Selenskyj setzt alles auf die europäische Karte
Beim Europa-Gipfel im spanischen Granada wirbt der ukrainische Präsident erneut um rasche Aufnahme in die EU. Doch der Widerstand dagegen ist erheblich.
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Wer sich eine Vorstellung davon machen möchte, wie die Europäische Union eines Tages aussehen könnte, brauchte sich nur den riesigen Tisch beim Gipfel der "Europäischen Politischen Gemeinschaft" anzusehen. 47 Regierungschefs, dazu die Präsidenten des Europäischen Rates, der EU-Kommission und des Europaparlaments versammelten sich in der traditionsreichen andalusischen Stadt. Am heutigen Freitag wird dann im vergleichsweise kleinen Kreis der 27 EU-Staaten getagt.
Wieder einmal geht es darum, ob und wann es eine neue Erweiterungsrunde gibt. Die Balkanstaaten wollen endlich zum Zuge kommen und fürchten, dass die Ukraine an ihren vorbei ziehen.
Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, warnte erneut, dass Russland nach einem möglichen Sieg über sein Land das Baltikum ins Visier nehmen werde. Drastisch schilderte er die Bedingungen, unter denen im 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernten Charkiw die Kinder zur Schule gehen. Viel Unterricht finde online statt. Aber: "65 Schulklassen mit mehr als 1000 Kindern werden analog in Klassenzimmern unterrichtet, die aber befinden sich in Metrostationen, unter der Erde", so Selenskyj. Kurze Zeit später erreichte die Gipfelteilnehmer die Meldung, dass Charkiw von einem besonders grausamen russischen Angriff mit Dutzenden Toten getroffen worden war.
Über die Folgen der Blockade US-amerikanischer Hilfen für die Ukraine im Kongress gibt man sich in der EU keinen Illusionen hin. "Europa kann diese Lücke nicht füllen", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell klipp und klar. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte weitere 50 Milliarden Euro an europäischen Hilfen für die kommenden Monate an. Sie sei aber zuversichtlich, dass auch Washington seine Zusagen einhalten werde.
Das dritte Treffen der "Europäischen Politischen Gemeinschaft", aus der Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am liebsten eine "EU light" machen möchte, konnte seine bedrückte Grundstimmung nicht abschütteln. Mit einer Mitgliedschaft light kann sich Selenskyj nicht zufriedengeben. Da er sich auf die USA nicht mehr verlassen kann, muss er nun alles auf die europäische Karte setzen. Doch die Widerstände sind groß. So gehen polnische Bauern schon jetzt auf die Barrikaden, weil der Import großer Mengen ukrainischen Getreides die Preise rapide fallen lässt.
Ex-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dessen Wort in der EU noch immer Gewicht hat, warnte in einem Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen vor einer raschen Aufnahme der Ukraine. Das Land sei durch und durch korrupt und habe gewaltigen Reformbedarf. An den Folgen einer übereilten Erweiterungsrunde 2004 mit Ländern, die teilweise bis heute Rechtsstaatsdefizite haben, leide die EU bis heute.
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