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Zischup-Interview

"In the middle of nowhere"

Der Arzt Oliver Mohr hat viele Jahre in Asien und Afrika als Entwicklungshelfer gearbeitet. Heute hat er eine eigene Praxis. Das Interview hat seine Tochter Marlene Mohr, Schülerin der Klasse 9b des Kreisgymnasiums Bad Krozingen, geführt.  

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Arzt Oliver Mohr   | Foto: privat
Arzt Oliver Mohr Foto: privat
Zischup: Wie bist du überhaupt dazu gekommen, Entwicklungszusammenarbeit auszuüben?
Oliver Mohr: Anfangs war das gar nicht mein Ziel. Ich habe ja in Berlin Medizin studiert, und es gab eine Zeit in den 90er Jahren, in der es schwierig war, Assistenzarztstellen zu bekommen. So eine Stelle braucht man aber, um seinen Facharzt zu machen. Weil ich darauf gewartet habe, eine Stelle zu bekommen, aber meine Zeit sinnvoll nutzen wollte, habe ich bei verschieden Nicht-Regierungs-Organisationen angerufen und nach einem Job gefragt. Dann hat Rupert Neudeck von Cap Anamur zu mir gesagt: Ja, du ganz jetzt sofort bei uns anfangen, in drei Wochen musst du in Nordkorea sein. Und dieser Einsatz in Nordkorea war dann mein erster Einsatz in der humanitären Hilfe oder Entwicklungszusammenarbeit für einige Monate.
Zischup: Was genau hast du bei den einzelnen Organisationen gemacht?
Mohr: Die Tätigkeiten waren sehr unterschiedlich. In Nordkorea ging es hauptsächlich um Hilfslieferungen für Krankenhäuser. Ich war auch eine Zeit lang an der thailändisch-burmesischen Grenze, wo ich ein Gesundheitsprojekt für Flüchtlinge geleitet habe. Ich war auch für UNICEF in Südafrika, da ging es um Ernährungssicherung im südlichen und östlichen Afrika. Und ich war auf den Philippinen, wo ich ganz konkret als Arzt für die German Doctors gearbeitet habe. Daneben war ich noch in verschiedenen anderen Projekten tätig.

Zischup: Welche Projekte genau hast du da geleitet?
Mohr: Ein Projekt, das ich geleitet habe, war das Gesundheitsprojekt von Malteser International für Flüchtlinge an der thailändisch-burmesischen Grenze. Ich hatte ungefähr 25 Mitarbeiter. Wir haben die Gesundheitsversorgung für circa 30 000 Flüchtlinge, die aus Burma nach Thailand kamen, bereitgestellt.
Zischup: Gibt es Ereignisse, die dich tiefer geprägt haben?
Mohr: Einen starken Eindruck hat sicher Nordkorea bei mir hinterlassen, weil es ein so abgeschottetes Land ist, in dem die Menschen sehr schlecht behandelt werden. Einen weiteren starken Eindruck hat auch das Flüchtlingsprojekt an der thailändisch-burmesischen Grenze bei mir hinterlassen, weil die Flüchtlinge, obwohl sie in einer sehr schlechten Situation waren, ihrem Schicksal mit sehr viel Selbstbewusstsein und Würde begegnet sind.
Zischup: Bist du der Meinung, dass diese Hilfe etwas nützt?
Mohr: Das kommt sehr auf das Projekt an, für das man arbeitet. Ich muss leider sagen, im Nachhinein hat diese Arbeit in Nordkorea nicht viel genutzt. Dort ging es hauptsächlich um Hilfslieferungen, die wir organisiert haben. Ein Teil davon ist wahrscheinlich gar nicht angekommen. Das war problematisch. Bei anderen Projekten, in denen ich gearbeitet habe, haben wir unsere Ziele weitgehend erreicht.

Zischup: Würdest du die Projekte heute anders angehen?
Mohr: Also für so ein Projekt wie in Nordkorea würde ich heute gar nicht mehr arbeiten wollen, denn den humanitären Helfer wurde das Leben dermaßen schwer gemacht, dass man seine Arbeit einfach nicht gut machen konnte. Deswegen war dieses Projekt auch kein gutes Projekt. Das heißt jetzt nicht, dass Cap Anamur eine schlechte Hilfsorganisation ist. Sie macht gute Arbeit, nur dieses Projekt war eben nicht sinnvoll. Alle anderen Projekte würde ich in ähnlicher Form wieder so machen. Die Qualität der Projekte kann sehr unterschiedlich sein. Es ist wichtig, dass es in den Projekten der Entwicklungszusammenarbeit immer um Hilfe zur Selbsthilfe geht. Und wenn erfüllt ist, dass wir den Menschen Möglichkeiten oder Instrumente in die Hand geben, um sich gut selbst helfen können, dann haben wir unser Ziel erreicht. Das kann zum Beispiel eine Ausbildung sein, das kann Zugang zu günstigen Krediten sein oder Zugang zu medizinischer Behandlung. Es gibt viele Möglichkeiten.

Zischup: Wie sah so dein Alltag im Einsatz aus?
Mohr: Das ist auch wieder eine Frage des Projektes. Wenn es zum Beispiel Einsätze sind, in denen es um eine akute Notsituation geht wie bei einem Erdbeben oder einem Tsunami, dann gibt es keinen Alltag. Der Tag besteht nur noch aus Arbeit. Und zum Schlafen kommt man eigentlich auch nicht mehr. Aber wenn es mehr um die Entwicklungszusammenarbeit geht, dann hat man neben der Arbeit noch Freiraum. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass man häufig irgendwo am Ende der Welt ist. Da ist nichts mit schwimmen, kicken, joggen oder im Internet surfen. Das sind alles Sachen, die häufig nicht gehen. Entweder man hat kein Internet oder es gibt wieder Stromausfall oder man ist einfach "in the middle of nowhere". Da gibt es einfach gar nichts, das kann Dschungel sein oder Wüste. Also die Gestaltung der Freizeit ist manchmal etwas schwierig, sodass man am Ende doch nur noch arbeitet oder eben etwas liest.
Zischup: Was genau zieht dich immer wieder zu solchen Projekten?
Mohr:
Mir gefällt diese Arbeit sehr. Es ist eine internationale Arbeit, man begegnet immer wieder neuen, interessanten Menschen. Sie hat mit Medizin, Kultur und sozialen Aspekten zu tun. Man ist immer wieder in einer anderen Situation, in die man sich hineindenken muss. Einfach spannend! Und wenn man in einem guten Projekt arbeitet, kann man mit einfachen Mitteln sehr viel bewirken.

Ressort: Schülertexte

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