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Jüdisches Leben in Emmendingen

Einblicke in Alltag und Geschichte der Juden

Wir, aus der Klasse 9d des Wentzinger-Gymnasiums in Freiburg, besuchten am 10. März das Jüdische Museum und die Jüdische Gemeinde in Emmendingen. Dort lernten wir viel über deren ereignisreiche und auch traurige Geschichte.  

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Carola Grasse, die Vorsitzende des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen, öffnete die Tür des Jüdischen Museums für die Klasse 9d. Foto: Sonja Zellman
Die Geschichte der Israelitischen Gemeinde begann im Jahr 1716, als die ersten jüdischen Familien nach Emmendingen kamen, um dort Zuflucht zu suchen, erzählte uns die Vorsitzende des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen, Carola Grasse, die uns über den Schlossplatz und durch das Museum der Jüdischen Gemeinde führte. Der Verein ist der Träger des Jüdischen Museums, in dem früher das Ritualbad der Israelitischen Gemeinde war. Auf dem Schlossplatz stand die alte Synagoge, die von den Nazis 1938 zerstört wurde.

Erst 50 Jahre nach der Ankunft der ersten jüdischen Familien wurde ein Gebäude in der Kirchstraße 11 die offizielle Synagoge in Emmendingen. 1820 wurde eine neue Synagoge errichtet und das alte Gebäude der Synagoge wurde als Gemeindehaus genutzt, welches damals aber als Israelitisches Gemeindehaus galt. Etwa 20 Jahre später wurde neben dem Gemeindehaus und der Synagoge ein rituelles Tauchbad, die sogenannte Mikwe, gebaut.

Dies ist eine religiöse Einrichtung, die der spirituellen Reinigung dient. Das Wasser dafür muss aus einer natürlichen Quelle stammen (Grund- oder Regenwasser) und beim Untertauchen muss ein Segensspruch auf Hebräisch gesprochen werden. Diese Mikwe steht unter Denkmalschutz und befindet sich heutzutage im Untergeschoss des Jüdischen Museums.

Dann sind wir nach oben, ins Museum gegangen. Dort durften wir uns verschiedene Gegenstände ansehen und haben weitere bewegende Fakten über die Jüdische Gemeinde gelernt. Carola Grasse erzählte uns die Geschichte der Zeitzeugin Margot Heymann, die als Kind von ihrer Mutter 1939 vor den Nazis in Sicherheit geschickt wurde, und zwar zu einer Familie in der Schweiz. Das Taschentuchetui, welches sie 1939 von ihrer Mutter für die Reise geschenkt bekommen hatte, liegt jetzt dort im Museum. Margot Heymanns Eltern wurden später im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert galten die Juden als Schutzbürger, dies bedeutete, dass sie keine vollen Bürgerrechte hatten; 1862 wurden ihnen zum ersten Mal Mal die vollen Bürgerrechte in Baden zugesprochen.

Unter dem starken Antisemitismus unter der Herrschaft der Nationalsozialisten Adolf Hitlers wurden ihnen die Rechte 1935 jedoch wieder entzogen. Aufgrund eines schrecklichen antisemitischen Pogroms wurden die Synagoge am 10. November 1938 komplett zerstört. Das Gemeindehaus wurde verwüstet. Ebenfalls wurden jüdische Männer ab 16 Jahren verhaftet und ein junger Jude ermordet. Viele jüdische Menschen aus Emmendingen sind im Oktober 1940 in das französische Internierungslager Gurs deportiert worden.

Heute gilt der 9. November als Gedenktag an die Zerstörung durch die Nazis. Der Umriss der alten Synagoge ist im Pflaster des Schlossplatzes zu sehen, es gibt außerdem Gedenktafeln, die an die Zerstörung 1938 erinnern, und eine weitere im Gedenken an Simon Veit, den langjährigen Vorsitzenden der Israelitischen Gemeinde. Nach ihm wurde auch das Gemeindehaus benannt. Außerdem wurde ein Mahnmal für die 1940 nach Gurs deportierten Menschen von Schülerinnen und Schülern aus den Gewerblichen Schulen in Emmendingen gestaltet, das auf dem Schlossplatz zu sehen ist. Das Mahnmal besteht aus Eisen und stellt von oben betrachtet einen gebrochenen Davidstern dar.

