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"Eine Bürotätigkeit war nicht so interessant"

ZISCHUP-INTERVIEW mit Michael Völkel, dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg über alltägliche Konflikte, neue Medien und undichte Fenster.  

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Michael Völkel Foto: Michael Bamberger

Wir sind Schüler der Vorklasse zur Hauptschulabschlussklasse im Freiburger Gefängnis. Wir sind alle erwachsene Männer zwischen 31 und 38 Jahre alt. Die meisten von uns sind nicht in Deutschland aufgewachsen, und für uns alle ist Deutsch nicht die Muttersprache. Unser Anstaltsleiter Michael Völkel hat unsere Einladung angenommen und kam für dies Interview zu uns in den Unterricht.

Zischup: Herr Völkel, was genau sind Ihre Aufgaben als Chef des Freiburger Gefängnisses?
Völkel: Zuerst bin ich für das Personal verantwortlich, dafür, dass alle möglichst zufrieden sind. Dann muss ich die Vorgaben des Ministeriums umsetzen. Ich kümmere mich um Anfragen und Beschwerden der Gefangenen. Für den ehrenamtlichen Beirat bin ich regelmäßiger Ansprechpartner, ebenso für die Insassenvertretung.

Zischup:
Wann müssen Sie was mit Ihrem Chef absprechen?
Völkel: Einmal im Monat oder auch einmal pro Woche treffe ich mich mit Leuten aus dem Ministerium. Wenn alles gut läuft, ist nicht so viel Kontakt nötig.
Zischup: Haben Sie einen Vertreter?
Völkel: Ja, Herrn Maurerhellstern und Herrn Ruder.

Zischup:
Überlegen Sie auch manchmal noch draußen, wie Sie Probleme hier drinnen lösen können?
Völkel: Ja, klar, oft kommen mir gute Ideen gerade beim Fahrradfahren.
Zischup: Manche ausländische Gefangene haben hier besonders viele Probleme, zum Beispiel mit dem Arzt oder mit den Psychologen. Woran genau liegt das Ihrer Meinung nach?
Völkel: Zunächst ist natürlich oftmals die Sprache ein Problem, aber auch die Unterschiedlichkeit der Kulturen. Wenn es Probleme mit dem Arzt gibt, da kann ich nichts machen, ich bin ja nicht dafür ausgebildet. Aber zu Ende des Jahres haben wir einen zweiten Arzt beantragt, es gibt viel Arbeit für den ärztlichen Dienst.
Zischup: Was hat Sie bewegt, als Jurist ins Gefängnis zu gehen?
Völkel: Ich bin zuerst in Hamburg in der Verwaltung und im Ministerium tätig gewesen. Aber so eine reine Bürotätigkeit war nicht so interessant für mich. Hier habe ich mit Menschen zu tun, die Arbeit ist sehr vielseitig, interessant und spannend.

Zischup: Hier im Gefängnis sind viele sehr unterschiedliche und auch schwierige Menschen auf engem Raum. Wie gelingt es, dass es möglichst friedlich bleibt?
"Friedliches Miteinander

geht nur mit den Insassen"

Völkel: Natürlich haben die Beamten Ausbildung in Deeskalation, so dass manche Streitigkeit gut aufgelöst werden kann. Aber häufig ist auch hier die Sprache ein Problem. Viele Konflikte lassen sich auch im Gespräch der Gefangenen untereinander lösen und manchmal – und das hat nichts mit Verpfeifen zu tun – ist es auch gut, wenn man einen kleinen Hinweis von Mitgefangenen bekommt, und kann dann rechtzeitig schlichten, bevor größere Probleme entstehen. Friedliches Miteinander geht immer nur mit den Insassen gemeinsam.

Zischup: Früher konnten Freunde oder die Familie Geld überweisen, mit dem konnten wir Gefangenen dann ein Radio kaufen. Warum geht das nicht mehr?
Völkel: Was genau beim Radio zu diesem Verbot geführt hat, weiß ich nicht, aber es wird auch versucht, von Seiten des Ministeriums möglichst einheitliche Vorschriften für alle Gefängnisse anzuwenden. Grundsätzlich stellt natürlich auch jeder Warenverkehr ein Sicherheitsproblem dar und ist immer mit einem großen Überwachungsaufwand verbunden. Je mehr Dinge rein kommen, desto mehr Geschäfte können auch hier drinnen mit den Dingen gemacht werden.

