Besondere Waldnutzungsform
Multikulti statt Monokultur im Jörgenwald in Neuried-Ichenheim
Die historische Waldbewirtschaftung im Ichenheimer Jörgenwald fördert die Biodiversität. Das Konzept heißt "Mittelwald".
Mi, 25. Dez 2024, 19:30 Uhr
Neuried
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Der Jörgenwald wurde laut Forstwirtschaftlicher Versuchsanstalt Baden-Württemberg 1993 zum Schonwald erklärt. Er hat eine Fläche von rund 111.000 Quadratmeter und befindet sich in Neuried-Ichenheim. Es handelt sich dabei um einen Kommunalwald. Besitzerin ist also die Gemeinde Neuried. Hauptbaumart ist die Hainbuche (35 Prozent)
Es handle sich um eine seit Jahrhunderten gängige Waldnutzungsform. Dabei wird ein Waldstück in mehrere sogenannte Schläge unterteilt. In jedem Winter wurde einer dieser Schläge für die Brennholznutzung komplett abgeholzt. Allerdings ließ man alle paar Meter die schönsten Kernwüchse, also die Schösslinge verschiedener Harthölzer – wie Esche, Eiche, oder Ulme – als Oberhölzer stehen. Oder man pflanzte sie auf die Fläche, wenn sie nicht bereits von Natur aus vorhanden waren. Hatte man zum Beispiel zwölf solcher Schläge, die nacheinander Jahr um Jahr abgeholzt werden, hatte der erste zwölf Jahre Zeit zum Nachwachsen. Bei vielen Laubhölzern geschieht das, indem die Stöcke der geernteten Bäume wieder austreiben, und zwar mit mehreren Trieben statt eines einzelnen Stammes. Diese Austriebe bieten sich für die Nutzung als Brennholz geradezu an.
Die im Zwischenraum geschonten Bäume waren dann ebenfalls zwölf Jahre älter und entsprechend dicker. Sinn und Zweck dieser Bewirtschaftungsform war die Deckung des Brennholzbedarfs einerseits, wobei gleichzeitig sichergestellt war, dass immer genügend Nutzholz zur Verfügung stand. Denn Holz war für fast alle Gegenstände des täglichen Lebens notwendig. Das gesamte Konzept beruhte auf dem Ansatz der Nachhaltigkeit (der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft), da man nie mehr einschlug, als nachwuchs.
Seit einigen Jahren steigt der Brennholzbedarf wieder und so wäre es naheliegend, den Vorteil eines Mittelwaldes auch heute noch in der Brennholzproduktion zu sehen. Das sei aber zu kurz gegriffen, meint Hepfer, weil der ökologische Wert dieser Bewirtschaftungsform höher sei als ihre Nutzfunktion. Viele Baumarten bedeuten eine größere Artenvielfalt.
Die hohe Wertigkeit des Mittelwaldprojekts bestätigt Hans-Georg Pfüller, Leiter des Amtes für Waldwirtschaft des Ortenaukreises: "Der Neurieder Mittelwald ist ein hervorragendes Anschauungsobjekt für die Möglichkeiten, wie wir mit lichten Strukturen die Biodiversität unserer Wälder gezielt fördern können. Gleichzeitig ist er ein Freilandlabor: Hier können wir beobachten, welche Chancen uns diese für Südeuropa typischen Waldstrukturen zur Klimaanpassung unserer Wälder vor allem im Rheintal bieten können, wo wir in wenigen Jahrzehnten Mittelmeerklima bekommen werden."
Seit 2004 ist der Ichenheimer Jörgenwald ein sogenannter Schonwald, dem ein Schutzzweck zugeordnet wurde. Beim Jörgenwald ist dieser Zweck der langfristige Aufbau eines artenreichen Mittelwaldes, wie es in einer Verordnung heißt. Artenreich bedeutet in diesem Fall, dass ein lichter Wald entstehen soll. Denn nur in einem solchen Wald, dessen Bäume unterschiedlich alt sind und der infolgedessen aus mehreren Stockwerken besteht und kein vollständig geschlossenes Kronendach hat, können sich viele Baumarten nebeneinander dauerhaft etablieren. Im Jörgenwald werden in erster Linie Eiche, Kirsche, Wildbirne und Elsbeere davon profitieren. In einem dunklen Forst würden sie das Rennen um das Licht verlieren und absterben.
"Er ist außerdem Lebensraum für viele Tierarten, die bei uns geschützt sind, weil ihre Populationen über die letzten Jahrzehnte zurückgegangen sind", sagt Hepfer. Der Wiedehopf, seltene Spechte und die Waldschnepfe gehören dazu. "Das alles wird ersichtlich, wenn man sich auf dem Heuweg, der den Jörgenwald durchschneidet, um 180 Grad dreht und einen Blick in den direkt gegenüberstehenden Bestand wirft, der fast ausschließlich aus Roteichen besteht und entsprechend artenarm daherkommt. Im Sinne des Naturschutzes heißt es somit auch im Wald: Multi-Kulti statt Monokultur", betont Pfüller deutlich.
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