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Nacktheit ohne Provokation

Juliana Eiland-Jung
  • Mi, 16. Oktober 2024
    Lahr

     

Eine ungewöhnliche Ausstellung ist seit Sonntag in der Städtischen Galerie Lahr zu sehen. Ulrike Bolenz zeigt unter der Überschrift "Female Icarus" Bilder, Objekte und Installationen aus Farbe, Fotos, Polymer und Acrylglas. .

Tanzperformance zur Vernissage  | Foto: Juliana Eiland-Jung
Tanzperformance zur Vernissage Foto: Juliana Eiland-Jung
Die 1958 im Ruhrgebiet geborene Malerin und Plastikerin Ulrike Bolenz lebt in der Nähe von Brüssel und hat schon in vielen Teilen der Welt ausgestellt. Auch in Ländern, in denen ihre politische, feministische, körperliche Kunst anecken könnte. Bei keinem dieser Themen, die ihr Werk durchziehen, setzt Bolenz allerdings auf Provokation. Nacktheit ist bei ihr natürlich, das Schicksal eines im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlings erschütternd, ihr Werk "Fünf Kontinente – fünf Lachende" strahlt ansteckende Lebenslust aus.

Die Ambivalenz des klassischen Ikarus-Motivs spiegelt sich in der Ausstellung. Bei der gut besuchten Vernissage stellte Kunsthistorikerin Antje Lechleiter das Streben nach Freiheit dem Scheitern im Höhenflug gegenüber. Soll der Mensch deshalb nicht fliegen wollen, nicht mehr versuchen, "die Grenzen des Möglichen zu verschieben?", fragte Lechleiter. Und wenn der Absturz so tief ist, dass man flügellahm am Boden liegt, war es nicht doch den Versuch wert?

Im Mittelpunkt von Ulrike Bolenz‘ Werk steht der Mensch – und die Kunst selbst, für die Bolenz neue Materialien gefunden hat, deren besonderer Reiz in Glanz, Durchsichtigkeit und Schichtung liegen. Dass ihre Lachenden und die dahinter aufgehängten Kontinente halbtransparent sind und mit mehr oder weniger Abstand zueinander aufgehängt werden können, macht das Kunstwerk variabel und spannungsvoll. Sogar in der eher gedrungenen Lahrer Galerie funktioniert das Ganze – dank kluger Hängung und Beleuchtung – hervorragend. Am Eingang präsentiert sich Ulrike Bolenz mit zwei Ölgemälden – oder sollte man sagen Skulpturen auf Leinwand, denn die Künstlerin trägt die Farbe mit beiden Händen eher skulptural auf. In einigen der Werke sind Vogelfedern verarbeitet. Der Kontrast zwischen Natur und technischer Welt wird an anderer Stelle durch die Integration von Stempelaufdrucken und Strichcodes subtil integriert.

Die filmische Dokumentation ihrer Arbeitsweise ergänzt die Ausstellung von Ulrike Bolenz, außerdem geben in den Fensternischen ausgestellte kurze Texte Einblicke in ihre Denkweise. Eine überaus publikumsfreundliche Präsentation, die für die Zeit der Chrysanthema in Lahr "eine Bereicherung, Ergänzung und einen Kontrast" darstellt, wie Bürgermeister Guido Schöneboom es in seinem Grußwort formulierte.

Bolenz‘ sehr ästhetisches Werk sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine politische Botschaft enthält. So wurden ihre "Lachenden" inspiriert von der positiven Aufbruchstimmung in Berlin nach dem Mauerfall und sind zugleich eine doppelte Reaktion auf die Weihe von Frauen zu Priesterinnen in der anglikanischen Kirche und auf einen glücklicherweise nicht durchgesetzten Gesetzentwurf, der Frauen in der Türkei das Lachen in der Öffentlichkeit verbieten sollte. Bei der Vernissage wurde das Ganze sehr stimmig und atmosphärisch dicht mit einer Tanzperformance von Veronica Schell und Nadja Häussler umrahmt. Sehenswert!

Ulrike Bolenz: Female Icarus. Städtische Galerie Lahr, Altes Rathaus, Kaiserstraße 1. Geöffnet Mittwoch, Donnerstag, Freitag, 16 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag, 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Ressort: Lahr

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