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Der Faszination Glas auf der Spur

Aus Glas werden sowohl Gebrauchsgegenstände gefertigt als auch Kunst / Zu Besuch in einer Glasbläserei bei Venedig / Ein Beruf zwischen Tradition und Moderne.  

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Ein Glasbläser spannt in seiner Werkstatt ein Stück frisch geblasenes Glas in eine Zwinge. Foto: jurra8 (stock.adobe.com)

Glas ist zerbrechlich, scharf und doch ein Gebrauchsgegenstand. Diese Vorstellung ist seit Kindestagen tief in mir verwurzelt. Als Fensterscheibe, Trinkgefäß oder Sehhilfe äußerst nützlich, aber zerbrochen ziemlich gefährlich. Woher kommt die Faszination Glas? Ich konnte bis heute nicht nachvollziehen, warum jemand aus dem Gebrauchsgegenstand eine Kunstform gemacht hat. Wie kann diese durchsichtige, kalte Masse Menschen so in ihren Bann ziehen? Mit diesen Gedanken machte ich mich auf den Weg nach Venedig, wo das sogenannte Murano-Glas zu finden ist.

Überall auf der Welt kennen die Menschen diesen Begriff und sprechen voller Bewunderung von aus Glas geschaffenen Kunstwerken. Eine veraltete Tradition und Sammelleidenschaft aus vergangener Zeit? Schon beim Betreten der Glasbläserei fühlte ich mich wie in schwere dicke Wolldecken eingehüllt und begann zu schwitzen. Die enorme Hitze nahm noch mehr zu, als ich mich der Hauptwerkstatt näherte. Dort in der Mitte steht ein großer Ofen. Er besteht aus einer dicken Metallhülle mit einem Verschluss davor. Durch die Ritzen des Verschlusses sah man die Esse hell leuchten. Als die Klappe geöffnet wurde, sah man den Sand in einer feuerfesten Schale schmelzen. Es wurden verschiedenste Gelb- und Rottöne gespiegelt und zu einem gleißenden Leuchten gebrochen.

Leuchtend schöne violette, grüne und blaue Töne

Neben dem Ofen stand ein großer, kräftig gebauter Mann. Er drückte einen Eisenstab in die Glasmasse. Er trug Shorts, ein luftiges Hemd und seine Finger waren vom Ruß geschwärzt. Als sich um das Metall ein großer Klumpen der Masse gebildet hatte, hielt er diesen in einen Eimer voller bunter Glaspartikel. Dieses Gemisch hielt er nun erneut in die Esse und im Schein des Feuers brachen sich leuchtend schöne violette, blaue und grüne Töne. Nach zirka zwei Minuten wurde das Glas nun "geblasen". Dabei führte er sich das Metallrohr an den Mund und blies vorsichtig hinein. Nun dehnte sich das dickflüssige Glas. Mithilfe verschiedener Zangen und Instrumente wurde die Masse nach und nach in die gewünschte Form gebracht. Unter den achtsamen Fingern erfahrener Hände bildete sich ein kleiner Glasdelfin. Aber nicht nur so ein durchsichtiges Kaufhausprodukt, nein, ein echtes kleines Kunstwerk entsteht. Der Delfin erstrahlte in Blau und Violett, während die Schaumkronen grünlich schimmerten.

Nach diesem Besuch begann ich die Faszination von Glas zu begreifen und merkte, welch schöne Formen aus Glas entstehen können. Meine Neugierde war geweckt. Daher beschloss ich, das Museum für Murano-Glaskunst zu besuchen. Dort waren viele verschiedene Ausstellungsstücke in allen Größen zu sehen. In der einen Ecke stand ein Kakadu, der auf einem Baum saß und in allen Farbtönen erstrahlte, in einer Vitrine lag eine Gitarre, an der kein einziger durchsichtiger Fleck zu sehen war, und überall waren Vasen, Ketten und Geschirr in den verschiedensten Farben und Formen aufgereiht.

Ein Objekt faszinierte mich ganz besonders. Es war ein Foto von mehreren, abstrakten Trichtern, die vor der Insel Murano im Meer standen und der Wasserkraft trotzten. Es sah aus wie viele grüne Tintenfischarme, die aus dem Meer heraus nach etwas greifen. Ich war erstaunt, wie stabil dieses Glas doch war. Schließlich musste das Werk aus dünnen Glaswänden der Strömung standhalten und zerbrach nicht.

