Zischup-Interview

"Die fremde Welt werteten sie als unzivilisiert ab"

Im Rahmen ihres Besuchs in der Kolonialismus-Ausstellung hat die Klasse 8c des Freiburger Goethe-Gymnasiums eine der Organisatorinnen der Ausstellung, Angelika Zinsmaier, interviewt. .  

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Angelika Zinsmaier  | Foto: Privat
Angelika Zinsmaier Foto: Privat
Zischup: Wie kam es zum Kolonialismus?
Zinsmaier: Europäische Mächte erweiterten ihre Herrschaftsgebiete, um, unter anderem, Land und neue Rohstoffe zu gewinnen. Der militärischen Eroberung folgte in der Regel die Ausübung von Herrschaft auf Territorien, die seit der Antike als Kolonien bezeichnet worden sind. Der Beginn der europäischen Expansion startete im Jahr 1492, als Christoph Columbus in der Karibik landete, und dauerte bis ins 20. Jahrhundert. Zwischen den Weltkriegen befand sich der größte Teil der Erde unter europäischer Herrschaft.

Zischup: Wie kamen die Kolonialherrscher auf die Idee, die Menschen in Rassen einzuteilen?
Zinsmaier: Europäische Wissenschaftler*innen entwickelten im Zuge des Kolonialismus und der Aufklärung die Ideologie des Rassismus. Überzeugt davon, dass sich Menschen in Gruppen einteilen lassen, erklärten sie den weißen Mann zum Ideal der Menschheit.

Zischup: Wie haben die Kolonialherrscher die Sklaverei gerechtfertigt?
Zinsmaier: Die Kolonisator*innen besaßen die Einbildung, dass ihre eigene Welt geordnet, zivilisiert, kultiviert sei. Die fremde Welt dagegen werteten sie als unzivilisiert ab. Die Menschen dort waren für sie daher absolut nicht gleichberechtigt. Damit rechtfertigten sie ihre Ausbeutung und brutalen Vorgehensweisen.

Zischup: Welche Länder wurden noch nie kolonialisiert?
Zinsmaier: Deutschland, zum Beispiel, wurde noch nie kolonialisiert.

Zischup: Welches waren die größten Kolonialherrscher mit den meisten Gebieten?
Zinsmaier: Großbritannien war die stärkste Kolonialmacht in Europa.

Zischup: Welche Kolonien hatte Deutschland?
Zinsmaier: Die größten Kolonien des Deutschen Kaiserreiches lagen in Afrika, kleinere auch in Asien und Ozeanien.


Zischup: Wie viele Menschen wurden ungefähr versklavt?
Zinsmaier: Der Umfang des transatlantischen Sklavenhandels war enorm: Die Gesamtzahl zwischen 1501 und 1866 übersteigt zwölf Millionen. Sklaverei ist zwar keine Erfindung des europäischen Kolonialismus, durch seine transatlantische Ausprägung bekam sie jedoch eine fundamental entmenschlichende Dimension: Ein Individuum und seine Nachkommen wurden zur Ware.

Zischup: Was brachte die Menschen zur Dekolonialisierung?
Zinsmaier: Nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpften sich viele Kolonien ihre Unabhängigkeit. Dekolonisation ist jedoch keine klare Zäsur, die einen abrupten Neustart nach sich zog. Sie ist als Fortsetzung der Geschichte des Kolonialismus zu verstehen.

Zischup: Wie kamen Sie auf die Idee für solch eine Ausstellung?
Zinsmaier: Die Aufarbeitung der kolonialen Geschichte ist eine wichtige Aufgabe, da die Folgen der kolonialen Machtausübung und Denkweisen bis heute nachwirken. Auch in Begriffen unserer Alltagssprache. Mit der Ausstellung wollen wir die Menschen einladen, sich aktiv und kritisch damit auseinanderzusetzen.


Zischup: Was sind die wertvollsten Ausstellungsgegenstände?
Zinsmaier: Alle Gegenstände sind durch ihre Herkunft und ihre Geschichte, die sie in sich tragen, bedeutend.

Zischup: Was ist Ihr Lieblingsobjekt und welches Objekt sehen Sie eher nicht so gerne?
Zischup: In dieser Ausstellung kann ich von keinem Lieblingsobjekt sprechen. Der Gipsabdruck, der an einem lebenden Menschen gemacht wurde, stellt für mich ein erschütterndes Zeugnis rassistischer Handlungsweisen dar. Aus Respekt haben wir daher den Abguss nicht sichtbar ausgestellt.

Zischup: Was passiert mit manchen sehr persönlichen Ausstellungsstücken?
Zinsmaier: Die Wissenschaftler*innen versuchen herauszufinden, wie die Objekte in das Museum gelangt sind und wem sie gehörten. Im Idealfall können persönliche Objekte, zum Beispiel an Nachfahr*innen zurückgegeben werden.

Zischup: Wie zeigt sich noch heute Kolonialismus?
Zinsmaier: Armut, Rassismus, Artensterben, Klimakrise – die Liste der globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist lang. Diese Probleme sind eng mit kolonialen und neokolonialen Strukturen verstrickt.

Zischup: Wie waren bisher die Reaktionen auf die Ausstellung?
Zinsmaier: Die Besucher*innen reagieren bisher sehr positiv. Viele sind überrascht, betroffen und denken neu über die kolonialen Auswirkungen nach.
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