Zeitzeugen-Interview
Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg: Von dem Glück, überlebt zu haben
Der 83-jährige Mannheimer Kurt Bernion erinnert sich noch gut an den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit, an Tieffliegerangriffe und Betteltouren. Im Interview erzählt er seinem Enkel davon.
Marlon Bernion, Klasse 8b, Kolleg St. Sebastian (Stegen)
Do, 28. Apr 2022, 16:23 Uhr
Schülertexte
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
"Ich habe meine Kindheit praktisch im Keller verbracht", sagt mein Opa Kurt Bernion (83) während eines Besuchs bei ihm, in Plankstadt bei Mannheim, in seinem Wohnzimmer. Er sitzt auf einem alten Sofa, beugt sich vor und erzählt davon, was er alles in seiner Kindheit während des Zweiten Weltkriegs erlebt hat. "Als der Krieg 1939 angefangen hat, war ich ein Jahr alt." Noch geschwächt vom Ersten Weltkrieg erhofft sich Deutschland jemanden, der Ordnung in das Land bringt. So kommt Adolf Hitler leicht an die Macht. Er setzt schnell seine Ideen durch, und wer nicht seiner Meinung ist, wird verfolgt und bestraft. Vor allem aber werden Juden verfolgt, Leute die ihnen helfen, Behinderte und Homosexuelle.
Am 1. September 1939 überfällt die Deutsche Wehrmacht Polen. Somit startet der Zweite Weltkrieg. Deutschland greift weitere Länder an und breitet seine Eroberungen aus. Doch andere Länder schließen sich zusammen, um gemeinsam gegen Deutschland zu kämpfen. Sie können die Deutsche Wehrmacht zurückdrängen und die Angriffe verstärken sich auf Deutschland. So auch in Mannheim.
"Wir haben sogar im Keller geschlafen und zeitweise auch im Bunker, zum Schutz vor den Angriffen der Amerikaner", erzählt Kurt Bernion. "Der Bunker war in der Nähe unserer Wohnung in Mannheim-Friedrichsfeld." Es gibt insgesamt über 150 Luftangriffe auf Mannheim. Den größten Luftangriff erlebt Mannheim in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943. Über 554 Bomber, 100 Luftminen, 2000 Sprengbomben, 200 000 Stabbrandbomben und 30 000 Phosphorbomben verwandeln Mannheim in ein Ruinenfeld.
Schon als Deutschland so gut wie besiegt ist, lässt man Juden noch umbringen. Erst mit dem Einmarschieren der Truppen aus anderen Ländern kann das gestoppt werden. "Es war wie eine Befreiung, als der Krieg vorbei gewesen ist und die Amerikaner einmarschiert sind", sagt Kurt Bernion. Der Krieg ist vorbei, doch das Elend nicht. Überall herrschen Zerstörung und Tod. Mannheim wird fast vollständig zerstört. Friedrichsfeld bleibt größtenteils verschont. "Damals konnten wir auch nicht in die Schule, weil sie von den Amerikanern besetzt wurde." Alle jüngeren Kinder können während des Krieges nicht in die Schule gehen.
Kurt Bernion muss nach dem Zweiten Weltkrieg sofort in die zweite Klasse und kann nicht die erste Klasse besuchen. "Viel Essen hat es nicht gegeben. Man musste sich das Nötigste zusammenbetteln." Nach dem Krieg herrscht erst einmal Chaos. Viele Leute haben keine Unterkunft, es gibt fast kein Essen und die Infrastruktur ist zerstört. Viele bauen, wenn sie noch einen Garten haben, Gemüse an. Aber die meisten müssen betteln.
"Ich wurde oft mitgenommen zum Bauern. Mein Opa hat dann immer zum Bauern gesagt, ob er nicht ein paar Kartoffeln für den kleinen Bub hätte. Mir war das unangenehm, doch es war wichtig." Bei Bauernhöfen wird alles Wertvolle wie Teppiche, Uhren, Mäntel und Schmuck gegen Essen eingetauscht. "Nachts bin ich oft mit meiner Mama zum Bahnhof gegangen, wenn ein Güterzug im Bahnhof stand. Wir und andere Leute haben ihn dann geplündert. Das war sehr gefährlich, denn der Zug wurde gut bewacht und manche verloren dabei ihr Leben, aber man war verzweifelt und hat alles probiert, um irgendwie zu überleben. Ich weiß noch, wie die Kugeln durch die Luft pfiffen. Man konnte halt nicht einfach in den Supermarkt gehen und alles kaufen, was man wollte."
"Jetzt mit dem Krieg in der Ukraine kommt alles wieder hoch" sagt Kurt Bernion. "Krieg ist etwas Schlimmes. Das sollte niemand erleben. Doch ich kann mich glücklich schätzen, so eine schwere Zeit überlebt zu haben."
Kommentare
Kommentarbereich ist geschlossen.