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Sicherheitslage in Deutschland

Spione, Islamisten und Rechtsextreme

Wie ist die Sicherheitslage in Deutschland? Die Risiken seien größer geworden, erklärt der Verfassungsschutz auf einer Tagung.  

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Die chinesische Botschaft in Berlin  | Foto: Hannes P Albert (dpa)
Die chinesische Botschaft in Berlin Foto: Hannes P Albert (dpa)

Eigentlich geht es um Spione, Terrorangriffe und Extremisten. Aber Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, steigt am Montag mit Immanuel Kant ein. Immerhin fällt das Symposium seiner Behörde auf den 300. Geburtstag des Philosophen. Die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland, sagt Haldenwang, "spottet allen Erwartungen an den ewigen Frieden und die praktische Vernunft." Schlechte Zeiten für Kant im Superwahljahr 2024, in dem die Bundesrepublik zudem Schauplatz des Massenspektakels der Fußball-Europameisterschaft ist. Denn die Risiken haben sich erheblich verdichtet. "Die aktuelle Lage ist reich an Gewalt und an gewaltigen Aufgaben", sagte Haldenwang.

Spionage

Vergangene Woche waren es zwei mutmaßliche russische Spione, am Montag nun drei Tatverdächtige, die für China spioniert haben sollen (siehe unten): Seit Beginn des Ukraine-Kriegs verzeichnen die deutschen Sicherheitsbehörden mehr Spionageangriffe auf deutschem Boden. China bediene sich dabei auch eines legalen Vorfelds, in dem Gastwissenschaftler, wirtschaftliche Kontakte zu deutschen Firmen und einzelne aus dem Reservoir der 40.000 chinesischen Studenten in Deutschland instrumentalisiert würden. Auch Russland rekrutiere Spitzel in Diasporakreisen und in der großen Russland-affinen Community, zu der auch Spätaussiedler zählen – wobei sich dieses Milieu bisher als "ziemlich resilient" erwiesen habe, wie Haldenwang betonte. Dissidenten und Oppositionelle würden auch im Ausland eingeschüchtert und verfolgt, Putin benutze "den ganzen Werkzeugkasten" des klassischen Agentengeschäfts – "bis hin zur gezielten Tötung", so Haldenwang. Es gehe aber auch um den Versuch der Destabilisierung durch Desinformationen, Cyberattacken und Hackerangriffe. Dies sei auch häufig eine "Show of Force" – der Versuch, die eigenen Einflussmacht zu demonstrieren.

Islamisten

"Der 7. Oktober war eine Zäsur – außenpolitisch und innenpolitisch", sagte Nina Dirkes, Islamismus-Expertin des Verfassungsschutzes. Man sehe, dass antisemitische Vorfälle seitdem zugenommen hätten. Der Nahostkonflikt sei von "jeher nicht nur auf die eigentlichen Kriegsparteien begrenzt", betonte Dirkes. Er befeuere auch Rechts- und Linksextremisten, zudem islamistische Organisationen ganz anderer Orientierung wie Al Qaida und den Islamischen Staat. Islamistische Netzwerke schürten mittels sozialer Medien das Narrativ, dass Rassismus und Muslimfeindlichkeit in Deutschland besonders verbreitet seien, um auf eine bewusste Abgrenzung muslimischer Milieus hinzuwirken, so Dirkes. Die Expertin sprach von einer "enorm gestiegenen Anschlagsgefahr". Verfassungsschutzpräsident Haldenwang sagte, dass sich Islamisten vor allem auf "weiche Ziele" konzentrierten: Örtlichkeiten, an denen sich Menschenmassen treffen. Dazu zählten auch größere Sportveranstaltungen. Festnahmen in jüngerer Zeit zeigten, dass die Tatverdächtigen häufig noch sehr jung seien, "immer öfter auch minderjährig". Im November waren zwei 15 und 16 Jahre alte Terrorverdächtige aus Nordrhein-Westfalen und Brandenburg festgenommen worden, die einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen geplant haben sollen. Bei der Radikalisierung spielten, so Haldenwang, soziale Medien eine zentrale Rolle, zuletzt vor allem Tiktok.

Rechtsextremisten

Im rechten Spektrum arbeitet nicht nur die AfD daran, die freiheitliche Verfassung zu untergraben. Der Verfassungsschutz sieht unterschiedliche Akteure am Werk, die allerdings "arbeitsteilig" vorgingen, erklärte Matthias Weber, der im Bundesamt Experte für Rechtsextremismus ist. "Die Neue Rechte ist ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen, um antidemokratische Positionen durchzusetzen", so Weber weiter. Eine bedeutende Rolle spielten das "Compact"-Magazin und sein Netzwerk, welches "extrem prorussisch" orientiert sei. Für die Erfolgsaussichten der AfD bei Wahlen seien die Kontakte zum rechtsextremistischen Vorfeld "von immenser Bedeutung". Dazu zähle auch die Identitäre Bewegung. Mit anschlussfähigen Provokationen versuchten die verschiedenen Akteure, bestimmte Begriffe zu normalisieren – zum Beispiel den eines angeblichen "Bevölkerungsaustausches". Weber betonte, es gehe diesen Kräften nicht darum, einer strikteren Migrationspolitik oder konservativeren Akzenten etwa in der Familienpolitik Vorschub zu leisten, sondern um ein "grundsätzlich anderes Wertekonzept", das auf Aus- und Abgrenzung gegenüber allem "Fremden" beruhe. "Es ist basaler Rassismus", so Weber.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 23. April 2024: PDF-Version herunterladen

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