Gefahr?
Wölfe in Wohngebieten lösen hitzige Debatten aus
Mehrere Tiere streunen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch Wohngebiete. Umweltminister aus Kiel und Hannover geben Wölfe zum Abschuss frei – im Notfall.
Peer Körner (dpa)
Mo, 9. Mär 2015, 0:00 Uhr
Panorama
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In Niedersachsen folgen Wölfe einer Spaziergängerin, in Schleswig-Holstein reißt ein Wolf Schafe. Bislang haben die grauen Jäger aber noch keine Menschen bedroht. Dennoch wird die Rückkehr der Wölfe hitzig debattiert. Zwei Umweltministerien erlauben nun sogar – im Notfall – die Tötung "verhaltensauffälliger Tiere".
Wenig später streift ein Wolf am helllichten Tag durch Wildeshausen, ebenfalls in Niedersachsen. In Mölln in Schleswig-Holstein reißt ein anderer Schafe, ihn zu vertreiben gelingt nicht. Auch dieser Wolf zeigt keinerlei Aggression, aber auch keinerlei Scheu. Die beiden Tiere von Wildeshausen und Mölln sollen vertrieben oder im äußersten Notfall getötet werden, erlauben die Umweltminister in Kiel und Hannover. Die Behörden sprechen von "verhaltensauffälligen Tieren". Damit gibt es wohl so etwas wie zwei Problemwölfe in Deutschland. Beide Minister, Stefan Wenzel (Niedersachsen) und Robert Habeck (Schleswig-Holstein), sind Grüne und fern von dem Verdacht, Wolfsgegner zu sein. Dennoch stößt der Schritt auf heftige Kritik bei Tierschützern. In Anti-Jagdblogs wird gar gefordert, lieber die Spezies Mensch auszurotten.
"Es gibt zwei tief verwurzelte Wolfsbilder. Das eine ist der böse Wolf aus Märchen wie Rotkäppchen", sagt der Autor des Buches "Die Rückkehr der Wölfe", Eckhard Fuhr. Das spiegele uralte Erfahrungen wieder, dass Frauen und Kinder von Wölfen bedroht oder gar getötet werden, wie das heute noch in Indien oder dem Iran geschehe. "Das andere Bild ist das vom Wolf als Heiligen der Wildnis, als Vertreter der Natur." Fuhr begrüßt die Rückkehr der Tiere aus dem Osten, doch er warnt vor Prognosen über das Verhalten. Die Wölfe fänden hierzulande andere Verhältnisse vor, als vor ihrer Ausrottung. Sie würden nicht verfolgt, der Tisch sei reich gedeckt. "Die Wölfe checken für sich die Lage. Als hochintelligente Jäger taxieren sie bei uns gerade das Risiko neu ein, das vom Menschen für sie ausgeht."
Man müsse die Ursache finden, warum die Wölfe ihre Scheu verlieren, sagt Nabu-Wolfsexperte Markus Bathen. "Für mich kann es da zwei Ursachen geben – entweder sind die Wölfe krank oder jemand hat sie angefüttert." Besonders Jungwölfe könnten leicht ihre Scheu verlieren – das gelte wohl auch für die Tiere in Mölln und Wildeshausen.
So habe es durchaus schon Todesfälle gegeben, sagt Bathen. "Nach einer norwegischen Studie sind in Europa zwischen 1950 und dem Jahr 2000 neun Menschen von Wölfen getötet worden, fünf durch tollwütige und vier durch zuvor angefütterte Tiere", berichtet er. Die freilebenden Wölfe in Deutschland sollten getötet werden, fordert Gerd Steinberg. Der 75-Jährige hält Schafe und hat schon 2002 ein "Bündnis gegen den Wolf" gegründet. "Die Duldung ist eine Dummheit, auch weil er ganze Herden umbringt", warnt Steinberg. "Vor einem hungrigen Wolf ist kein Tier sicher, auch nicht Rinder oder Pferde." Ohne Jagddruck seien auch Menschen in Gefahr.
Und was meinen die Jäger? Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdverbandes, warnt, dass die Tiere auf keinen Fall gefüttert werden dürften. "Niemand kann letztlich ausschließen, dass es auch zu Übergriffen auf Menschen kommen kann. Deshalb fordern wir die Politiker auf, das auch so ehrlich zu sagen." Gerade Jungwölfe müssten Respekt vor dem Menschen lernen.
Wildbiologin Britta Habbe kümmert sich für die Landesjägerschaft Niedersachsen um die Wölfe. Sie geht davon aus, dass rund 30 Rudel in Deutschland leben. "Es dürften 240 bis 300 Tiere sein", schätzt sie. Das wären doppelt so viele wie noch vor zwei Jahren. Eine reguläre Bejagung darf aber erst erfolgen, wenn es etwa 1000 erwachsene Wölfe in Deutschland und dem westlichen Polen gibt, betont Frank Faß vom Wolfcenter Dörverden. Dann sei der sogenannte Selbsterhaltungszustand erreicht.
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