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Tourismus

Das filmreife Leben des Schluchsee-Hoteliers Helmut Schweimler

David Pister
  • So, 06. Oktober 2024, 13:37 Uhr
    Gastronomie

     

Nach 50 Jahren übergibt Helmut Schweimler das Hotel Vier Jahreszeiten am Schluchsee. Er hat ein aufregendes Leben und knüpft ständig Kontakte, die er zu nutzen weiß. Ein Rundgang durch das Hotel.

Mehr als 200 Zimmer, 450 Betten &#8211...n: das Vier Jahreszeiten am Schluchsee  | Foto: Hotel Vier Jahreszeiten
Mehr als 200 Zimmer, 450 Betten – und überall verglaste Kuppeln: das Vier Jahreszeiten am Schluchsee Foto: Hotel Vier Jahreszeiten

Helmut Schweimler streichelt die Wände des Hotels Vier Jahreszeiten am Schluchsee. Seines Hotels. Sanft berührt er die Holzvertäfelung im Vorbeigehen mit seinen Fingernägeln. Vor 50 Jahren plante und baute er das Hotel zusammen mit seinem Geschäftspartner. Ende dieses Jahres wird er die Geschäftsführung endgültig abgeben und aussteigen.

Wo vor 50 Jahren noch Kühe grasten, schmiegt sich heute ein Hotel in den Berg. Nadelbäume rahmen die zwei Hauptgebäude mit insgesamt mehr als 200 Zimmern und 450 Betten ein. Balkone, Fensterfronten, ein Schwimmbad. Und überall verglaste Kuppeln. Ein Teil des Hotels ist unterirdisch. Wenn es regnet, wird man auf dem Weg vom türkischen Dampfbad über den Speisesaal zum Tenniscourt nicht nass. Der Gang ist mit Teppichboden ausgelegt. Aus Lautsprechern an der Decke dudelt Klaviermusik: "Vois sur ton chemin" oder "Take Five". Schweimler zeigt auf die Wände. "Links und rechts von uns befindet sich nur Stein", sagt er. 51.000 Kubikmeter Gestein wurden während der Bauarbeiten weggesprengt und in 17.000 Lkw-Ladungen weggekarrt.

Das Hotel setzte von Beginn an auf junge Familien mit Kindern

Wenn der 81-jährige Schweimler durch das Hotel am Schluchsee schlendert, hat er über jede Ecke und jeden Winkel eine Anekdote parat: Hier wurde das dunkle Holz weggerissen, dort das Restaurant vergrößert, an jener Stelle stand der Bagger. Da, wo heute das urige Restaurant Kachelofen ist, war früher mal ein Supermarkt. Das Hotel Vier Jahreszeiten setzte von Beginn an auf junge Familien mit Kindern. Das heißt: Kinderbetreuung, Animateure und Küchen in rund 100 Zimmern inklusive eines hoteleigenen Supermarkts. Der Gedanke dahinter: Die jungen Familien sollten nicht immer ins kostspielige Restaurant gehen müssen. "Das wurde nicht so gut angenommen. Außer ein paar Bonbons und Zeitungen haben die Familien eher wenig zum Kochen gekauft. Alle wollten immer ins Restaurant", sagt Schweimler.

In Schweimlers Hotel kein Problem. In anderen Ferienhotels seien zu dieser Zeit Kinder unter zehn Jahren manchmal sogar gänzlich unerwünscht gewesen. Aber: "Es sind die Kinder, die entscheiden, wo die Eltern im nächsten Jahr Urlaub machen", sagt der Hotelier. Im Vier Jahreszeiten hat das geklappt - generationenübergreifend. Die Kinder, die vor 40 Jahren mit ihren Eltern oder Großeltern am Schluchsee waren, kommen jetzt wiederum mit ihren Kindern.

