"In Afghanistan wird viel gekämpft"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Heiko Maas, dem Außenminister Deutschlands, über die Einsätze deutscher Truppen in Afghanistan.  

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Als Außenminister kommt Heiko Maas viel herum.   | Foto: Kay Nietfeld
Als Außenminister kommt Heiko Maas viel herum. Foto: Kay Nietfeld

Leo Spiekermann aus der 9. Klasse des Walter-Eucken-Gymnasiums hat ein Interview mit Außenminister Heiko Maas geführt. Ihr Gesprächsthema: die Mission deutscher Truppen in Afghanistan. Leo Spiekermann hat bis vor kurzem in Berlin gelebt und kennt die Familie des Außenministers.

Zischup: Was ist die Aufgabe der Bundeswehr in Afghanistan?
Maas: In Afghanistan kümmert sich die Bundeswehr beispielsweise um die Ausbildung des afghanischen Militärs. Sie bauen dort eigene Streitkräfte auf und deutsche Soldaten haben verschiedene Ausbildungsmissionen, die sie dort erfüllen. Aber natürlich sind wir auch für die Sicherheit zuständig. Wir sind ja nicht die Einzigen, die dort stationiert sind, sondern mit den Amerikanern und anderen Ländern in einem Nato-Verbund. Und dort teilen wir uns die Aufgaben so ein bisschen auf und versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Gewalt, die es dort immer noch gibt, immer weniger wird.

Zischup: Wie viele Soldaten der Bundeswehr sind aktuell dort stationiert?
Maas: Zurzeit sind es 1100, aber das Afghanistan-Mandat erlaubt, dass bis zu 1300 Soldaten dort sein werden. Das ist also eine der größten Missionen der Bundeswehr im Ausland, die es im Moment gibt. Und das schon seit 20 Jahren.

Zischup: Waren Sie bereits bei der Bundeswehr in Afghanistan? Und wenn ja, wie oft?
Maas: Ich war mittlerweile dreimal dort. Ich war eigentlich überall, wo deutsche Soldaten stationiert sind. Das war in Masar-e-Sharif, in Kundus und in Kabul, weil ich in Kabul die Regierung und den Präsidenten getroffen habe. Wenn ich in Afghanistan war, habe ich auch immer deutsche Soldatinnen und Soldaten getroffen, die mir dann erzählt haben, was sie dort gerade tun und was ihre Probleme sind. Ich habe dann versucht, innerhalb der Bundesregierung mitzuhelfen, dass das, was man besser machen kann, auch besser gemacht wird. Mitunter sind die Besuche auch traurig. In dem Lager der deutschen Soldatinnen und Soldaten gibt es zum Beispiel einen kleinen Ehrenfriedhof mit den Bildern von denjenigen Soldatinnen und Soldaten, die in den letzten 20 Jahren ums Leben gekommen sind – und das sind leider schon einige.

Zischup: Wie groß ist die Sicherheit unserer Bundeswehr in Afghanistan?
Maas: Im Moment wird in Afghanistan viel gekämpft. Es gibt Anschläge, die die Taliban gegen die afghanische Regierung durchführen. Das heißt, es ist aktuell in Afghanistan sehr gefährlich. Allerdings ist es so, dass die Anschläge, die dort von den Taliban verübt werden, sich nicht gegen ausländische Streitkräfte, nicht gegen amerikanische oder deutsche Soldatinnen und Soldaten, richten. Das heißt, es herrscht dort viel Gewalt mit vielen Toten, aber momentan gibt es keine Anschläge gegen die Bundeswehr dort. Trotzdem muss man dazu sagen, dass es sicherlich ein gefährlicher Einsatz ist. Was man schon daran sieht, dass auch viele deutsche Soldatinnen und Soldaten bereits ums Leben gekommen sind.

