"Ich bin erschüttert"
ZISCHUP-INTERVIEW mit dem Pfarrer Ulrich Bayer über die Auswirkungen des Ukraine-Krieges .
Julian Winterhalter, Klasse 9f, Wentzinger-Gymnasium (Freiburg)
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In der Nacht zum 24. Februar 2022 wurde die Ukraine von mehreren Seiten von Russland angegriffen. Jedoch ist es kein "Blitzkrieg", wie von Putin erhofft, sondern dauert bereits fast zwei Monate. Viele Menschen sind geflüchtet und die ersten Kinder eines Waisenhauses in Kiew im Alter von ein bis 17 Jahren sind am 27. Februar 2022 in Freiburg angekommen. Die Evangelische Stadtmission war daran beteiligt, Unterkünfte für die Geflohenen zu organisieren. Außerdem stellte sie Essen, Trinken sowie medizinische Versorgung bereit.
Zischup: Wie stehen Sie zu der aktuellen Situation ganz persönlich?
Bayer: Ich bin erschüttert, da ich nicht gedacht hätte, dass es jemals wieder einen Krieg geben wird. Zugleich bin ich auch durch meine Familie geprägt. Meine Großeltern sind im Zweiten Weltkrieg umgekommen und der erste Mann meiner Mutter ist im Krieg gefallen. Daher gab es für mich schon immer ein Leitmotiv in meinem Leben, und zwar: Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein!
Zischup: Welchen Eindruck haben Sie von den Menschen, die Sie umgeben? Wie empfinden diese die Situation?
Bayer: Heute Morgen habe ich mit zwei älteren Mitbewohnern aus dem Stadtteil Mooswald ein Gespräch geführt. Sie waren sieben und zwölf Jahre alt, als Freiburg 1944 bombardiert wurde. Sie mussten viel Leid und Tod als Kinder erleben und sind davon bis heute sehr geprägt. Über den Krieg in der Ukraine sind sie dadurch natürlich besonders entsetzt.
Zischup: Haben Sie mit Kirchen oder Personen in der Ukraine Kontakt?
Bayer: Wir sind über die evangelische Stadtmission mit dem Waisenhausprojekt in Kiew verbunden und unterstützen es schon seit vielen Jahren. Ganz aktuell unterstützen wir die Waisenkinder aus der Ukraine, die seit einigen Tagen in Freiburg sind, mit Geld und Sachspenden, um ihnen eine angenehme Ankunft zu bereiten. Wahrscheinlich werden wir bald Flüchtlinge im Gemeindesaal der Markusgemeinde unterbringen.
Zischup: Wie genau wirkt sich die Situation in der Ukraine auf die Kirche aus?
Bayer: Es wird viel Arbeit geben, denn wir werden in der kommenden Zeit Hilfe für die Geflüchteten organisieren. Außerdem haben wir die Aufgabe, über die Ökumene zu versuchen, Ukrainer und Russen wieder zusammenzuführen.
Zischup: Was kann man selbst tun, um zu helfen?
Bayer: Man kann Geld oder Gegenstände spenden, die dann über die Evangelische Stadtmission weitergeleitet werden. Zusätzlich könnte man sich auch treffen, um etwas zu spielen, wenn sich alle erst einmal erholt haben von der langen Fahrt.
Zischup: Warum denken Sie, hat Putin die Ukraine angegriffen?
Bayer: Ich bin davon überzeugt, dass er den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 nicht verkraften konnte. Sein Traum ist es, immer noch, ein großrussisches Reich zu errichten. Das Problem ist, dass er sich nichts mehr sagen lässt und wir uns jetzt in einem Krieg befinden, der durch die technologischen Fortschritte schlimmer ausgehen kann als jeder andere davor, wenn man ihn nicht stoppt.
Zischup: Wie wird der Konflikt weitergehen oder ausgehen?
Bayer: Sicherlich wird uns die größte Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg einholen.
Anmerkung: Zum Zeitpunkt des Interviews haben bereits eine Million Ukrainer ihr Land verlassen. Das heißt, wir werden in Europa mehrere Millionen Flüchtige zu versorgen haben, was eine große Herausforderung sein wird. Ich hoffe, dass der Krieg schnell aufhört!