Zischup: Was halten Sie von der Idee, Schulbücher und andere Bücher über E-Book-Reader den Gefangenen zur Verfügung zu stellen? Damit wäre das Problem der Ausleihe und der Verbleib von vielen Büchern auf der Zelle gelöst.
Völkel: Das ist keine schlechte Idee, ist natürlich auch eine Geldfrage. Aber ein Kollege von hier wird in Kürze zu einer Tagung über moderne Medien gehen. Der könnte das als Anfrage ans Ministerium mitnehmen.

Zischup: Ich habe im Fernsehen gesehen, dass es in der JVA-München einen Kurs für Hilfe zur Existenzgründung für nach der Entlassung gibt. Könnten Sie sich das auch hier für uns vorstellen?
Völkel: Ja, ich habe das auch gesehen. Das ist eine gute Idee. Ich glaube auch, dass Ihre Schulleiterin Frau Meng sich da kundig gemacht hat und schon am Thema dran ist.

Zischup: Warum dürfen wir keinen Kaffeekocher auf der Zelle haben?
Völkel: Dann ist es noch voller in den Zellen, die Hitze, die da entsteht, ist sicher auch ein Sicherheitsrisiko, das ist so eine für alle gültige Vorschrift.

Zischup: Ich hätte da noch eine Frage: Ich bin im Bereich III/3 untergebracht, wo es für uns Gefangene bestimmte Lockerungen gibt. Warum haben die Fenster dort aber Fliegengitter, durch die die Luftzirkulation erheblich beeinträchtigt ist? Außerdem sind die Dichtungen der Fenster so schlecht, dass an der Wetterseite bei Wind und Regen viel Nässe in die Zellen dringt.
Völkel: Bei Ihnen auf III/3 sind die Fenster alle renoviert worden, und zwar, nachdem es vom Ministerium diese Vorschrift mit den Fliegenfenstern gab, die jetzt nach und nach mit allen neuen Fenstern zusammen angebracht werden. Das ist auch eine Sicherheitsfrage, um das Pendeln und Irritationen durch andere neuartige Flugkörper zu verhindern. Zur Sache mit den Fensterdichtungen: Ich weiß, dass es durch die Insassenvertretung eine Befragung zur Fensterdichte gab, aber von III/3 ist da meiner Ansicht nach nichts gekommen. Ich nehme Ihren Hinweis mit und werde dem nachgehen.*


Zischup:
Ich hätte da noch eine Frage: Besonders aggressive oder schwierige Gefangene kommen ja in einer besonderen Abteilung unter Verschluss und bekommen auch keinen Fernseher auf ihre Zelle. Ich bin auch schon in anderen Gefängnissen gewesen. In Bielefeld gab es da in solchen Zellen ein Fernsehgerät, das hing ganz oben an der Decke dieser hohen Räume und war durch ein Gitter gesichert. So konnte der dort Einsitzende wenigstens ein bisschen fernsehen und sich ablenken.
Völkel: Um die Gefangenen in der schweren Absonderung vor ihrer eigenen Zerstörungswut zu schützen, wird ja dort die Ausstattung sehr karg gehalten, aber was Sie sagen, ist eine interessante Idee, die nehme ich auch mit.

Zischup: Ich habe unten in der Kammer bei meinen Sachen eigenes Shampoo, das würde ich gerne wieder benutzen. Ich wäre auch bereit, es unter den Augen der Beamten in ein anderes Gefäß umzuschütten, damit sie sehen, dass ich da nichts Verbotenes drin habe, aber es wird mir nicht erlaubt.
Völkel: Das Problem ist das der Gleichheit, wenn es Ihnen erlaubt wird, muss das auch jeder Andere dürfen und das ist dann auch ein Zeitproblem, wir sind oft sehr dünn besetzt und das wäre ein zusätzlicher Zeitaufwand. Aber ich kann Ihren Wunsch verstehen.

*Herr Völkel teilte der Klasse zwischenzeitlich mit, dass es wegen der Fenster einen Aushang gegeben hat und alle gemeldeten Fenster abgedichtet wurden, von III/3 aber keine Meldungen über undichte Fenster eingegangen waren.

Michael Völkel (48) hat in Freiburg Jura studiert. Bevor er Gefängnisleiter wurde, war er bei der Hamburger Verwaltung.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 27. April 2018: PDF-Version herunterladen

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