Und jetzt in der Ukraine
Es gibt tonnenweise Kinder- und Jugendliteratur zum Thema Krieg / Warum sich gerade dieses Buch heute besonders lohnt .
Mathilda Dendorfer, Klasse 8b, Friedrich-Gymnasium (Freiburg)
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![| Foto: cbj Jugendbuch | Foto: cbj Jugendbuch](https://ais.badische-zeitung.de/piece/0c/a5/84/9d/212173981-w-640.jpg)
Natürlich gibt es noch kein Jugendbuch über den Ukraine-Krieg, der im Februar 2022 begonnen hat, es gibt auch keines über den nicht weniger schrecklichen in Syrien, aber es gibt viele über den Zweiten Weltkrieg. Womöglich ein Anlass zum Wiederentdecken, der dazu dienen kann, die eigenen Vorstellungen von einem Leben im Krieg zu überprüfen.
Eines davon hat Monica Hesse, eine amerikanische Journalistin, geschrieben: "Das Mädchen im blauen Mantel" wurde in der englischen Originalausgabe 2016 mit dem Titel "The Girl in the Blue Coat" veröffentlicht. 2019 wurde die deutsche Ausgabe für den Deutschen Jugendbuchpreis nominiert.
Hauptperson ist die 16-jährige Hanneke, die im Jahr 1943, als die Deutschen Amsterdam besetzt halten, dort lebt. Vor der Zeit der Besetzung ging sie sehr gern zur Schule und verbrachte ihre Freizeit am liebsten mit ihren Freunden. Aber weil Krieg ist, geht das nicht mehr und Hanneke hat dreifache Schuld auf sich geladen: Zum einen hat sie ihren Freund Bas überredet, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden, bei dem er schließlich stirbt. Zum anderen verbringt sie ihre Freizeit wegen des Hungers nun mit Schwarzmarktgeschäften, was illegal ist, und darüber wird sie schließlich auch noch zur Lügnerin, denn ihre Eltern dürfen davon natürlich nichts erfahren.
Vollends durcheinandergewirbelt wird dieses ohnehin schon so anstrengende und von Schuld, Lügen und Angst vor Verrat geprägte Leben aber an dem Tag, als eine Kundin ihr keinen Auftrag zur Lebensmittelbeschaffung erteilt, sondern sie bittet, nach dem verschwundenen jüdischen Mädchen Mirjam zu suchen.
Eine ziemlich schwierige Aufgabe, bei der ihr ihr Freund Ollie, der in einer Widerstandsgruppe ist, hilft und bei der sie allerdings noch viel, viel tiefer in illegale und gefährliche Dinge hineingerät. Die macht Hanneke sicher vor allem deshalb mit, weil sie wegen Bas’ Tod noch immer Schuldgefühle hat und es für sie so eine Möglichkeit zur Buße ist. Man muss die weitere Handlung rund um die Suche Mirjams gar nicht vollständig verraten, aber nur so viel: Hanneke setzt schließlich alles aufs Spiel, um Mirjam zu finden, sogar ihr eigenes Leben. Denn sie weiß: Wenn die Deutschen das jüdische Mädchen finden, ist es deren Todesurteil.
Die Autorin schreibt über diese schreckliche Zeit, das Leid der Menschen und die vielen traurigen Ereignisse in jenen Wochen und Monaten in einer emotionalen und schönen Sprache, die den Leser und die Leserin von Anfang an mitreißt. Auch kann sie sich sehr gut in Hanneke hineinversetzen: Sie trauert um den Freund, muss sich zugleich um die Eltern kümmern, diese aber belügen. Es ist durch den entsetzlichen Krieg einfach alles durcheinander geraten: Dadurch, dass es vermeintlich "gut" (wir) und "böse" (die Besatzer) gibt, verschieben sich alle Werte und die Jugendlichen befinden sich plötzlich und vor allem unfreiwillig auf einem ganz schmalen Grat zwischen "erlaubt" und "nicht erlaubt", zwischen "richtig" und "falsch".
Bestimmt geht es vielen jungen Menschen in der Ukraine und überall dort auf der Welt, wo Krieg ist, heute und auch künftig immer wieder auch so: Sie stehen vor der Frage, was sie für ihre Freiheit riskieren sollen. Das eigene Leben? Wie weit würden Sie gehen, um ihre Familie, ihre Freunde, Nachbarn zu retten? Würden Sie dafür auch andere töten?
Was man in dieser spannenden Geschichte von Hanneke gut lernen kann, ist, dass sich die eigenen Wertvorstellungen durch die Ausnahmesituation Krieg völlig verschieben können. Denn auch wenn man selbst in der ein oder anderen Situation wahrscheinlich anders als Hanneke handeln würde, so kann man sie doch verstehen und nachvollziehen, was ein Krieg mit Kindern und Jugendlichen anstellen kann. Was sie plötzlich machen, obwohl sie es doch gar nicht wollten. Aber sie wollten ja auch keinen Krieg!