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"Ich denke, dass die Leute bald wieder die Gemeinschaft suchen"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Heiko Leppert, einem Mitglied des Musikvereins Allmannsweier, über die Zukunft der Vereine, ehrenamtliche Arbeit und Individualismus.  

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Heiko Leppert, langjähriges Mitglied im Musikverein Allmannsweier  | Foto: Homepage
Heiko Leppert, langjähriges Mitglied im Musikverein Allmannsweier Foto: Homepage

Werden Vereine auf den Dörfern aussterben? Diese Frage hat sich Zischup-Reporterin Jana Leppert aus der Klasse 9c des Scheffel-Gymnasiums in Lahr gestellt und darüber ein Interview mit ihrem Vater Heiko Leppert, einem langjährigen Mitglied des Musikvereins Allmannsweier, geführt.

Zischup: Wie ist aktuell die Mitgliedersituation im Verein?

Leppert: Eher rückläufig. Vor allem die Jugendsituation ist relativ schwierig. Früher kamen meist auch die Eltern nach den Kindern in den Musikverein, so gab es immer wieder neue Leute, die von Anfang an als aktive Mitglieder dabei waren und die Eltern als passive Mitglieder.

Zischup: Wie viele Leute gab es früher im Verein, im Vergleich zu heute?

Leppert: Wie gesagt sind es wesentlich weniger. Früher waren es circa 30 aktive Mitglieder, heute sind es nur noch acht oder neun aktive Mitglieder, die in allen Proben dabei sind und noch einige, die bei Konzerten oder wenn sie Zeit haben, mitspielen. Dennoch sind wir allein in Form eines Musikvereins eigentlich nicht mehr spielfähig. Deshalb ist auch eine Spielgemeinschaft mit dem Musikverein Heiligenzell entstanden, so dass wir noch weiterhin Konzerte und Auftritte machen können. Allein von Allmannsweier sind Auftritte nur noch mit dem Quintett möglich, also einer Gruppe aus fünf Leuten, die zwar auch alle im Verein mitspielen, aber auch zusätzlich noch kleine Auftritte machen.


Zischup: Wie viele Leute sind es zusammen mit dem Musikverein Heiligenzell?
Leppert: Wenn alle da sind, sind es zirka 35, allerdings können natürlich nicht alle immer zu den Proben kommen, daher sind es dann nur 15 bis 20 Musiker.

Zischup: Könnte es also auch dazu kommen, dass der Musikverein komplett aufgelöst wird?
Leppert: Beim Musikverein in Allmannsweier könnte das tatsächlich leider passieren, da einfach der Nachwuchs fehlt. Das könnte vielleicht an mangelnder Jugendarbeit liegen. Es gab und gibt auch immer noch Jugendarbeit, aber sie wird nicht wirklich angenommen. Ich denke, die Interessenvielfalt der Jugendlichen ist heutzutage viel größer. Früher gab es nur den Musikverein und noch ein paar Sportvereine im Dorf als Hobby. Heute jedoch ist die Bandbreite viel größer und auch die Erreichbarkeit von Gruppen in Lahr oder sogar noch weiter weg ist viel leichter, da die Eltern die Kinder überall hinfahren und viele eh schon durch die Schule jeden Tag unterwegs sind. Also ist es kein Problem mehr, außergewöhnlichere Hobbys wie Karate oder Fechten zu machen. Daher sterben natürlich die kleineren Vereine immer mehr aus.

Zischup: Also liegt es eher an der Interessenvielfalt als an fehlender Zeit durch Mittagsschule oder an fehlenden Ehrenamtlichen, die Kurse für Kinder anbieten?
Leppert: Es liegt sicher nicht an einer Sache allein, aber ich denke nicht, dass es am fehlenden Engagement der Vereinsvertreter liegt. Es kann, wie gesagt, an der größeren Interessenvielfalt liegen, aber auch daran, dass natürlich zu einer Mitgliedschaft im Verein auch immer ein bisschen Verantwortung gehört, dass man bei Festen hilft und man sich natürlich auch mal an die anderen anpassen und Kompromisse eingehen muss. Die Gemeinschaft ist zurzeit weniger angesagt, stattdessen eher der Individualismus. Viele sind sehr sprunghaft und wollen sich nicht für einen längeren Zeitraum verpflichten, sondern eher ein Hobby haben, dass sie machen können, wenn sie gerade Lust dazu haben, ohne "Muss".

Zischup: Hatte auch Corona Auswirkungen auf die Mitgliederzahlen?
Leppert: Corona hatte beim Musikverein Allmannsweier keine großen Auswirkungen. Natürlich merkt man, dass es eine sehr lange Zeit ohne Proben gab, allerdings hat das nichts an den Mitgliederzahlen geändert. Diese sinken generell in den meisten Vereinen, egal ob Musik, Sport oder sonstige Gruppen.

Zischup: Geht auch die ehrenamtliche Arbeit zurück oder nur die Bereitschaft, als Mitglied im Verein mitzuarbeiten? Könnte es sein, dass es irgendwann gar keine ehrenamtliche Arbeit mehr gibt?
Leppert: Ich könnte mir vorstellen, dass irgendwann die Gesellschaft wieder die Vereine und die Gemeinschaft sucht, um sich zu engagieren, und es wieder eher weniger Individualismus gibt. Im Musikverein war es früher so, dass es eine Vorstandschaft aus fünf Leuten gab: 1. und 2. Vorsitzender, Schriftführer, Kassierer und Jugendleiter. Heute gibt es schon den Team-Gedanken: Die Vorstandschaft besteht aus verschieden Aufgabenbereichen, in denen sich jeder engagiert. Dadurch wird die ehrenamtliche Arbeit im Vorstand wieder attraktiver für junge Leute, die einen sehr guten Job machen. Natürlich wird es immer verschiedene Menschentypen geben, doch ich denke, dass die Menschen bald wieder eher Engagement und Gemeinschaft suchen könnten.

Zischup: Merkt man auch jetzt schon etwas davon, nachdem die Leute eine so lange Zeit allein zuhause waren?
Leppert: Bei uns speziell im Verein merkt man nicht wirklich etwas. Ich denke, es hängt speziell beim Musikverein Allmannsweier-Heiligenzell eher mit der neuen Vorstandschaft zusammen, dass die aktiven Mitglieder wieder engagierter sind.

Zischup: Würdest du dir wünschen, dass es wieder mehr Mitglieder gibt?
Leppert: Ja natürlich. Es macht meist viel mehr Spaß, mit mehreren Leuten zu spielen. Doch ich weiß, dass der Mitgliedermangel aktuell nicht nur bei unserem Verein so ist, sondern auch bei vielen weiteren. Daher denke ich auch, dass die Zukunft von Vereinen, ob es ein Musikverein oder ein Sportverein ist, eher in der Form von Spielgemeinschaften liegt, da viele es einfach allein nicht mehr stemmen können. Man kann ja heute auch schon sehen, dass dieses Prinzip gut funktioniert.


Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. Dezember 2021: PDF-Version herunterladen

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