Zischup: Die USA möchte bis zum 11. September ihre Truppen aus Afghanistan abziehen. Was bedeutet dies für die dort stationierten Soldaten der Bundeswehr?
Maas: Im Kreise unserer Nato-Partner haben wir Mitte April entschieden, die Mission zu beenden und alle Truppen bis zum 11. September abzuziehen. Das gilt auch für die Bundeswehr, da sie als Teil der Nato-Mission Resolute Support in Afghanistan im Einsatz ist. Gemeinsam arbeiten wir in der Nato zusammen, damit dieser Abzug geordnet umgesetzt wird. Unsere Priorität ist es, dass unsere Soldatinnen und Soldaten zu keinem Zeitpunkt unnötigen Gefahren ausgesetzt werden. Der Abzugszeitraum, den wir nun vereinbart haben, ermöglicht dies.

Zischup: Was bedeutet der Abzug der Truppen für die Friedensverhandlungen zwischen den militant-islamistischen Taliban und der Regierung in Kabul?
Maas:
Grundsätzlich gilt weiterhin: Die Friedensverhandlungen sind Afghanistans größte Chance auf eine nachhaltige Lösung des Konflikts. Deshalb unterstützt Deutschland die afghanischen Friedensverhandlungen, vor allem im Rahmen des so genannten Doha-Prozesses. Dass der Friedensprozess nach jahrzehntelangem Konflikt schmerzhaft und kurvenreich ist, ist dabei nicht verwunderlich. Auch der nun festgelegte Abzugszeitraum wird natürlich eine Wirkung auf die Verhandlungsstrategien beider afghanischer Seiten entfalten. Für uns bedeutet das, dass wir unsere diplomatischen Anstrengungen intensivieren müssen. Zentral für die Friedensverhandlungen bleibt, dass sie von den Afghanen selbst gestaltet werden müssen. Nur so besteht eine reelle Chance, dass die Ergebnisse des Friedensprozesses dann auch wirklich umgesetzt werden.

Zischup: Gibt es damit eine größere Gefahr eines erneuten Krieges durch die Taliban?
Maas:
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer absehbar. Wir wollen unbedingt verhindern, dass Afghanistan in alte Zeiten – Krieg, Chaos und Leid – zurückfällt. Deshalb sind die Friedensverhandlungen so wichtig. Wichtig ist auch: Wir beenden zwar unseren militärischen Einsatz, aber damit endet nicht unsere Unterstützung für Afghanistan. Wir werden die afghanischen Streitkräfte weiterhin unterstützen, vor allem aber setzen wir unsere Aufbauarbeit im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe fort. Deutschland ist der zweitgrößte bilaterale Geldgeber für Afghanistan. Dies hängt natürlich auch davon ab, wie sich die Sicherheitslage im Land entwickelt. Auch den Taliban ist bewusst, dass Afghanistan auf absehbare Zeit auf internationale Unterstützung angewiesen ist.

Zischup: Ist die Gefahr eines neuen Weltkriegs aktuell größer als vor einigen Jahren?
Maas: Ich glaube, dass es aktuell keine ernste Gefahr gibt, dass ein Krieg ausbricht, der die ganze Welt erfassen würde. Ich glaube, die eigentliche Gefahr besteht darin – da spricht man von sogenannter nicht-staatlicher Gewalt –, dass Terrorgruppen Anschläge durchführen. In der Vergangenheit haben Terrorgruppen auch immer wieder Terroranschläge in Europa verübt, Organisationen wie al-Qaida zum Beispiel oder der Islamische Staat. Das ist eine Gefahr, die es gibt. Deshalb ist es auch wichtig, den Terrorismus auf der ganzen Welt zu bekämpfen. Und auch wir müssen unseren Beitrag dazu leisten. Aber ich glaube, dass es im Moment keine akute Kriegsgefahr gibt. Die Möglichkeit, zum Ziel terroristischer Anschläge zu werden, besteht aber weiterhin.

Heiko Maas (54) ist in Saarlouis im Saarland geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität des Saarlands. Seit 2018 ist er Bundesminister des Auswärtigen im Kabinett Merkel.


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