"Eine breite Palette an Tätigkeiten"

ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Freiburger Geigenbauer Kolja J. Lochmann über seinen Werdegang und die Zukunft seines Berufs .  

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Blick auf die Werkzeugewand des Geigenbauers Foto: Privat

Kaum jemand hätte damals erwartet, dass Kolja Lochmann einmal Geigenbauer werden würde. Jetzt ist er ein vielfach preisgekrönter Handwerkskünstler mit internationaler Erfahrung. Über viele Umwege fand Kolja Lochmann seinen Weg zum Geigenbauer. Im Interview erzählt er Luisa Berger aus der Klasse Gym9 der Freien Christlichen Schule in Freiburg von seinem Beruf.

Zischup: Wie war Ihr Werdegang?
Lochmann: Geigenbauer ist nicht unbedingt ein Job, auf den man so leicht kommt. Weil es so eine Nische ist, und wenn man in dieser Nische nicht irgendwie zu Hause ist, kommt das eigentlich gar nicht so richtig in Betracht. Ich komme nicht aus dieser Nische, ich habe weder Streichinstrumente gespielt, noch habe ich mich in solchen Kreisen aufgehalten. Ich habe in vielen Jobs gearbeitet, vom Bankkaufmann zu Taxifahrer. Mit 25 Jahren hatte ich dann genug von diesem Hin und Her. Also habe ich mich hingesetzt, einen Zettel genommen und überlegt, welche Kriterien mein Job erfüllen soll. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich alles klar beantworten. Unten auf meinem Zettel stand dann Geigenbauer, nichts anderes. Also habe ich mich an verschiedenen Schulen beworben, auch international. Letztendlich bin ich dann für ein Jahr nach London gegangen. Im Zuge dessen habe ich auch einen anderen Platz angeboten bekommen, auf einer guten Geigenbauerschule in Newark, England. Dort bin ich dann drei Jahre zusätzlich noch gewesen und habe meinen Abschluss dort gemacht.

Zischup: Was ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?
Lochmann: Es war zunächst der Neubau. Heute baue ich sicher nicht mehr 15 Instrumente, sondern eher drei im Jahr. Am meisten mache ich Reparaturen und Vermietungen. Mein Profil war immer Neubau, Reparatur und Restauration. Was genau genommen nicht stimmt, denn umfangreiche Restaurationen passen zeitlich nicht rein. Die Bogenarbeit überlasse ich komplett dem Bogenbauer.

Zischup: Wie lange braucht der Bau eines Instruments?
Lochmann: Wenn man nur Neubau macht, dann schafft man es, so 15 Instrumente im Jahr zu bauen. Ein Instrument weiß fertig zu bauen, also nicht lackiert und nicht spielfertig, dauert so drei Wochen. Dann muss man es noch lackieren – das ist eine Prozedur, die sich über vier Wochen hinzieht. Das alles muss anschließend noch durchtrocknen. Innerhalb einer Woche kann man das Instrument dann spielfertig machen. Wenn das richtig meisterhaft gemacht wird, ist das viel akkurate und präzise Arbeit und die braucht ungefähr fünf Tage.

Zischup: Welches Holz wird für den Bau benutzt?
Lochmann: Da hätte man eigentlich jede Menge Alternativen, aber da sind Musiker oft sehr konservativ und erwartet einfach einen Boden aus geflammtem Ahorn, desgleichen die Zargen und die Schnecke. Geflammter Ahorn, auch Riegelahorn genannt, ist eine ästhetische Darstellung des Ahorns. Decken sind immer aus Fichte. Einfach aus dem Grund, weil das einen so schönen sonoren dunklen Klang ergibt.

Zischup: Spielen Sie in Ihrer Freizeit selbst ein Instrument?
Lochmann: Ja, ich habe viele Jahre Cello gespielt. Leider habe ich zurzeit einfach keine Zeit mehr dazu. Ich bin musikfrei zum Geigenbau gekommen, erst 15 Jahren später habe ich bemerkt, wie wichtig es für meinen Job ist, selbst zu spielen. Denn man kann sich mit einem Lineal einem Instrument nähern oder mit dem Bogen. Das ist einfach eine andere Facette. Außerdem ist jedes Instrument anders, nicht jede Einrichtung ist für jedes Instrument passend. Nicht alles ist messbar in dieser Welt, manchmal ist es einfach wichtig, die musikalische Facette des Instruments zu sehen. Außerdem ist es auch mal gut, die Perspektive des Musikers einzunehmen, um so besser helfen zu können.

Zischup: Sind die Instrumente aus China zu einer ernsthaften Konkurrenz für das Geschäft geworden?
Lochmann: Ja und nein, die Chinesen haben den gesamten Schülerinstrumentenmarkt an sich genommen, weil sie 20 Mal bessere Instrumente für weniger Geld bauen. Wir können nicht mit deren Preisen konkurrieren. Wohl aber mit der Qualität. Vielleicht ist das eine Frage der Zeit, aber da sind sie noch nicht. Und da für Profimusiker die Qualität am wichtigsten ist, weiß ich, dass die weiterhin von uns kaufen werden. Von daher sehe ich mich da nicht in meiner Existenz bedroht, auch auf Dauer nicht. Im Gegenteil, ich profitiere eher davon. Denn so kann ich die chinesischen Schülerinstrumente verkaufen, die billiger und trotzdem gut sind.

Zischup: Was mögen Sie am meisten an Ihren Job?
Lochmann: Das Schöne am Geigenbau ist, dass man nahezu alle Arbeiten selbst macht. Man hat eine unglaublich breite Palette an Tätigkeiten, die man allein machen kann. Und am Ende bist du verantwortlich für das Gesamtwerk. Dadurch hat man eine hohe Abwechslung an Tätigkeiten.

Zischup: Würden Sie Ihren Job wieder wählen, wenn Sie könnten?
Lochmann: Ja, absolut. Es gibt keinen anderen Beruf für mich, ich wüsste wirklich nicht, was ich sonst machen würde. Aus der heutigen Sicht, mit den Augen eines fast 60-Jährigen, der auch andere Seiten des Lebens bedenkt als ein 20-Jähriger, wäre ich wahrscheinlich skeptischer, was Zukunftsperspektiven angeht. Aber auf der anderen Seite, wenn man es schafft, als Handwerker in irgendeiner Branche mit gewissen Fähigkeiten zu existieren, und die Situation macht es erforderlich, dass man sich umorientieren muss, dann wird man das können.

Zischup: Hat Ihr Job Ihrer Meinung nach Zukunftsaussichten?
Lochmann: Alles hat Zukunft, die Frage ist, was für eine. Es wird immer einen Bedarf für diesen Job geben. Ob dieser Bedarf immer ausreichend sein wird, um die Existenz eines Geigenbauers finanziell zu sichern, das wissen wir alle nicht. Aber der Mensch wird als Mensch nicht ohne Kunst auf Dauer existieren können. Davon bin ich überzeugt. Letztendlich ist das ästhetische Empfinden des Menschen das, was uns von den Tieren unterscheidet.
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