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"Es beschäftigt mich noch oft"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Gerhard Schweiger, der während eines Luftangriffs auf Freiburg 1944 zwei Geschwister verloren hat.  

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„Operation Tigerfish“ war der militärische Codename für den Luftangriff auf Freiburg im Jahr 1944. Danach glich die Stadt einem Trümmerfeld. Foto: Stadtarchiv/privat

In der Nacht, als auf Freiburg Bomben fielen, war Gerhard Schweiger noch ein Kind. In einem Interview, das Jule Fischer, Gerhard Schweigers Enkelin, und Dora Winski aus der Klasse 8a der Theodor-Frank-Realschule in Teningen, mit ihm führten, erzählt der heute 79-Jährige von der Bombennacht 1944. Das war kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals wurden große Teile Freiburgs zerstört.

Zischup: Was haben Sie als Kind vom Krieg mitbekommen?
Schweiger: Wir waren jung. Der Krieg war für uns eigentlich kein Problem. Als die Flieger geflogen sind, sind wir raus auf den Balkon und haben sie beobachtet, dann hat man uns gesagt, wir sollen rein, weil sie auf die Leute geschossen haben. Manchmal sind wir auch zum Güterbahnhof gegangen und sind in die abgeschossenen Flugzeuge hineingeklettert. Dort haben wir Lämpchen ausgebaut und solche Sachen.Wir sind in den Kindergarten gegangen, eigentlich alles ganz normal.

Zischup: Was ist in der Nacht zum 28. November passiert?
Schweiger: In dieser Nacht ist Freiburg ausgebombt worden. Alle aus unserem Haus sind in den Keller geflüchtet. Ich, meine drei Brüder, meine Schwester und meine Mutter sind in unseren Keller, jeder war in seinem eigenen Keller. Nur unser Keller hatte einen Durchbruch, durch den man flüchten konnte. Da der Strom ausgefallen war, haben wahrscheinlich die anderen Hausbewohner diesen nicht mehr gefunden. Alle sind verbrannt, außer meiner Mutter, mir und zwei meiner Brüder. In dieser Nacht habe ich meinen kleinen Bruder Hans und meine Schwester Gisela verloren. Nachdem wir durch den Durchbruch geflüchtet sind, mussten wir durch eine Druckerei, dort ist Phosphor von der Decke getropft. Meinem Bruder Klaus und mir ist es auf den Kopf getropft. Meinem anderen Bruder ist der Kiefer gebrochen, da ihm ein Balken auf den Kiefer gefallen ist. Und meiner Mutter ist einer auf den Kopf gefallen. Dann sind wir in Unterwäsche und ohne Schuhe die Friedrichstraße hoch geflüchtet, über den Schlossberg nach St. Ottilien, dort habe ich von einem Soldaten seine Jacke bekommen. In dieser Nacht haben wir auf dem Boden in einer Wirtschaft geschlafen.

Zischup: Und wo sind Sie danach untergekommen?
Schweiger: Danach sind wir zu meiner Tante auf den Bauernhof nach Bad Peterstal geflüchtet, dort sind wir eine Weile untergekommen. Von dort gingen wir nach Lierbach, dort kam mein Vater her. Da sind wir geblieben, bis wir in Freiburg zwangseingewiesen wurden, wir kamen in einer Villa, in der uns eine Frau zwei Zimmer geben musste, unter. Bad, Küche, Toilette mussten wir uns teilen.

Zischup: Wurden die Opfer von Ihrem Haus geborgen?
Schweiger: Nein keiner, mein Vater hat extra Sonderurlaub bekommen, um meine Geschwister zu bergen, beim Bergen hat er nur ein Stück Stoff von dem Kleid meiner Schwester und ein paar Knochen gefunden. Alle von unserem Haus sind verbrannt.

Zischup: Mussten Verwandte von Ihnen in den Krieg ziehen?
Schweiger: Ja, mein Vater war Oberstabsarzt bei der Wehrmacht. Meine Onkels waren alle im Krieg, ein Onkel durfte heim. Nur nach dem Krieg musste er noch ein Mienenfeld räumen, und dort ist er in die Luft gesprengt worden.

Zischup: Können Sie durch Ihre Flucht die Flüchtlinge besser verstehen?
Schweiger: Nein, kann ich nicht, die Flüchtlinge heute haben viele Vorteile. Wir hatten damals nichts. Ich verstehe sowieso nicht, warum wir Menschen immer noch Kriege führen müssen. Wir sind so intelligent und müssten so langsam mal begreifen, dass Krieg nichts bringt.

Zischup: Wie ging es Ihnen in der Zeit danach?
Schweiger: Wir sind mit dem Minimalen ausgekommen. Meine Mutter hat praktisch nur für uns Kinder gelebt. Sie hat gearbeitet und gehandelt, also zum Beispiel Kleider gegen Essen getauscht. Meine Oma in Königschaffhausen hatte Landwirtschaft, und von ihr haben wir zum Glück auch etwas bekommen, wie Brot und Butter. Nach dieser Zeit ist es uns wieder gutgegangen, da wir dann auch noch von einer Tante Unterstützung bekommen haben.

Zischup: Haben Sie noch Albträume von diesem Erlebnis?
Schweiger: Es beschäftigt mich noch oft, aber es sind keine Albträume. Man denkt einfach darüber nach.

Zischup: Es gibt bestimmt auch schöne Situationen an die Sie sich gerne zurückerinnern. Was waren das für Situationen?
Schweiger: In Peterstal war es eine schöne Zeit, denn dort waren auch andere Kinder. Mit ihnen zusammen sind wir in den Wald, haben Holz abgeholzt und sind Schlitten gefahren.In der Villa war es auch eine sehr schöne Zeit, die Frau der die Villa gehörte, war schon in Indien und In Afrika. Sie hatte viele Bücher und einen großen Garten mit vielen verschiedenen Bäumen. Im Garten durften wir auch helfen, und das hat mir viel Spaß gemacht.

Zischup: Was ist danach noch passiert?
Schweiger: Meine Mutter hatte Beziehungen, und immer, wenn ein Schwein schwarzgeschlachtet wurde, haben wir ein bisschen was abbekommen. Wenn die Polizei gekommen ist, mussten wir es verstecken, da die alles durchsucht haben. Mein Bruder Ernst und ich haben das Fleisch dann aus dem Fenster geschmissen und danach im Keller versteckt. Am nächsten Tag ist der Richter gekommen und wollte mit uns essen. Für die Leute vom Stadttheater und vom Gericht hat meine Mutter dann immer gekocht.

Gerhard Schweiger, (79), ist heute glücklicher Rentner, Ehemann, Vater und Opa.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 27. April 2018: PDF-Version herunterladen

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