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"Wir vermissen unsere Verwandten"

Familie Alnaghasch* musste Hals über Kopf aus dem Irak fliehen, weil ihr Leben in Gefahr war. Die Eltern und ihre Tochter wohnen jetzt in Au bei Freiburg. Dort wollen sie sich ein neues Leben aufbauen. Was für Schwierigkeiten sie dabei haben und was es heißt, ein Flüchtling zu sein, erzählten sie Marie Stöfken, Schülerin der Klasse 8b des Freiburger Friedrich-Gymnasiums.  

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Familie Alnaghasch* musste Hals über Kopf aus dem Irak fliehen, weil ihr Leben in Gefahr war. Die Eltern und ihre Tochter wohnen jetzt in Au bei Freiburg. Dort wollen sie sich ein neues Leben aufbauen. Was für Schwierigkeiten sie dabei haben und was es heißt, ein Flüchtling zu sein, erzählten sie Marie Stöfken, Schülerin der Klasse 8b des Freiburger Friedrich-Gymnasiums.

Zischup: Warum sind Sie geflohen?
Vater Alnaghasch: Wir haben friedlich in Bagdad, der Hauptstadt des Iraks, gewohnt, bis sich Schiiten und Sunniten, das sind zwei religiöse Gruppen, angefangen haben, gegenseitig zu bekriegen. Am Anfang war es harmlos, doch dann gab es mehr und mehr Anschläge. Es gab keine Sicherheit mehr. Wir sind Schiiten und haben in einem Gebiet der Sunniten gewohnt. Diese verlangten irgendwann Geld von uns. Nur wenn wir zahlen, so sagten sie, würden sie uns in Ruhe lassen. Da ich nur einen Straßenimbiss besaß, hatten wir das Geld nicht. Ansonsten hätte ich das Restaurant aufgeben müssen. Ungefähr zwei Tage später bekam ich eine SMS, in der man mir drohte meiner Tochter und meiner Frau etwas anzutun, wenn ich nicht zahle. Doch ich konnte nicht zahlen. Von diesem Tag an hatten wir immer Angst. Ich brachte meine Tochter zur Schule und holte sie ab. Als ich eines Morgens zum Arbeiten gehen wollte, sah ich vor mir die verkohlten Reste meines Restaurants, die Sunniten hatten es abgebrannt. Daraufhin habe ich meine Tochter und meine Frau geholt und wir sind sofort geflohen.
Zischup: Wie lange mussten Sie fliehen?
Vater Alnaghasch: Als erstes sind wir von Bagdad mit dem Flugzeug in die Türkei geflogen. Dort hatten wir zehn Tage Aufenthalt. Danach folgte eine gefährliche Überfahrt mit einem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland. Von dort aus sind wir mit dem Bus nach Mazedonien und dann mit dem Zug nach Serbien weiter. Dort angekommen entschieden wir uns mit dem Zug weiter nach Kroatien zu fahren und von dort weiter nach Österreich. Dann mussten wir nur noch mit dem Zug nach München. Deutschland ist ein Ort, der uns Sicherheit gibt. Von München wurden wir über Heidelberg, Karlsruhe bis nach Au gebracht. Hier haben wir eine Wohnung und müssen keine Angst mehr haben. Insgesamt haben wir für die Flucht ungefähr 23 Tage gebraucht.
Zischup: Welches Land war am schwierigsten zu überwinden?
Vater Alnaghasch: Am schwierigsten war die Überfahrt mit dem Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland. Wir hatten sehr große Angst, dass uns die türkische Polizei erwischt und wir dann ins Gefängnis müssen. In der Türkei ist das kein Vergnügen.
Zischup: Haben Sie hier öfters Heimweh und wer von Ihrer Familie ist noch in Bagdad?
Vater Alnaghasch: Von unserer Familie sind alle noch in Bagdad. Natürlich vermissen wir unsere Verwandten sehr. Wir haben per Telefon eine Verbindung, hätten sie aber gerne hier bei uns. Wir vermissen unsere Kultur, aber auf gar keinen Fall das Land.
Zischup: Will Ihre Familie auch nach Deutschland?
Vater Alnaghasch: Ja, sie wollen sehr gerne, aber sie können nicht wegen der politischen Lage. Außerdem machen alle Länder ihre Grenzen zu.
Zischup: Wollen Sie in Au bleiben oder irgendwann zurück in den Irak?
Vater Alnaghasch: Wir wollen hier bleiben und uns ein sicheres Leben aufbauen. Wir denken, dass die Politik im Irak lange schlecht sein wird.
Zischup: Wie kommen Sie in Deutschland zurecht?
Vater Alnaghasch: Die Sprache macht uns zu schaffen aber sonst finden wir es super hier.
Zischup: Was finden Sie seltsam in Deutschland?
Vater Alnaghasch: Dass Frauen Fahrrad fahren dürfen und generell mehr Rechte haben als im Irak.
Mutter Alnaghasch: Das finde ich sehr gut.
Vater Alnaghasch: Toll oder besser gesagt ungewohnt finden wir, dass man hier in Deutschland die Menschen nicht in verschiedene Kategorien einteilt. Im Irak müssen sich Ärzte zum Beispiel vornehm kleiden und zeigen, dass sie etwas Besseres sind. Aber in Deutschland kann man so etwas zum Teil gar nicht erkennen. Was wir auch sehr komisch finden, sind die lieben Hunde in Deutschland. In Bagdad gibt es nur Hunde, die voller Krankheiten und gefährlich sind. Hunde gelten in Bagdad in der Regel auch nicht als Haustier. Deswegen haben wir Angst vor Hunden!
Zischup: Merken Sie oft, dass Sie Flüchtlinge sind?
Vater Alnaghasch: Also eigentlich nicht. Ja, Sprache und Kultur sind anders und wir verstehen noch nicht alles. Gesundheitlich und an allem, was man zum Leben braucht, fehlt es uns an nichts, und so merken wir nur selten, dass wir Flüchtlinge sind. Wir finden es so lieb, wie man sich um uns kümmert und dass alle so großzügig sind.
Zischup: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Vater Alnaghasch: Wir wollen die Sprache lernen und ich würde gerne arbeiten gehen. Wir wünschen uns, dass uns so etwas wie in Bagdad nie wieder passiert und erhoffen uns für die Zukunft einfach ein sicheres Leben!

*Familie Alnaghash möchte nicht, dass ihre Vornamen in der Zeitung veröffentlich werden oder ein Foto von ihnen erscheint, denn sie haben, obwohl sie eigentlich in Sicherheit sind, immer noch große Angst vor Verfolgung.

Ressort: Schülertexte

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