Nach diesen beiden Besichtigungen war der Begriff Gebrauchsgegenstand aus meinem Kopf getilgt und eine Begeisterung für Glas erfasste mich. Nun aber stellte ich mir die Frage, warum dieser Beruf nicht schon längst durch die Industrie ersetzt worden war. Warum hat dieses alte Handwerk immer noch Bestand? Ich recherchierte, ob es noch weitere Formen der Kunst der Glasbläser gab, und fand heraus, dass Glas nicht nur für Weihnachtsschmuck, Glaskugeln, Ketten und Geschirr verwendet wird, sondern auch im chemischen und medizinischen Bereich. So werden zum Beispiel heute noch Reagenzgläser und bestimmte Gefäße für Labore, Glasaugen für Puppen und Kuscheltiere und Glasaugenprothesen für die Medizin von Glasbläsern hergestellt. Das klingt im ersten Moment ziemlich unglaubwürdig. Und es stellt sich weiter die Frage: Warum nicht per Maschine?

Die Antwort ist relativ einfach: Weil es nicht geht. Den Maschinen fehlt das nötige Feingefühl, so würden die feinen Wände der Reagenzgläser zerbrechen und fein gesponnener Schmuck oder filigran-abstrakte Kunstwerke wären erst gar nicht umsetzbar. Bei der weiteren Suche stieß ich dann auf den sogenannten Glasmacher. Die Unterscheidung, zwischen Glasbläser und Glasmacher ist für Außenstehende oftmals etwas kompliziert, da beide Glas herstellen und das normalerweise auch von Hand. Teilweise wird der Glasmacher von Maschinen unterstützt oder ersetzt. Bei den Glasbläsern stehen die Feinheit und die Grazie im Vordergrund und sie arbeiten meist mit dünnerem und feiner gearbeitetem Glas. Die Glasmacher sind auf gröbere Stücke spezialisiert und arbeiten im Gegensatz zu den Glasbläsern nicht direkt am Ofen.

Nun war mir klar, warum der Glasbläser nicht durch eine Maschine ersetzbar ist, und dass dieser Beruf auch einen Bestand in der Zukunft haben sollte, solange die Maschinen nicht im Stande sind, so sensibel und ausgeklügelt zu arbeiten.

Doch wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Wie viele Leute können sich noch dafür begeistern, selbst mit Glas zu arbeiten? Ich frage mich, ob die Leute den Wert von Glas überhaupt noch kennen? Ist Glas nicht schon längst ein Wegwerfprodukt? Ich selbst habe schon oft gemerkt, dass, wenn einem das Geschirr oder die Gläser nicht mehr gefallen, sie einfach weggeworfen werden. Wie schnell ist einem das Glas heruntergefallen und zerspringt in tausend Scherben, um danach aufgesammelt zu werden und im Mülleimer zu landen. Selbst wenn eine Glasscheibe mit lautem Klirren zerbricht, hört man allzu oft "Das kaufen wir später einfach neu."

Tatsächlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten. Glasapparatebauer, Kunstaugenhersteller und in der Chemie tätige Glasbläser sind mehr gefragt als je zuvor, während die Kunstsparte langsam abnimmt. Auch haben viele Schüler keinen Enthusiasmus mehr für den handwerklichen Beruf des Glasbläsers. Somit schrumpft der Nachwuchs immer mehr und die Glasbläser haben Schwierigkeiten, den Beruf am Leben zu erhalten. Auch können die Glasbläser ihr Handwerk nicht mehr direkt in der Schule vorstellen, wegen der erhöhten Sicherheitsbeschränkungen. Vielen Jugendlichen ist der Beruf des Glasbläsers nur noch als Begriff bekannt, aber nicht mehr die Praxis. Wo früher 1000 Glasbläser gearbeitet haben, sind es heute nur noch 20, die dieses Handwerk bestreiten. Und doch ist die Glaskunst von Murano ein umfangreiches Angebot und fast jedem bekannt.

Unterschied zwischen Glasbläser und Glasmacher

Ich finde es wirklich traurig zu sehen, wie ein so wichtiger Beruf, der schon seit Hunderten von Jahren bekannt ist, langsam von der Bildfläche verschwindet. Wer sich allerdings doch für diesen Weg entscheidet und den Beruf des Glasbläsers lernen möchte, der bewirbt sich an einer der Glasfachhochschulen, zum Beispiel in Thüringen. Dort erwartet ihn eine dreijährige Ausbildung. Der Auszubildende lernt hierzu im Betrieb und in der Berufsschule. Im dritten Ausbildungsjahr spezialisiert er sich auf eine bestimmte Sparte der Glasbläserei, zum Beispiel auf die Herstellung von Kunstaugen oder die Arbeit im chemischen Bereich. Aber er kann sich natürlich auch zum weithin bekannten Kunstkreis hin entscheiden. Trotz des mangelnden Nachwuchses und Interesses wird der Beruf des Glasbläsers weiterhin einen wichtigen Platz einnehmen. Und wer weiß? Vielleicht wird ja die Leidenschaft zum Glas wieder erweckt?

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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