"Es ist offen, ob das funktioniert"

BZ-INTERVIEW mit Lutz Richter, Leiter einer Pflegeschule, über die geplante Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen.  

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AWO-Pflegeschulleiter Lutz Richter  | Foto: AWO
AWO-Pflegeschulleiter Lutz Richter Foto: AWO

BERLIN. Mit einer Ausbildungsreform wollen CDU/CSU und SPD die Pflege stärken. Deshalb werden die Ausbildungen in der Kranken- und Altenpflege sowie der Kinderkrankenpflege zu einem Beruf zusammengelegt. Lutz Richter hat jedoch die Sorge, dass die Zahl der Ausbildungsplätze sinkt. Mit dem Leiter der AWO-Altenpflegeschule in Seelbach sprach Bernhard Walker.

BZ: Macht die Zusammenlegung der drei Pflegeausbildungen den Pflegeberuf attraktiver?
Richter: Ich fürchte, das klappt nicht. Wir können von Glück sagen, wenn wir nur zehn Prozent der Ausbildungsplätze verlieren und nicht noch mehr.
BZ: Warum ist das so?
Richter: Die Azubis müssen künftig Praktika im Krankenhaus, in einem Altenheim, bei einem ambulanten Pflegedienst, in einem Kinderkrankenhaus und einer psychiatrischen Einrichtung durchlaufen. Es gibt dafür aber gerade in den Kinderkliniken oder der Psychiatrie nicht genug Plätze. Alle Verantwortlichen suchen jetzt mit Hochdruck danach. Nur wird das schwer – auch wenn jetzt sogenannte Ausbildungsverbünde entstehen.
BZ: Was sollen diese bewirken?
Richter: Alle Träger – also die Heime, die Pflegedienste, Krankenhäuser und die Pflegeschulen – kommen zusammen und organisieren die neue Ausbildung gemeinsam. Dieser Ansatz ist völlig richtig. Es weiß nur niemand, ob er ausreicht.
BZ: Warum?
Richter: Weil sich im Detail viele Probleme stellen. Während der Praktika unterrichten speziell damit betraute Personen die Schüler. Diese Personen muss man also erstmal finden und dann vielleicht für diese Aufgabe weiterqualifizieren. Oft werden sie erfahrene Kräfte sein, die jeden Tag in einer Einrichtung ihre Arbeit leisten. Übernehmen sie stärker die Anleitung der Schüler, fehlen sie im konkreten Arbeitsalltag auf einer Station oder in einem Heim. Auch deshalb betrachten viele Träger die Reform mit großer Skepsis.
BZ: Ist die begründet?
Richter: Auf jeden Fall. Das Ganze funktioniert nur durch ein rollierendes System, also dadurch, dass der Ausbildungsverbund vorab genau festlegt, welcher Azubi wann welches Praktikum macht. Das ist alles bis zu den Urlaubstagen der Azubis genau durchgeplant. Es lockert aber die Bindung zwischen Ausbildungseinrichtung und Azubi.
BZ: Wie das?
Richter: Bisher ist es so, dass jeder Träger seine Azubis ausbildet – also ein Krankenhaus die Krankenpflege-Azubis oder ein Altenheim seine Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege. Das geht über ein Jahr bei den Helfer-Berufen oder drei Jahre bei den Fachkräften für Kranken- und Altenpflege. Ein Träger kann so Nachwuchskräfte für sich gewinnen. Das lockert sich im rollierenden System, weil künftig der Azubi weniger Zeit bei ihm verbringt und so ausgebildet wird, dass er später entweder in der Klinik, in der Altenpflegeeinrichtung, im ambulanten Pflegedienst oder einer Kinderstation arbeitet.
BZ: Hat sich also Berlin am grünen Tisch etwas ausgedacht, was gar nicht funktioniert?
Richter: Jedenfalls ist offen, ob es funktioniert. Und selbst wenn das mit viel Mühe aller Akteure gelingt, bleiben die Rahmenbedingungen, die ohnehin schwierig sind – und sei es nur, dass die Wochenendarbeit, die es in der Pflege nun mal gibt, viele abschreckt. Das überragende Ziel von uns allen muss doch sein, mehr Leute für die Pflege zu gewinnen. Genau da muss ich aber leider in puncto Ausbildungsreform ein großes Fragezeichen setzen.

Lutz Richter (57) ist Diplom-Pflegepädagoge. Er leitet die AWO-Berufsfachschule für Altenpflege in Seelbach im Ortenaukreis.
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