryem Göktas im Erdbebengebiet Foto: Privat
Das Erdbebengebiet in der Türkei ist groß, zehn türkische Provinzen sind von der Naturkatastrophe betroffen. Meryem Göktas arbeitete vor Ort für die AFAD, die Katastrophenschutzbehörde der Türkei. Trotz Zeitmangels konnte Azra Ardahanli während ihres Einsatzes ein Gespräch mit ihr führen. Meryem Göktas ist die Freundin von Azras älterer Schwester.

Zischup: Wie hast du dich bei deiner Ankunft im Erdbebengebiet gefühlt? Was waren die ersten Gedanken?

Göktas: Ich konnte es zunächst nicht realisieren, was passiert ist. Ich hatte davor nur Videos auf Social Media gesehen, aber die Realität vor Ort kam dem, was ich online gesehen hatte, nicht annähernd nah. Ich habe in meinem Leben noch nie so eine Katastrophe gesehen und es fällt mir auch sehr schwer, meine Erfahrung in Worte zu fassen, denn sie sind nicht ausreichend, um das Ausmaß des Leides und der Zerstörung vor Ort zu beschreiben. Es kam mir alles wie ein böser Albtraum vor, aus dem ich nicht erwachen konnte.

Zischup: Was war die größte Not der Menschen?

Göktas: Die Menschen vor Ort waren in einem Schockzustand und konnten nicht realisieren und verarbeiten, was passiert ist. Innerhalb von Sekunden haben sie alles verloren, was sie je besaßen, ihre geliebten Menschen, ihre Routine, ihre Häuser, ihr Leben. Die Verzweiflung und Hilflosigkeit konnte man in den Gesichtern der Menschen sehen.

Zischup: Gab es viele Helfer vor Ort?

Göktas: Vor Ort habe ich Helfende aus aller Welt gesehen. In dem Flugzeug allein habe ich Menschen aus Deutschland, Griechenland, der Schweiz und andern Ländern gesehen. Vor Ort in Hatay habe ich auch Bergungsgruppen aus Bosnien, Kroatien, China, Korea und Italien mit eigenen Augen gesehen. Türkische Organisationen wie AFAD, Kizilay, IHH, Diyanet Vakfi sind nur wenige von vielen, die auch vor Ort waren. Überall waren Soldaten und Polizisten, die uns während der Arbeiten in den Trümmern unterstützt haben. Die Stadtverwaltung von Karatay hatte eine mobile Toilette vor Ort aufgestellt. Für mich war dies eines der wichtigsten Sachen, die ich benötigt habe, daher werde ich das nicht vergessen können. Zugang zu einer Toilette ist für uns etwas so Selbstverständliches.

Zischup: Was hat dich am meisten berührt?

Göktas: Am neunten Tag nach dem Erdbeben habe ich einen Burger-King-Truck gesehen, der kostenlos Burger verteilt hat, das fand ich sehr süß. Ein Fischer aus Istanbul hatte seinen Grill aufgestellt und hat Fischbrötchen verteilt. Das waren die Momente, die mir gezeigt haben, was Zusammenhalt bedeutet. Jeder war da und hat geholfen, mit dem, was er konnte.
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Zischup: Wie gehst du mental mit deinen Erfahrungen um?

Göktas: Bevor ich ankam, war ich mir bewusst, dass ich keine Hilfe sein kann, wenn ich nicht stark bin. Als ich vor Ort war und direkt mit den Rettungsarbeiten angefangen habe, gab es keinen Raum, um emotional das zu verarbeiten, was geschieht. Der Körper und Geist stellt sich direkt auf die Situation ein und arbeitet Vollgas ohne Pause.

Zischup: Was hast du gefühlt, nachdem du das Gebiet verlassen hast?

Göktas: Für mich wurde es schwierig, als ich nach acht Tagen das Erdbebengebiet verlassen habe, denn dann habe ich erst Zeit gefunden zu realisieren, was eigentlich geschehen ist, und mein Körper war auch sehr erschöpft. Ich habe eine Woche gebraucht, um meine körperliche Kraft wiederzugewinnen, und habe sehr viele Momente, in denen ich mich in Gedanken wieder vor Ort befinde.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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