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Corona

Ein traumhafter Tag

Endlich wieder Schule. Endlich wieder Menschen. Davon träumt Lila, die Protagonistin in der Kurzgeschichte von Louise Pauls, Schülerin des Deutsch-Französischen-Gymnasiums in Freiburg.  

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Schule kann so schön sein. Vor allem, wenn man lange nicht mehr dort war.   | Foto: Ingo Schneider
Schule kann so schön sein. Vor allem, wenn man lange nicht mehr dort war. Foto: Ingo Schneider
Error 404, Moodle war mal wieder überlastet. Sollte sie warten, bis es funktionierte? Bei ihren Klassenkameraden auf Whatsapp fragen, ob es ihnen auch so ging? Oder sich doch lieber zurück in ihr gemütliches und noch warmes Bett legen? Wie jeden Morgen hatte sie auch an diesem Tag Schwierigkeiten gehabt, aufzustehen. Sie fragte sich jeden Tag aufs Neue: "Wieso? Was bringt das mir? Es ist doch nur eine Qual". Lila schleppte sich zurück an ihren Arbeitsplatz und versuchte erneut, an das Unterrichtsmaterial zu
kommen. Error 404. Schon wieder. Und noch einmal: Error 404.

Zum Glück musste sie noch das Buch für Französisch lesen, den Mathe-Aufschrieb verstehen, die Biologieaufgaben abgeben. Es fehlte also nicht an Arbeit, sondern doch eher an Zeit. Aber eigentlich sollte sie ja jetzt Chemieunterricht haben. Sie wartete weiter darauf, dass die Meldung verschwand. Es erinnerte Lila an die vergangenen Tage. Sie waren immer gleich, immer wieder kam dasselbe. Jedes Mal war sie enttäuscht, nie passierte etwas. Die Minuten vergingen. Nichts passierte, nichts änderte sich.

Um 8.20 Uhr schickte der Lehrer den Link der Video-Konferenz per Mail, sodass der Online-Unterricht stattfinden konnte. Lila wurde in die Konferenz reingelassen und nun saß sie dort ganz einsam auf dem Stuhl vor dem Computer. Ein wenig später waren so gut wie alle eingetroffen und die Stimme des Lehrers ertönte, fast nicht wiedererkennbar, aus dem Gerät. Lila saß vor ihren Unterlagen und lauschte der virtuellen Unterhaltung über gemachte oder ungemachte
Hausaufgaben, während sie in das tiefe Nichts auf dem Bildschirm blickte.

Die Sonne war aufgegangen und schien plötzlich in den Raum. Die warmen Strahlen malten Lila ein Lächeln ins Gesicht. Die nächste Gruppe war dran mit der Videokonferenz, das hieß Pause für Lila! Sie sprang auf, holte ihr Handy und ihre Kopfhörer und ging raus. Es war noch kalt, aber in der Sonne wurde es sehr angenehm. Die Bäume hatten angefangen zu blühen, einige Nachbarn hatten schon kleine Tomatenpflanzen in die Erde gesetzt, die Bohnensträucher schlängelten sich an ihren Stangen hoch. Lila konnte durch die Straßen rennen, sie konnte aber auch stehen bleiben. Sie hatte die Möglichkeit, der Sonne nachzulaufen, oder ihrem Schatten. Sie lief durch die benachbarten
Straßen. Ein paar Nachbarn grüßten sie, sie traf einer ihrer Kindergartenfreundinnen, die sie lange nicht mehr gesehen hatte, und unterhielt sich mit ihr. Sie legte sich auf eine Wiese im Park. Das machte sie sehr glücklich.

Lange hatte sie davon geträumt, einfach nach draußen zu gehen, ohne etwas Bestimmtes zu tun. Lange war es her, dass ihre Seele frei war und sie sich über alles und nichts Gedanken machen konnte. Seit langer Zeit hatte sie sich nicht mehr so wohl und ruhig gefühlt. Die Zeit verging schnell, und nun musste Lila zurück nach Hause, um rechtzeitig im nächsten Unterricht zu sein. Sie setzte sich wieder an ihren Schreibtisch und schaute nach, was jetzt ansteht. Sie konnte es nicht fassen, Moodle funktionierte gleich beim ersten Mal. Lila ging wie gewohnt auf Moodle, dann "Französisch", dann "Muttersprache", dann "10. Klasse",
dann ganz nach unten, dann der Link zur Videokonferenz – sie wurde reingelassen – dann auf "mit Mikrophon beitreten", dann "Zugriff aufs Mikrophon erlauben" und dann konnte sie die anderen hören.

Lauter freundliche Stimmen kamen aus dem Computer, aber bisher war kein einziges Gesicht zu sehen. Der Prozess war Lila so bekannt, dass sie fast mit geschlossenen Augen in die richtige Videokonferenz gelangen würde. Die Lehrerin und die schon anwesenden Schüler vertrieben sich wie immer die Zeit, bis alle da waren. Lila war vorbereitet auf die immer gleichen Fragen und Antworten: "Wie geht es euch?" Keine Antwort, sie war immer gleich. "Habt ihr viel zu tun?" Ja. "Habt ihr zu viele Hausaufgaben?" Ja, aber vor allem unterschieden sie sich kaum vom Online-Unterricht. Es fühlte sich an, als würden wir von morgens bis abends Hausaufgaben machen.

Es gab Neuigkeiten: nach den nächsten Ferien durften auch die 7., 8., 9. und 10. Klassen wieder in die Schule kommen! Lila konnte ihr Glück nicht fassen. Noch zwei Wochen musste sie sich durch den Online-Unterricht quälen, danach kamen die Ferien. Was in den zwei Wochen dazwischen kommen würde? Sie wusste es nicht. Was in den zwei Wochen mit ihr passieren würde? Das wusste sie auch nicht. Es war unklar, die Zukunft war verschwommen und unsicher. Aber die Ferien würden ihr Ruhe bieten, und ab da würde die Sicht wieder klarer werden.

In ihrem Kopf tauchten Bilder auf: Sie stellte sich vor, wie sie morgens um 7.45 Uhr zu dem rot-blauen Gebäude laufen würde. Es war noch nicht hell, aber man konnte schon die Sonne sehen. Sobald sie im Gebäude stand, war sie umgeben von Leben und von Stimmen. Sie lief sofort ins Klassenzimmer, wo sie schon ein paar ihrer Mitschüler auffand. Mehr als ein Viertel des Jahres war vergangen, seit sie zum letzten Mal hier gestanden hatte und nicht mehr nur von Möbeln umgeben war.

Vor ihren Augen spielte sich der Englischunterricht ab, von dem sie so lange geträumt hatte. Eine unglaubliche Vorfreude kam bei diesem Gedanken in ihr auf. In den nächsten Stunden könnte sie sich vor lauter Glück kein bisschen mehr auf den Unterricht konzentrieren! "Lila? Sag mir bitte was du raus hast." Da wurde sie aus ihrem Tagtraum geweckt. Ihr wurde ganz warm und sie sprang auf. Glücklicherweise hatte sie es geschafft, ihre Hausaufgaben zu machen.
Die Nummer der Aufgabe stand in den "geteilten Notizen". Der Höhepunkt der Emotionen für den
Tag war vorbei. Die Vorstellungen, die Lila gehabt hatte, waren wieder nur ein Traum.

Ressort: Schülertexte

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