Die jüdische Gemeinde und die Synagoge zogen 1999 in einen ehemaligen Turm um, nicht weit vom Jüdischen Museum entfernt. Nach der Besichtigung des Museums gingen wir dorthin. Dort empfing uns Dorothea Scherle, die uns durch die Synagoge führte. Die heutige Synagoge liegt im obersten Stock des Turmes. Außerdem gibt es in dem Gebäude einen Gemeindesaal, koschere Küchen und ein Jugendzentrum der jüdischen Gemeinde.

Da es für die Männer Pflicht ist, eine Kippa zu tragen, haben die Jungen aus unserer Klasse welche aufgesetzt. Danach sind wir gemeinsam hochgelaufen. Am Eingang der Synagoge (auch "Haus der Versammlung" genannt) befindet sich die Mesusa, eine kleine Kapsel. Darin ist eine Pergamentrolle, auf der die ersten beiden Abschnitte des jüdischen Glaubensbekenntnisses stehen.

Die Synagoge ist von allen Seiten von Glaswänden umgeben und sieht recht modern aus. In der Synagoge befinden sich Sitzmöglichkeiten, sowie ein Lesepult, auf dem die Thora abgelegt wird. Im orthodoxen Judentum müssen Männer und Frauen getrennt in der Synagoge sein, weshalb ein Vorhang in der Synagoge hängt.

Wir haben gelernt, dass eine Synagoge kein geweihter Raum ist und dadurch auch jeder Raum eine Synagoge sein kann, solange ein Thoraschrein und eine Thora in dem Raum sind. Die Thora ist die heilige Schrift der Juden. Sie wird von Hand mit hebräischen Buchstaben auf die Haut koscherer Tiere geschrieben. Dafür brauchen Thora-Schreiber etwa ein Jahr. Wir durften uns eine Kopie der Thora ansehen. Aus der Thora wird nicht gelesen, sondern gesungen. Man darf die Thora nicht mit dem Finger der Zeile entlang lesen, sondern nur mit einem Zeiger. In der Synagoge befindet sich auch die Menora, auch bekannt als siebenarmiger Leuchter. Jeder Arm steht für einen Tag, an dem Gott die Welt erschaffen hat. Die Menora ist auch auf dem Wappen Israels zu finden.

In dem Gebäude der jüdischen Gemeinde befinden sich Küchen, in denen nur koscher gekocht wird. Koscher bedeutet zum einen, dass nur Fleisch von wiederkäuenden Paarhufern gegessen werden darf. Schweine und gejagtes Wild sind nicht koscher. Fisch darf nur gegessen werden, wenn das Tier Flossen und Schuppen hat. Die Tiere müssen auf eine rituelle Art geschlachtet werden, diesen Vorgang nennt man "schächten". Fische muss man aber nicht schächten. Außerdem ist es strengstens verboten, Milch und Fleisch zu mischen. Auch bei der Produktion der Lebensmittel dürfen Fleisch und Milch keinesfalls miteinander in Berührung kommen. Nachdem Fleisch gegessen wurde, muss erst eine längere Pause eingehalten werden, bis wieder Milch verzehrt werden darf.

Der Besuch der Gemeinde und das Eintauchen in die jüdische Geschichte stellte eine unglaublich bereichernde Erfahrung für uns Schülerinnen und Schüler dar. Die Führungen waren sehr interessant und aufschlussreich. Das Judentum wurde wirklich toll an uns junge Menschen vermittelt und viele von uns haben neues Interesse am Judentum gewonnen.
Weitere Texte von Zischup-Schülerinnen und Schülern gibt es hier!

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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