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Zischup-Interview

"Alle Fluchtursachen haben ihre Berechtigung"

  • Antonia Prestel, Klasse 8a, Friedrich-Gymnasium (Freiburg)

  • Fr, 15. Dezember 2023
    Schülertexte

     

Die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Freiburg ist für Geflüchtete die erste Anlaufstelle. Ehrenamtskoordinatorin Maren Dreher spricht mit Zischup-Reporterin Antonia Prestel über ihre Arbeit.

Die Landeserstaufnahmestelle in Freiburg  | Foto: Philipp von Ditfurth (dpa)
Die Landeserstaufnahmestelle in Freiburg Foto: Philipp von Ditfurth (dpa)
Zischup: Frau Dreher, was ist Ihre Aufgabe in der Landeserstaufnahmestelle?

Dreher: Ich koordiniere die ehrenamtlichen Helfer. Wir arbeiten viel mit ihnen zusammen, da wir ein sehr kleines Budget für Freizeitaktivitäten oder alltagsstrukturierende Maßnahmen haben. Dadurch sind wir auf Ehrenamtliche angewiesen, die mit den Geflüchteten Aktivitäten und Angebote machen. Ich arbeite auch noch bei der Streetwork, bei dem wir dann zu den Geflüchteten in die Wohngebäude gehen, sie aufklären und ihnen Informationen geben.

Zischup: Wie sind die Geflüchteten in der LEA untergebracht?

Dreher: Da es hier eine Erstaufnahme ist, sollten die Menschen eigentlich nicht so lange hier sein. Deswegen ist die LEA auch nicht sehr wohnlich eingerichtet. Hier gibt es für die Geflüchteten enge, unabschließbare Mehrbettzimmer in Wohnhäusern, die meist laut sind. Sie haben auch keine Möglichkeit zu kochen, das Essen gibt es in der Kantine.

Zischup: Sind in der Erstaufnahme eher überwiegend Männer, Frauen oder Kinder, oder ist das gleich aufgeteilt?

Dreher: Ein Großteil von unseren Bewohnern sind alleinreisende, junge Männer. Aktuell sind bei uns auch viele Familien mit Kindern untergebracht. Zurzeit sind hier 270 Kinder. Insgesamt haben wir Platz für 1000 Leute.

Zischup: Aus welchen Ländern kommen momentan die meisten Geflüchteten?

Dreher: Ein großer Teil kommt aus der Türkei, Syrien und Afghanistan. Ansonsten sind Leute aus aller Welt hier.

Zischup: Wenn Leute aus so vielen verschieden Ländern kommen, gibt es dann nicht auch manchmal Streit?

Dreher: Nein, eigentlich nicht. Es gibt ab und zu Konflikte, aber das ist meist auf die Lebensbedingungen in der LEA zurückzuführen. Viele Geflüchtete haben posttraumatische Belastungsstörungen, die eine Ursache für Konflikte sein können.

Zischup: Wie lange bleiben die Geflüchteten in der LEA?

Dreher: Das ist meist sehr verschieden und hängt davon ab, woher die Menschen kommen, ob sie eine Perspektive haben oder ob sie alleine oder als Familie da sind. Bei Kindern ist der Aufenthalt meistens kürzer, da man schaut, dass sie möglichst schnell in eine Folgeeinrichtung kommen und in die Schule gehen können. Im Durchschnitt bleiben die meisten etwa vier Monate hier.

Zischup: Wie funktioniert die Verständigung mit den Geflüchteten?

Dreher: Die Kommunikation ist in jeden Fall sehr schwierig. Meistens nutzten wir unsere Handys und vor allem Übersetzungsprogramme, bei denen man einfach ins Handy sprechen kann. Da wird alles dann direkt übersetzt.

Zischup: Wie viele Mitarbeitende arbeiten in der Landerserstaufnahme?

Dreher: Es gibt verschiedene Bereiche: Die Unabhängige Verfahrens- und Sozialberatung mit zirka 18 Leuten, die Flüchtlingsmedizin der Uniklinik, da arbeiten etwa 16 Leute, dann natürlich die Security mit 80 Mitarbeitenden. Es gibt natürlich noch die Kantine, Putzkräfte und das Regierungspräsidium hier vor Ort.

Zischup: Gibt es medizinische Versorgung in der LEA?

Dreher: Vom Regierungspräsidium gibt es einen sogenannten Erstcheck. Dort wird kontrolliert, ob die Geflüchteten keine Krankheiten mitbringen, und sie werden geimpft. Erste Hilfe ist in der LEA auch möglich. Für größere Sachen muss dann aber in ein Krankenhaus gefahren werden.

Zischup: Ist Ihnen ein Erlebnis mit den Geflüchteten besonders in Erinnerung geblieben?

Dreher: Ja, montags machen wir als Streetworker immer zusammen mit Ehrenamtlichen einen Kochabend, bei dem die Geflüchteten zusammen Gerichte aus ihrem Heimatland kochen können. Das haben wir uns überlegt, weil die Bewohner hier ja nicht kochen dürfen und mit dem Kantinenessen oft unzufrieden sind. Das ist echt schön. Man geht zusammen einkaufen und kocht gemeinsam. Ich bin zwar nicht regelmäßig mit dabei, aber wenn ich dabei war, war das echt eine schöne Stimmung und ein schöner Austausch miteinander. Die Geflüchteten sind dann immer glücklich, dass sie ihr landestypisches Essen vorstellen dürfen, und man merkt, wie dankbar sie sind, dass man sich Zeit für sie nimmt.

Zischup: Was, würden Sie sagen, haben Sie aus Ihrer Arbeit mit den Geflüchteten gelernt?

Dreher: Ich habe superviel gelernt. Generell kann ich sagen, dass es viele verschiedene Fluchtursachen gibt, die meiner Meinung nach alle ihre Berechtigung haben. Und dass wir froh sein können, dass es in Deutschland keinen Krieg gibt und es uns so gut geht.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 15. Dezember 2023: PDF-Version herunterladen

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