BZ-Interview

Tannkircher braut Bier im Weingebiet Markgräflerland

Mitten im Weingebiet Markgräflerland hat Thomas Hein eine Brauerei gegründet. Wie er an den Gärtank kam und was sein Craft-Bier von dem anderer Brauer unterscheidet, erläutert er im Interview.  

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Thomas Hein in seiner Brauerei in Kandern  | Foto: Dominik Bloedner
Thomas Hein in seiner Brauerei in Kandern Foto: Dominik Bloedner
Sanfte Hügel, blauer Himmel, Obstbäume und Reben am Wegesrand. Deutsche Toskana nennen viele das Markgräflerland. Tannenkirch, ein Ortsteil von Kandern, ist eines dieser pittoresken Dörfer. In der Ortsmitte steht ein knapp 200 Jahre altes, liebevoll renoviertes Bauernhaus, auf dem Hof ein alter Deutz-Traktor, zwei Kutschen, Heuballen, und hinter einer Holzabsperrung scharren zwei stattliche Pferde, ein Shire-Horse und ein Clydersdale, mit den Hufen. Ein betagter Irish Setter stromert über den Hof. Dass sich in der Scheune eine moderne Brauerei befindet, vermutet man nicht. Thomas Hein hat sich hier einen lange gehegten Traum erfüllt und in diesen Tagen den ersten Sud für das Markgräfler Brauwerk gebraut. Dominik Bloedner hat ihn besucht.

BZ: Herr Hein, Sie trauen sich aber etwas. In einer Weingegend mit dem Bierbrauen anzufangen...
Hein: Wenn ich meinte, Winzer werden zu müssen, dann würde ich mich etwas trauen. Denn hier gibt es sehr viele und sehr gute. Das Brauen aber traue ich mir zu. Das Markgräflerland ist eine Genussregion, gutes Bier passt hervorragend.

BZ: Alle Craft-Bierbrauer haben doch einen Hipster-Vollbart, Tätowierungen und eine Base-Cap, so jedenfalls das Vorurteil. Oder wollen Sie gar nicht auf dieser Welle mitschwimmen?
Hein: Der Schnurrbart reicht, ein Vollbart würde mir eh’ nicht stehen (lacht). Was mich jedoch mit dieser Generation an jungen Bierbrauern verbindet, ist die Neugierde, die Lust am Ausprobieren. Und natürlich die Tatsache, dass hier handwerklich gebraut wird.

Thomas Hein öffnet die Türe zum Lager, dort stapeln sich Säcke mit Malz, daneben steht die Schrotmühle. Das geschrotete Malz kommt in die Maischepfanne in der Mitte des angenehm kühlen Raumes, hier beginnt der eigentliche Brauprozess. Die Edelstahltanks blitzen, im Kühlschrank ist der Hopfen aus Tettnang und der Hallertau sowie die neue Sorte "Fantasia", die einen Geschmack nach Aprikosen hervorrufen soll. Der erste Sud ist gebraut, das Bier gärt momentan in einem der sechs, je 20 Hektoliter fassenden Gärtank. Mitte August soll die erste Flasche abgefüllt werden, im September dann das Markgräfler Brauwerk starten. Hein hat knapp eine Viertelmillion Euro investiert und will pro Jahr 1000 Hektoliter brauen.

BZ: Welche Sorten wird es geben?
Hein: Ein malziges Märzen, ein Lagerbier, ein obergäriges Red Ale und, wenn es klappt, ein dunkles Barley Wine – ein lange gelagertes Ale mit hohem Stammwürze- und Alkoholgehalt.

BZ: Also kein hopfenbetontes India Pale Ale?
Hein: Nein, und auch da unterscheide ich mich wohl von den Hipstern. Zum einen schmeckt mir das IPA nicht, zum anderen muss man ja nicht alles mitmachen. Früher gaben die Engländer viel Hopfen zum Bier, damit es den langen Weg nach Indien über hielt, daher der Name. Die Craft-Bier-Brauer in den USA wollten sich vom Einheitsbier absetzen und machten ihr IPA durch die Zugabe von sehr viel Hopfen bitter – manchmal bis hin zur Untrinkbarkeit. Ich will harmonische Biere.

BZ: Und das Reinheitsgebot, das in der Szene ja hinterfragt wird?
Hein: Hinter dem stehe ich. Es ist faszinierend, was man mit den vier Zutaten – Wasser, Hopfen, Malz und Hefe – alles machen kann. Muss man aber Kaffee, Kakao oder Honig zum Bier hinzugeben? Ich glaube nicht.

BZ: Dürfen Sie das eigentlich? Schließlich sind Sie Ingenieur und kein gelernter Brauer.
Hein: In Deutschland braucht man den Braumeister nicht mehr, und ich habe mir sehr viel selber beigebracht. Zudem werde ich von Jan Czerny von der Basler Brauerei Unser Bier bestens unterstützt.

BZ: Wie kamen Sie zum Bier?
Hein: Ich wollte das schon immer machen. Vor ein paar Jahren waren wir im Kollegenkreis bei Unser Bier bei einem Incentive, da hat sich der Wunsch konkretisiert. Als dann meine Stelle abgebaut wurde und ich eine schwere Krebserkrankung überstanden hatte, dachte ich mir: Jetzt oder nie, mit 65 Jahren schaffe ich den Sprung in die Selbstständigkeit bestimmt nicht mehr. Ich wollte etwas machen, bei dem ich in direktem Kontakt mit Menschen bin – und ihnen ein Stück Lebensqualität geben. Ich habe ein Zeitfenster. Mindestens zwölf Jahre werde ich noch agil genug fürs Brauen sein.

BZ: Als IT-Spezialist in Basel verdient man doch sicher mehr Geld als durchs Brauen in Kandern.
Hein: Ich bin lange genug dem Geld hinterhergejagt. Aber warum sollte ich die Zeit, die mir noch bleibt, in eine Arbeit investieren, die ich nicht genieße? Um dann von dem vielen Geld, das ich verdiene, mir Sachen zu kaufen, die ich eigentlich nicht brauche?

BZ: Wenn das mit dem Bier im Weinland Baden nicht klappt?
Hein: Ein Zuschussgeschäft oder ein teures Hobby soll es nicht werden. Aber ich bin zuversichtlich. Auf einer USA-Reise sah ich, dass überall, in jedem Supermarkt oder Restaurant, lokale Biere im Angebot waren – und von den Kunden auch angenommen wurden.
Thomas Hein, 58, ist im Hunsrück aufgewachsen, hat Werkzeugmacher gelernt und Maschinenbau studiert. Später ist er in die IT-Branche gewechselt und hat in vielen Ländern gearbeitet, unter anderem in den USA. 2005 zog er mit seiner Frau und seinem Sohn nach Kandern-Tannenkirch und arbeitete bei einem Basler Pharmakonzern.

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