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Fernab der Heimat

1964: Türkische Gastarbeiter in Deutschland

Muharrem Pamuk kam 1964 als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Im Interview erzählt er von seinem Leben fernab der Heimat und der Sehnsucht danach.  

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Muharrem Pamuk bei seiner Arbeit als Stadtgärtner Foto: Privat
Redaktioneller Hinweis: Dieser Text wurde von einer Schülerin, einem Schüler im Rahmen des BZ-Projektes Zeitung in der Schule recherchiert und geschrieben.

Über die Frage, wie die Anfangszeiten für die ersten Gastarbeiter in Deutschland waren, habe ich, Feysa Ünsal aus der Klasse 8a des St.-Ursula-Gymnasiums in Freiburg, meinen Großvater Muharrem Pamuk befragt. Er ist als 27-jähriger Gastarbeiter 1964 nach Deutschland gekommen und hat als Gärtner gearbeitet. Mein Großvater ist heute 84 Jahre alt.

Zischup: Warum hast du dich dafür entschieden, Gastarbeiter in Deutschland zu sein?
Pamuk: Wegen meiner Arbeitslosigkeit und den Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland bin ich nach Deutschland gekommen. Ich hatte keine andere Alternative.

"Am 24. Februar 1964 bin ich als einer der Ersten mit dem Zug nach Deutschland gekommen." Muharrem Pamuk
Zischup: Wann und wie bist du damals eingereist?
Pamuk: Am 24. Februar 1964 bin ich als einer der Ersten mit dem Zug nach Deutschland gekommen. Meine erste Station war München, danach war ich in Karlsruhe, in Rastatt und am Ende in Freiburg. Die Arbeit in München auf den Gleisen war zu gefährlich, deshalb wollte ich einer anderen Gruppe zugewiesen werden. Und bin so weiter gereist.

Zischup: Wie hast du dich gefühlt, als du die Türkei verlassen hast?
Pamuk: Eigentlich sehr traurig, weil ich Deutschland nicht kannte und nicht wusste, was mich erwartet.

Zischup: Als was hast du in Deutschland gearbeitet?
Pamuk: Ich habe viele unterschiedliche Berufe ausgeübt. Ich war jahrelang tausende Meter unter der Erde in der Mine, um meine Kinder großziehen zu können. Wir mussten sieben Stunden unter der Erde arbeiten. Vor meiner Pensionierung habe ich 15 Jahre als Gärtner bei der Stadt Freiburg gearbeitet. Die 258 Stufen im Stadtgarten haben wir zu viert erbaut. Dann hatte ich leider einen Arbeitsunfall und musste in die Rente.

"Ich konnte kein Deutsch. Das waren sehr schwierige Zeiten. Ich habe mich mit Körpersprache und Mimik verständigt. Halal essen war sehr schwer." Muharrem Pamuk
Zischup: Du hast also Freiburg verschönert. Konntest du Deutsch sprechen?
Pamuk: Nein, ich konnte kein Deutsch. Das waren sehr schwierige Zeiten. Ich habe mich mit Körpersprache und Mimik verständigt. Halal essen war sehr schwer. Wir konnten kein Wort Deutsch. Wenn wir Huhn essen wollten, mussten wir Hühner nachmachen, um das richtige Essen zu bekommen. Das, was ich dann von meinen Arbeitskollegen gehört habe, habe ich versucht nachzusprechen. Meine Kollegen waren Italiener, Kroaten, Spanier. Ich habe auch kroatische und italienische Wörter von ihnen gelernt. So habe ich mit der Zeit auch Deutsch gelernt.

Zischup: Wie hat es sich angefühlt, die Sprache nicht zu können?
Pamuk: Es war sehr, sehr schwer. Wir hatten es nicht einfach. Die Lehrer, Ärzte und Arbeitgeber verstehen dich nicht, aber du musst dich trotzdem verständigen. Es ist sehr schwer, wenn du nicht verstanden wirst.



Zischup: Bist du alleine gekommen?
Pamuk: Ja, leider.

Zischup: Hattest du schon eine Familie in der Türkei?
Pamuk: Ich hatte meine Frau und meine zwei Kinder in der Türkei zurückgelassen. Meine Tochter war damals zwei Jahre alt und mein Sohn ein Jahr. Jetzt ist meine älteste Tochter 60 und mein Sohn 59. Sie leben beide in Deutschland.

"Ich bin 1964 alleine gekommen. Meine Familie konnte ich erst 1972 zu mir nehmen. Also hat es fast zehn Jahre gedauert, bis sie kommen konnten." Muharrem Pamuk
Zischup: Kam deine Familie mit dir?
Pamuk: Wie gesagt, ich bin 1964 alleine gekommen. Meine Familie konnte ich erst 1972 zu mir nehmen. Also hat es fast zehn Jahre gedauert, bis sie kommen konnten.

Zischup: Wolltest du eigentlich in die Türkei zurückkehren?
Pamuk: Ja, ich bin eigentlich mit dieser Absicht gekommen. Ich wollte ein Haus kaufen, ein Auto kaufen und dann wieder zurück. Das war ja so abgemacht, dass wir als Gastarbeiter kommen und wieder zurückgehen. Mein größtes Ziel war es, in meine Heimat zurückzukehren. Ich habe mir immer gewünscht, dass mindestens eines meiner Kinder mit mir dort lebt.
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Zischup: Konntest du wieder zurück in deine Heimat?
Pamuk: Nein, leider. Meine Kinder und meine Frau habe ich 1972 hierhergeholt. Dann haben wir noch drei weitere Kinder bekommen und die sind hier auf die Schule gegangen. Alle Kinder haben ihre Ausbildung gemacht und haben sich hier verwurzelt. Weil alle meine Kinder hier leben und ich dort keine Verbindung zu meinen Verwandten und Freunden habe, bin ich nicht zurückgegangen. Ganz alleine dort zu leben ohne meine Kinder traue ich mir nicht mehr zu. Jetzt bin ich ja auch ziemlich alt.

Zischup: Bist du glücklich in Deutschland?
Pamuk: Teilweise ja, ich bin glücklich. Ich habe meine ganzen Kinder hier, sogar in meiner Nähe. Und ja, wenn ich in die Türkei gehen würde, wäre ich ganz alleine, wie gesagt, ohne Familie. Dann wäre ich nicht glücklich.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 29. April 2022: PDF-Version herunterladen

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