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"Mehr Zuversicht gewinnen"

  • Mo, 24. Juni 2024
    APA

     

BZ-Interview mit Katrin Klodt-Bußmann, Chefin der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee.

Die Nähe zur Schweiz beeinflusst die Firmen entlang des Rheins – Luftaufnahme von Basel mit dem Rheinknie. Foto: Erich Meyer
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Die Betriebe im Bezirk der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee stehen aus vielerlei Gründen vor großen Herausforderungen. Doch es gibt auch eine Menge, das für den Standort spricht. Holger Schindler führte ein Gespräch mit der neuen Hauptgeschäftsführerin der Kammer Katrin Klodt-Bußmann.

BZ: Bundesweit lahmt die Konjunktur, während die Wachstumsprognosen im benachbarten Ausland teils etwas besser sind, zum Beispiel auch in der Schweiz. Wie stellt sich in Ihrem IHK-Bezirk die Lage dar?
Katrin Klodt-Bußmann: Die Herausforderungen für die regionale Wirtschaft sind nach wie vor groß. Die Auswirkungen durch den Ukrainekrieg, den Nahostkonflikt und die geplante Klimawende führen zu Kostensteigerungen und Nachfragerückgang. Hinzu kommen eine rückläufige Inlandsnachfrage, gestiegene Arbeitskosten und eine Wirtschaftspolitik, die für wenig Planungssicherheit sorgt. In diesem schwierigen Umfeld müssen die Unternehmen aktuell agieren. Unsere aktuelle Konjunkturumfrage hat ergeben, dass sich die Lage der Unternehmen im Vergleich zum Jahreswechsel eindeutig verschlechtert hat. Nur noch 27 Prozent der Betriebe bewerten ihre momentane Geschäftslage als gut. Zum Jahreswechsel waren es noch 32 Prozent. 18 Prozent bewerten ihre Geschäftslage als schlecht, zuvor waren es 14 Prozent, 55 Prozent bezeichnen ihre Lage als befriedigend.

BZ: Können Sie nicht auch ein wenig von den Impulsen aus dem nahen Nachbarland profitieren?
Klodt-Bußmann: Sicherlich profitiert so mancher Betrieb durch Geschäfte mit Schweizer Unternehmen, dies ändert aber nur wenig an der insgesamt doch recht angespannten Lage.

BZ:
Wie wirkt sich die Nähe zum Wirtschaftsraum Schweiz beim Arbeitsmarkt und beim Thema Fachkräftemangel aus?
Klodt-Bußmann: Über den Fachkräftemangel klagen Unternehmen aus nahezu allen Branchen. In der Region Hochrhein-Bodensee haben 64 Prozent der Unternehmen bei der aktuellen Konjunkturumfrage angegeben, dass die ungelösten Personalprobleme zu den größten Geschäftsrisiken zählen. Trotz wirtschaftlicher Stagnation kann jeder zweite Betrieb hierzulande offene Stellen zumindest teilweise nicht besetzen. Am häufigsten fehlen beruflich Qualifizierte mit einer dualen Ausbildung. Die Grenzlage zur Schweiz verschärft die Lage, da die Schweizer Unternehmen ebenfalls mit einem Fachkräfteproblem zu kämpfen haben, aber deutlich höhere Löhne zahlen können. Die Situation verdeutlicht, wie wichtig es ist, die berufliche Bildung gesellschaftlich aufzuwerten, damit sich mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung entscheiden.

