Christian Ostertag vom SWR-Sinfonieorchester
"Wir sind nur wirklich gut, wenn wir genau zusammen spielen"
Christian Ostertag, 49, ist Konzertmeister im SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Er ist für das Orchester verantwortlich und die rechte Hand des Dirigenten. Zischup-Reporter Vincent Kaltenbach hat ihm zu seinem Beruf ein paar Fragen gestellt.
Vincent Kaltenbach, Klasse 8c & Kepler-Gymnasium Freiburg
Do, 16. Mai 2013, 11:38 Uhr
Schülertexte
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Zischup: Was bedeutet es für Sie, Konzertmeister zu sein und welche Aufgaben haben Sie?
Ostertag: Für mich bedeutet es, ein Orchester, wenn es nötig ist, zu führen. Im Unterschied zum Dirigenten bin ich ja einer, der auch wirklich selber spielen muss.Der Dirigent hat selbst kein Instrument in der Hand. Das heißt, wenn der Dirigent mit seiner Hand eine weiche und künstlerische Bewegung macht, dann kann es sein, dass die Musiker lieber auf mich gucken, denn von mir wissen sie, wenn ich spiele, spiel ich. Der Dirigent ist manchmal sehr frei in seinen Bewegungen. Also, ich muss führen können und das Tempo zeigen. Oder nach einer Pause muss ich zeigen, hey, jetzt geht’s weiter, sonst spielen sie vielleicht voraus oder zu spät, und wir sind nur wirklich gut, wenn wir genau zusammen spielen.
So ist das mit dem Konzertmeister-Sein: führen können, schöne Soli spielen, aber dann auch Ansprechpartner sein für alle. Denn es kann ja immer Schwierigkeiten geben, wenn man sich überlegt, dass wir 100 Leute sind. Das ist wie drei oder vier Schulklassen auf einmal.
Zischup:Was halten sie davon, dass das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden & Freiburg mit dem Stuttgarter Orchester zusammengelegt und nach Stuttgart ziehen soll?
Ostertag: Davon halte ich gar nichts. Das ist wie eine Ohrfeige für uns, denn die Stuttgarter Musiker und das Publikum können das Gefühl haben, ihr Orchester wird gestärkt. Es wird größer, es kann bessere Solisten und Dirigenten bekommen, denn es ist alles in Stuttgart und die Freiburger und wir haben das Gefühl, aufgelöst zu werden. Und deswegen ist das Wort "Fusion" auch überhaupt nicht passend, es handelt sich um eine Auflösung. Das macht uns wütend und traurig zugleich.
Zischup: Gibt es ein Stück, das Sie besonders beeindruckt?
Ostertag: Nein, es ist immer das aktuelle Stück, was gerade dran ist. Wenn ich ein Stück spiele und denke dabei immer an ein anderes Stück, das mich mehr beeindruckt hat, dann würde ich das aktuelle Stück nicht gut spielen. Ich versuche immer in diesem Programm, an diesem Abend das Beste zu machen. Vielleicht denke ich in einer freien Minute (also nicht im Konzert) an ein Lieblingsstück, das mich besonders gefesselt hat, zum Beispiel die Feuervogel-Suite von Strawinsky oder César Francks Symphonie in d-moll.
Zischup: Ist es für Sie nicht langweilig, ein Stück mehrmals zu spielen?
Ostertag: Nein, im Gegenteil. Man versucht ja immer, ein Stück so gut wie möglich zu spielen.Wenn man das Stück gespielt hat, als man 20 Jahre alt war und jetzt 30 Jahre alt ist, hat man zehn Jahre mehr Erfahrung, das heißt man wird das Stück besser spielen. Wenn man älter wird, spielt man das Instrument vielleicht ganz anders und es ist jedes Mal wieder neu. Das geht mir gerade auch so und ich finde das sehr spannend. Wenn ich allerdings in einem Monat 20 Mal die gleiche Sinfonie oder Oper spielen müsste, da stellt sich schon die Frage, ob das nicht langweilig wird.
Zischup: Haben Sie ihren Traumberuf gefunden?
Ostertag: Ja, deswegen bin ich ja auch so traurig, dass uns das kaputt gemacht werden soll. Gut, ich habe auch noch andere Neben-Traumjobs. Ich unterrichte und spiele Solo und Kammermusik, aber ja, Konzertmeister ist mein Traumberuf.
wurde 1963 in Karlsruhe geboren. Nach dem Abitur studierte er Geige an den Musikhochschulen in Würzburg, Essen und in Freiburg. 1990 gewann er den Deutschen Musikwettbewerb. 1993 wurde er Konzertmeister bei den Düsseldorfer Sinfonikern. Daraufhin wechselte er 1996 als Konzertmeister zum SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg
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