Helmut Schweimler vor dem Hotel Vier Jahreszeiten am Schluchsee  | Foto: David Pister
Helmut Schweimler vor dem Hotel Vier Jahreszeiten am Schluchsee Foto: David Pister

Helmut Schweimler ist in einem kleinen Dorf in der Nähe von Braunschweig als das jüngste von zehn Kindern aufgewachsen. Sein Leben: filmreif. Mitunter zu unrealistisch, zu viele Wendungen, würde ein Kritiker sagen, wäre Schweimlers Leben tatsächlich ein Film. Er baut Hotels in Ägypten und auf Fuerteventura, als dort noch gar keine Anlagen standen. "Da gab's da unten noch kein Telefon. Das lief alles über Funk." Schweimler ist zudem Honorarkonsul in Stuttgart für den afrikanischen Inselstaat Kap Verde. Er baut ein Fotostudio auf den Kanarischen Inseln. Wenn Schweimler erzählt, dann assoziiert er, springt von einer Anekdote zur nächsten: Willy Brandt, Formel 1, Flugzeugträger.

In Schweimlers Leben ging es immer um Beziehungen. Darum, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Vielleicht half ihm der Beruf seines Vaters, der ein versierter Brückenbauer war und deswegen sogar 1940 von der Wehrmacht freigestellt wurde. Schweimler baut auch Brücken. Nicht aus Stahl und Beton, sondern von einem Menschen zum anderen. Von der Wirtschaft zur Politik, zum Sport, zur Kultur. "Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat" – dieser Spruch sei sein Lebensmotto.

Schweimler nutzt seine Beziehungen, um prominente Gäste in sein Hotel zu holen

Die Beziehung nutzt er, um prominente Gäste in sein Hotel zu holen. 1982 lockt er die deutsche Fußballnationalmannschaft an den Schluchsee. Nur ein Jahr später stand dann der FC Bayern München auf seiner Matte. Auch Fenerbahçe Istanbul checkte unter Trainer Joachim Löw im Hotel Vier Jahreszeiten ein, genau wie "die gesamte deutsche Elite des Reitens". Boris Becker, Steffi Graf, Roberto Blanco, Klaus Kinski: Es wirkt, als könne man den Namen eines beliebigen Prominenten sagen und sich sicher sein, die Person hat schon einmal am Schluchsee in Schweimlers Hotel residiert.

Zurück im Speisesaal. Über dem Salatbuffet thronen die Berner Alpen: Eiger, Möch, Jungfrau aus einem Stein gehauen und mit vielen Tausenden feinen Schliffen schraffiert. Es wirkt dreidimensional, als könne man ins Tal schauen. Auch das Matterhorn ist da. Es ragt über der gebratenen Forelle, den Petersilienkartoffeln und den Maultaschen heraus. Aber warum überhaupt? 40 Prozent der Gäste seien Schweizer, sagt Schweimler. Vor allem Schweizer Firmen kämen, um im Hotel Tagungen anzubieten. Nicht zuletzt wegen der Nähe und den niedrigeren Preisen. "Die Schweizer kommen oft mit einer gewissen Zurückhaltung zu uns. Da müssen wir Achtung beweisen. Und wenn wir als Deutsche mit den Schweizer Bergen kokettieren, freut sie das", verrät Schweimler.

Der Hotelier sucht schon länger nach einem geeigneten Nachfolger

Der Hotelier sucht schon länger nach einem geeigneten Nachfolger. Anonyme Aktiengesellschaften hätten angeklopft, aber Schweimler lehnte ab, obwohl es finanziell attraktiver gewesen sei. "Das Haus hat eine gewisse Seele. Wenn ich einmal aussteige, sollte es den familiären Charakter beibehalten", sagt Schweimler. Seit Mitte des Jahres 2024 hat Otto Lindner die Geschäftsführung neben Diane Hergarden, die das Unternehmen bereits seit 40 Jahren begleitet, übernommen. Bis Ende des Jahres wird Schweimler den beiden noch zur Seite stehen.

Wird es einem wie Schweimler dann nicht langweilig? Besonders viel Freizeit wird der 81-Jährige auch in Zukunft nicht haben. Als Gesellschafter ist er an zwei anderen Hotels beteiligt und bleibt Honorarkonsul der Republik Kap Verde. Außerdem ist Schweimler mit 70 Jahren zum ersten Mal Vater geworden. "Das ist schon ungewöhnlich", sagt Schweimler. Mit seiner Familie will Schweimler künftig mehr Zeit verbringen. Und er überlegt schon länger, seine Memoiren zu schreiben. Vieles, was er seinen Kindern erzählen will – über die letzten Jahre des Krieges und seinen Vater –, könnten sie heute noch nicht richtig einordnen.

Ressort: Gastronomie

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