BZ: Sie sind selbst noch recht neu im Amt. Welche Schwerpunkte, Aufgaben und Ziele liegen Ihnen für Ihre Amtszeit besonders am Herzen?
Klodt-Bußmann: Die Zeiten sind aktuell für unsere Mitgliedsunternehmen sehr herausfordernd. Die vielfältigen globalen Krisenherde treffen nicht auf einen stabilen Status quo im Inland, sie treffen uns vielmehr mitten in einem schon für sich schwierigen Transformationsprozess weg von einer analogen, von fossilen Energien getriebenen Wirtschaft hin zu einer digitalen, nachhaltigen und emissionsfreien. Diese doppelte Herausforderung führt zu Verunsicherung und Planungsunsicherheit, mangelnder Zuversicht und schwindendem Vertrauen in die Zukunft. Investitionsbereitschaft und Kreativität der Wirtschaft leiden darunter. Mein Ziel ist es, die Mitgliedsunternehmen dabei zu unterstützen, sich in dieser – wenn man so will – neuen Welt zurechtzufinden, wieder mehr Zuversicht zu gewinnen und vor allem die hierfür erforderlichen Parameter wie etwa Versorgungssicherheit im Energiebereich, Fachkräftethemen, Infrastruktur und Digitalisierung im Sinne der Unternehmen zu stärken und effizient zu vertreten.

BZ: Welche Wünsche haben Sie für den IHK-Bezirk an die Landes- und die Bundesregierung, etwa in Bezug auf Infrastruktur?
Klodt-Bußmann: Ganz oben stehen die Beziehungen zur Schweiz. Durch das Scheitern eines institutionellen Rahmenabkommens hängt nun vieles in der Schwebe, was insbesondere für die Wirtschaft in der Grenzregion eine Herausforderung ist. Es freut uns deswegen sehr, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Weitere Themen, bei denen wir Handlungsbedarf sehen, liegen in den Bereichen Energieversorgung, Versorgungssicherheit, Preisstabilität und den bekannten Herausforderungen des Arbeitsmarkts und des Fachkräftemangels.

BZ: Und wie sieht es mit der allgemeinen Infrastruktur aus?
Klodt-Bußmann: Die über Jahrzehnte vernachlässigte Infrastruktur im Allgemeinen ist nicht zu vergessen. In unserer Region ist das im Besonderen das Straßen- und Schienennetz, das sind Mobilfunk und Breitband – die Region ist unterversorgt und das bremst wirtschaftliche Aktivität aus. Auch bei einem künftigen Wasserstoffpipelinenetz droht die Region abgehängt zu werden.

BZ: In welchen Branchen und Technologien sehen Sie für Ihren Kammerbezirk besonders vielversprechendes Zukunftspotenzial?
Klodt-Bußmann: Die regionale Wirtschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten beachtlich entwickelt. Gerade am Hochrhein hat sie erfolgreich einen großen Strukturwandel überstanden. War es bis weit über die Hälfte des 20. Jahrhunderts die Textilindustrie, die den Takt der Arbeitswelt in der Region bestimmte, haben wir heute einen erfolgreichen und vielfältigen Branchenmix mit Chemie- und Pharmaunternehmen, Maschinenbau, Feinmechanik und Automobilzulieferern sowie einen starken Einzelhandel. Auch die Tourismus- und Gastro-Szene ist bunter geworden.

BZ: Welche Standortfaktoren sprechen daneben besonders für eine positive Zukunft der Region Hochrhein-Bodensee?
Klodt-Bußmann: Das ist sicherlich die Internationalität. Die traditionelle wirtschaftliche Verflechtung mit der Nordschweiz ist das herausragende Merkmal unserer Region. Diese Grenzlage, die manchmal als herausfordernd angesehen wird, bietet wohl die größten Chancen für die Unternehmen in unserer Region. Nicht zu unterschätzen ist unsere Hochschullandschaft. Von Konstanz bis Freiburg, von St. Gallen bis Basel, die Region ist mit herausragenden Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen bestens ausgestattet. In der Kooperation dieser Einrichtungen untereinander und im Wissenschaftstransfer in die Unternehmen liegt ein enormes Potenzial. Erwähnen möchte ich noch die Unternehmen, die sich sehr intensiv mit ihrer Zukunftsfähigkeit auseinandersetzen. Das alles stimmt mich sehr zuversichtlich für die Zukunft unserer Region.

Zur Person: Katrin Klodt-Bußmann (52) ist seit diesem Jahr Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee.

Ressort: APA

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